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blindlings sprang sie durch Finsterniß und Hagelsturm der Stelle zu, wo sie zwischen den Blitzstrahlen die Laterne ihres Mannes glänzen sah.

      »Jan, Jan, was ist geschehen?« fragte sie voller Schrecken.

      »Ein Unglück,« sagte er, mit seiner Laterne auf den Boden leuchtend; »vielleicht ein furchtbares Unglück! Da liegt ein todtes Pferd neben der Bahn. Sieh nur, bei den Blitzstrahlen erkennt man die Trümmer eines zerschmetterten Wagens. Der Schnellzug hat bei seiner Vorüberfahrt das Unheil angerichtet. Sind Menschen dabei verunglückt oder war das Pferd ohne Führer davongegangen?«

      »Hattest du denn nicht die Barrieren geschlossen, Jan?« murmelte die Frau.«

      »Gewiß, gut und sorgfältig,« war die Antwort, und wie der Wagen auf die Bahn gekommen, ist mir unbegreiflich, ich war drüben an dem andern Weg und stand mit der Laterne auf meinem Posten. Gebe Gott, daß kein Menschenleben verloren ist, dann würde das Unglück so groß nicht sein, denn der Schnellzug ist ohne Unfall weiter gefahren.«

      »O mein Gott,« schrie jetzt die Frau, entsetzt den Arm ihres Mannes ergreifend. Ist es denn möglich!«

      »Was beängstigt dich so, Marianne? «

      »Ach dort, vor uns, sah ich beim Schein des Blitzes einen Menschen liegen!

      An der bezeichneten Stelle angekommen, beleuchtete der Bahnwärter den Boden. Er und seine Frau wichen mit einem Angstschrei zurück. Jan Verhelft ging indessen auf’s Neue vor, und sagte dann mit bebender Stimme;

      »Komm nicht näher, Marianne, ach es ist zu entsetzlich! der arme Mensch! Da liegt er als Leiche, zerfetzt, in Stücken gerissen, mit zerschmettertem Kopf! Wer es nur sein mag?«

      »Hörst du kein Geräusch, dort nach der Hecke zu?« seufzte die Frau.

      »Was meinst du?«

      »Ein Röcheln, wie von einem Sterbenden!«

      »Sollte noch ein Opfer gefallen sein? Schrecklich, entsetzlich! Marianne, liebe Frau, fasse Muth und sei stark. Es ist wirklich zum Verzweifeln, vor Trauer und Schrecken.«

      So sprechend trat er näher zur Hecke.

      Da lag, mit dem Gesicht zur Erde, ein Mensch, der am Kopf stark zu bluten schiene aus seiner Brust drang, ein röchelnder Laut, als ob er im Sterben liege.

      »Er lebt noch!« rief der Bahnwärter. »Hier Marianne, halt die Laterne, daß ich dem Unglücklichen Hilfe bringe, wenn es noch möglich ist.«

      Er schob seinen Arm unter den am Boden liegenden Körper, und wendete ihn sorgfältig um, das Gesicht nach oben. Jetzt aber entrang sich ihm ein Schrei – er begann zu wanken, sank in die Kniee und rief:

      »Der Notar! Barmherziger Gott, es ist der Notar!«

      Ach unser Wohlthäter, der arme Herr Vereichen! Das hat er doch nicht verdient, der gute Mann!« rief Marianne.

      Beider Schmerz löste sich in einer Thränenfluth.

      »Ach, und die verstümmelte Leiche ist Joseph, der Kutscher des Herrn Vereichen!«

      »Ja, der arme Junge; setz die Laterne hin,« sagte der Mann, »faß den Verwundeten bei den Beinen, wir wollen ihn in das Wärterhäuschen tragen, auf unser Bett legen, seine Wunde waschen und ihn laben. Ich bin halb todt vor Schrecken, aber die Noth gebietet, wir müssen uns stark halten. Bezwing’ deine Thränen und geh voraus, Marianne, längs der Schienen. Strauchle nicht, jede Bewegung könnte ihm Schmerzen machen. Wie muß er leiden, der Arme!«

      Sie legten den Notar auf ihr Bett, zündeten eine Lampe an und begannen weinend und wehklagend, ihm die Wunde am Kopf zu waschen; aber was sie auch versuchen mochten, sie konnten das Blut nicht stillen, das immer von Neuem hervorquoll.

      Die Angst des Bahnwärters wuchs bei dem Gedanken daß sein Wohlthäter ihm so unter den Händen verbluten möchte.

      »Schnell, Marianne, lauf in’s Dorf, liebe Frau, zum Doctor, zum Bürgermeister, schaff Hilfe herbei! Geh nur in den »Elephanten« es ist eben erst zehn Uhr, du wirst da den Doktor und die anderen Herren sicher treffen. Eile dich, wecke die Leute unterwegs, daß sie uns zu Hilfe kommen. Ich springe nur eben zum Wagen, um die Großmutter und die Kinder zu beruhigen.«

      Die Frau war schon weit fort: als er diese letzten Worte rief und selbst seitwärts durch die Finsterniß eilte.

      Er fand die Blinde, Alexander im Arm haltend, zitternd und bleich, dem lieben Gott ihre tödtliche Angst klagend.

      »Mutter, sei doch nur ruhig und rege die Kinder nicht zu sehr auf,« sagte er.

      Als sie seine Stimme hörte, erhob sie dankend die Hände zum Himmel und rief in großer Freude:

      »Jan« Jan« du bist es? Du lebst? Gott sei gepriesen, ich glaubte, daß du todt wärst . . . «

      »Stil! Doch, liebe Mutter, ich habe keine Zeit viel zu sprechen,« sagte er. »Sorge nur für die Kinder und mache, daß sie zu Bette bleiben. Uns droht keine Gefahr, es ist ein anderes Unglück geschehen, der Wagen des Herrn Notars ist durch den Schnellzug überfahren worden. Herr Vereichen und sein Kutscher sind schwer verwundet, ich muß eilig zurück, um zu helfen. Daß Niemand aus dem Wagen gehe, ohne meine Erlaubniß!«

      Und eiligst kehrte er in das Wärterhäuschen zurück. Der Sturm hatte sich indessen ausgetobt, und wenn es auch noch stark regnete, so sah man doch am fernen Horizonte schon einige Sterne blinken.

      Johann Verhelft wußte nicht, was er anfangen sollte um dem Verwundeten zu helfen; das Waschen des Kopfes mit kaltem Wasser hemmte das Blut nicht. Endlich schloß er mit den Fingern die offene Wunde und, hielt sie so dicht geschlossen als möglich.

      Nur kurze Zeit blieb er allein; der Doktor, der Bürgermeister und zehn oder zwölf der ersten Einwohner des Dorfes kamen, herangelaufen, Marianne hatte einige davon, im »Elephanten« getroffen, Anderen die böse Nachricht unterwegs verkündet. Viele Leute aus dem Dorfe folgten und das Wärterhäuschen war bald von einer neugierigen und erschreckten Menge eingeschlossen.

      Der Arzt war beschäftigt, den Kopf, des Notars zu verbinden und zu untersuchen, ob er noch andere Wunden davongetragen.

      Einige Leute hatten die Laterne des Bahnwärters genommen und sammelten die zerstreuten Glieder des Kutschers, um sie auf Befehl des Bürgermeisters nach dem Todtenhause zu tragen. Dabei wurde das schreckliche Unglück beklagt und besprochen, und die Art und Weise erörtert, in der es sich zugetragen. Jeder befragte den Bahnwärter, Alle wollten wissen, wie es denn möglich sei, daß ein Wagen auf die Schienen kommen konnte, wenn die Barriere geschlossen. Er vermochte ihnen darüber keine Aufklärung zu geben und wiederholte nur, daß er seine Pflicht gethan und den Weg abgesperrt habe. Viele schienen ihm zu glauben, die Meisten aber zuckten die Achseln oder schüttelten bedenklich den Kopf.

      Vor Allen legte der Bürgermeister ein entschiedenes Mißtrauen an den Tag. Daß Johann Verhelft bisher allgemein für einen braven Mann und pflichtgetreuen Beamten gegolten, wußte er wohl, aber woher kam es denn, daß er und seine Frau jetzt in Thränen schwammen und vor Entsetzen kaum sprechen konnten? Der Notar war ihnen allerdings ein guter Freund gewesen, aber das war doch keine genügende Erklärung, für eine so auffallende Angst, die nur durch ein schuldbeladenes Gewissen, wie der meinte, begreiflich sei.

      Da er aber ein vorsichtiger Mann war, sagte er am Schluß seiner Erwägungen:

      »Wir wollen die Sache untersuchen, und die Wahrheit wird ohne Zweifel an den Tag kommen; bis dahin muß: man keinen anklagen.«

      Und leise für sich fügte er bei:

      »Wie kann denn ein Wagen bei geschlossenen Barrieren auf die Bahn kommen? Der Notar wird uns drüber Aufschluß geben sobald er die Sprache wiederfindet.«

      Aber der arme Notar lag noch immer besinnnngslos da, nur das Röcheln in seiner Brust verrieth, daß noch Leben in ihm war.

      Als der Arzt seine Arbeit vollendet, sagte er, daß es rathsam sei, den Kranken nach seinem Hause zu schaffen. Eine Bahre hatte man nicht bei der Hand, der Bahnwärter aber, der ungeachtet seiner Betrübniß den Kopf oben behielt, hob die Thür des Wärterhäuschens ans ihren Angeln.

      »Hier

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