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argwohnte eine Hinterlist, und aus dem, was er sah, schließend, daß die Republikaner, wenn man ihnen nicht einige Erleichterungen zur Flucht gewährte, sich, wie sie geschworen, unter den Mauern ihrer Stadt begraben würden, ließ er, indem er that, als wolle er seine Truppen auf einem einzigen Punkte vereinigen, um auf diesen den Angriff desto furchtbarer zu machen, dasjenige von den Stadtthoren, welches man das Thor von Neapel nannte, völlig frei.

      In der That waren Nicolo Palomba und Mastrangelo die Ersten, welche, diesen Ausweg benützend, die Stadt verließen.

      Von Zeit zu Zeit warf Fra Pacifico eine Bombe in das Innere der Stadt, um die Bewohner fortwährend an die Gefahr zu erinnern, welche sie den nächstfolgenden Tag erwartete.

      Die in traurigem, geheimnißvollem Schweigen befangene Stadt gab jedoch auf diese Herausforderung keine Antwort. Alles war darin stumm und unbeweglich wie in einer Stadt der Todten.

      Gegen Mitternacht wagte eine Patrouille Chasseurs sich dem Thore von Matera zu nähern, und kam, als es dasselbe ohne Vertheidigung sah, auf den Einfall, es in Brand zu stecken.

      Jeder begann sich demgemäß nach etwas Brennbarem umzusehen. Man errichtete dicht an dem schon von den Kanonenkugeln durchlöcherten Thor einen Scheiterhaufen und verwandelte es in Asche, ohne daß von Seiten der Stadt irgend ein Hinderniß entgegengesetzt worden wäre.

      Man meldete dies dem Cardinal, welcher, irgend einen Hinterhalt befürchtend, Befehl gab, die Stadt nicht zu betreten. Zugleich ließ er, um die Stadt nicht ganz zu ruinieren das Feuer des Mörsers einstellen.

      Freitags am 10. Mai kurz vor Tagesanbruch befahl er der Armee, sich in Bewegung zu setzen, und nachdem er sie in Schlachtordnung ausgestellt, ließ er sie gegen das verbrannte Thor vorrücken. Durch die Oeffnung dieses Thores aber war Niemand zu sehen. Die Straßen waren so verlassen und einsam wie die von Pompeji.

      Der Cardinal liest nun zwei Bomben und einige Granaten in die Stadt werfen, in der Erwartung, daß beim Explodieren derselben sich irgend eine Bewegung kundgeben würde. Alles aber blieb still und regungslos.

      Endlich ging die Sonne über der gruftähnlichen Einöde auf, jedoch ohne etwas in dem umfangreichen Grabe zum Leben zu erwecken.

      Nun befahl der Cardinal drei Regimentern Chasseurs, durch das verbrannte Thor einzurücken und die Stadt von einem Ende zum andern zu durchreiten, um zu sehen, was geschehen würde.

      Die Ueberraschung des Cardinals war groß, als man ihm meldete, daß Niemand weiter in der Stadt geblieben sei, als die Bewohner, welche zur Flucht zu schwach gewesen, die Schwachen, die Kranken, die kleinen Kinder und ein Kloster voll junger Mädchen.

      Plötzlich aber sah man einen Mann zurückkommen, auf dessen Gesicht die Kennzeichen des größten Entsetzens zu lesen standen.

      Es war dies der Capitän der ersten von dem Cardinal auf Entdeckung ausgesendeten Compagnie und welchem er befohlen, alle möglichen Nachforschungen anzustellen, um die Ingenieure Vinci und Olivieri, eben so wie den Parlamentär Vecchione ausfindig zu machen.

      Die Nachrichten, die er brachte, waren folgende:

      Als man die Kirche San Francisco betrat, hatte man frische Blutspuren gefunden. Man war diesen Spuren gefolgt. Sie hatten in einen Keller geführt, welcher mit todten oder an ihren Wunden sterbenden Royalisten angefüllt war. Es waren dies die vierzig Verdächtigen, welche Nicolo Palomba hatte festnehmen lassen und die zwei und zwei aneinandergekettet am Abend vorher in dem Augenblick, wo man jene hundertfache Salve gehört, auf welche tiefes Schweigen gefolgt, in dem Refectorium von San Francisco in Masse füsiliert worden.

      Nachdem dies geschehen, hatte man sie todt oder noch athmend ohne Unterschied in dieses unterirdische Gewölbe geworfen.

      Dies war das Schauspiel gewesen, welches den von dem Cardinal in die Stadt gesendeten Officier mit Entsetzen und Bestürzung erfüllt hatte.

      Als der Cardinal hörte, daß einige dieser Unglücklichen noch athmeten, begab er sich sofort selbst in die Kirche San Francisco und befahl, daß alle, todt oder lebendig, aus dem Gewölbe, in welches man sie geworfen, herausgeschafft würden.

      Nur drei, die nicht tödtlich getroffen waren, wurden nach sorgfältiger Pflege vollkommen wieder hergestellt; fünf oder sechs andere, welche noch athmeten, starben im Laufe des Tages, ohne auch nur wieder zur Besinnung gekommen zu sein.

      Die drei, welche am Leben erhalten wurden, waren: der Pater Maestro Lomastro, Exprovinzial der Dominicaner, welcher fünfundzwanzig Jahre später an Altersschwäche starb, Emmanuele de Mazzio di Madeira und der Parlamentär Don Raffaelo Vecchione, der erst im Jahre 1820 oder 1821 als Angestellter im Kriegsministerium starb.

      Die beiden Ingenieure Vinci und Olivieri befanden sich unter der Zahl der Todten.

      Die royalistischen Schriftsteller gestehen selbst, daß die Plünderung und Verwüstung von Altamura etwas Grauenvolles war. »Wer kann jemals,« sagt jener Vicenzo Durante, Cesares Lieutenant, welcher die Geschichte jenes unglaublichen Feldzuges von 1799 geschrieben – »wer kann jemals an diese arme Stadt denken, ohne daß ihm die Thränen der Trauer und des Mitleids in die Augen treten? Wer kann jene unendliche dreitägige Plünderung beschreiben, welche gleichwohl die Habgier des Soldaten nicht zu befriedigen vermochte?

      Calabrien, die Basilicata und Apulien bereicherten sich mit den Trophäen von Altamura. Alles ward den Einwohnern genommen, welchen man weiter nichts ließ, als die schmerzliche Erinnerung an ihre Rebellion.«

      Drei Tage lang erfuhr Altamura alle Gräuel, welche im Bürgerkrieg den mit Sturm genommenen Städten beschieden zu sein pflegen. Die daheimgebliebenen alten Leute und Kinder wurden erwürgt, das Nonnenkloster entweiht. Die liberalen Schriftsteller und unter andern Coletta suchen in den neueren Zeiten vergebens ein Unglück, welches dem Altamura’s gleichkäme, und sehen sich, um einen Vergleich zu finden, genöthigt, bis auf Sagunta und Carthago zurückzugehen.

      Es mußte erst eine furchtbare That war den Augen des Cardinals selbst geschehen, ehe dieser wagte Befehl zum Einstellen des Gemetzels zu geben.

      Man fand einen Patrioten in einem Keller versteckt. Man führte ihn vor den Cardiual, der auf dem Marktplatze, mitten unter Leichen mit den Füßen in Blut stehend, von brennenden und einstürzenden Häusern umgeben, an einem improvisierten Altare ein Dankgebet verrichtete.

      Dieser Patriot hieß Graf Filo. In dem Augenblick, wo er sich verneigte, um den Cardinal um sein Leben zu bitten, feuerte ein Mann, welcher sich für einen Verwandten des Ingenieurs Olivieri, den man, wie wir bereits erwähnt, unter den Todten gefunden, ausgab, aus nächster Nähe einen Schuß auf ihn ab. Der Graf Filo stürzte todt zu den Füßen des Cardinals und dessen Purpurgewand mit seinem Blute bespritzend nieder.

      Dieser unter den Augen des Cardinals vollführte Mord gab Ruffo einen Vorwand, um allen diesen Gräueln ein Ende zu setzen. Er ließ Generalmarsch schlagen. Alle Officiere und Priester erhielten Befehl, die Stadt zu durchwandern, und der Plünderung und den Mordthaten, welche schon drei Tage dauerten, Einhalt zu thun.

      In dem Augenblick, wo dieser Befehl ertheilt ward, sah man einen Reiter in der Uniform seines neapolitanischen Officiers herangaloppiert kommen. Vor dem Cardinal machte er Halt, stieg ab und überreichte ehrerbietig einen Brief von der Hand der Königin.

      Der Cardinal erkannte sofort die Handschrift, küßte den Brief, entsiegelte ihn und las Folgendes:

      »Wackere, hochherzige Calabresen!

      »Der Muth, die Tapferkeit und die Treue, womit Ihr unsere Religion und euren guten König vertheidigt, der keinen andern Wunsch kennt, als Euch glücklich zu machen, haben in unserer Seele ein Gefühl so lebhafter Befriedigung und so großer Dankbarkeit erweckt, daß wir uns bewogen gesehen haben, mit unseren eigenen Händen die Fahne zu sticken, welche wir Euch anbei übersenden. [Wir brauchen auch hier nicht erst zu sagen, daß dieser nach dem Original copirte Brief ebenso wie alle von uns angeführten Documente mit der strengsten Genauigkeit übersetzt ist.]

      »Diese Fahne wird ein leuchtender Beweis unserer aufrichtigen Anhänglichkeit an Euch und unserer Dankbarkeit für eure Treue sein. Gleichzeitig aber soll sie auch ein Sporn werden, um Euch anzutreiben, daß Ihr mit derselben Tapferkeit und mit demselben Eifer fortfahrt zu handeln, bis die Feinde des Staates und unserer

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