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IX., seine Treuherzigkeit verdoppelnd, fort. »Ich mißtraue meiner ganzen Umgebung, mit Ausnahme meiner neuen Freunde. Der Ehrgeiz von Tavannes ist mir verdächtig. Vieilleville liebt nur den guten Wein, und wäre im Stande, seinen König um ein Faß Malvasier zu verrathen. Montmorency kümmert sich nur um die Jagd und bringt seine Zeit zwischen seinen Hunden und seinen Falken hin. Der Graf von Retz ist Spanier, die Guisen sind Lothringer. Gott soll mir vergeben, aber ich glaube, es gibt in Frankreich keine wahre Franzosen, außer mir, meinem Schwager von Navarra und Dir. Doch ich bin an den Thron gefesselt und kann die Heere nicht befehligen. Man läßt mich kaum nach meinem Wohlgefallen in Saint Germain und in Rambouillet jagen. Mein Schwager von Navarra ist zu jung und hat zu wenig Erfahrung. Ueberdies scheint er mir in allen Stücken seinem Vater Anton ähnlich, den die Weiber stets verdorben haben. Nur Du, mein Vater, Du bist zugleich tapfer, wie Julius Cäsar, und weise wie Plato. Auch weiß ich in der That nicht, was ich thun soll: Dich als Rath hier behalten oder Dich als General abschicken. Wenn Du mir räthst, wer wird befehligen? Wenn Du befehligst, wer wird mir rathen?«

      »Sire,« antwortete Coligny, »man muß zuerst siegen, der Rath wird nach dem Siege kommen.«

      »Das ist Deine Ansicht, mein Vater? Wohl, es sei. Es soll nach Deiner Meinung verfahren werden. Du wirst Montag nach Flandern, und ich werde nach Amboise abreisen.«

      »Euere Majestät verläßt Paris?«

      »Ja. Ich bin alles dieses Geräusches, aller dieser Feste müde. Ich bin kein Mann der Thätigkeit, ich bin ein Träumer. Ich war nicht geboren, um ein König, sondern um ein Dichter zu werden. Du bildest eine Art von Rath, welcher regieren wird, während Du im Felde bist, und wenn sich meine Mutter nicht darein mischt, wird Alles gut gehen. Ich habe bereits Ronsard eingeladen, mich dort zu besuchen, und dann werden wir Beide ferne vom Geräusche der Welt, fern von den Bösen, unter unsern großen Bäumen, am Ufer des Flusses, beim Gemurmel der Bäche von göttlichen Dingen sprechen… es ist dies die einzige Entschädigung, die es da es auf Erden für menschliche Dinge gibt. Doch halt, höre die Verse, durch welche ich ihn einlade, ich habe sie diesen Morgen gemacht.«

      Coligny lächelte, Karl IX. fuhr mit seiner Hand über seine gelbe, elfenbeinglatte Stirne, und sprach mit einem gewissen, nach dem Takte abgemessenen, Gesange folgende Verse:

      Ronsard, je connais bien que si tu ne me voies,

      Tu oublies soudain de ton grand roi la voix;

      Mais pour ton souvenir, pense que je n’oublie

      Continuer toujours d’appendre en poésie,

      Et pour ce j’ai voulu t’envoyer cet esprit.

      Donc ne t’amuse plus aux soins de ton ménage,

      Maintenant n’est plus temps de faire jardinage;

      Il faut suivre ton roi, qui t’aime par sus tous,

      Pour les vers, qui de toi coulent braves et doux,

      Et crois, si tu ne viens me voir à Amboise,

      Qu’entre nous adviendra un bien grand noise.3

      »Bravo, Sire, bravo!« rief Coligny, »ich verstehe mich besser auf den Krieg, als auf die Dichtkunst, aber es scheint mir, diese Verse sind soviel werth, als die besten von Ronsard, Dorat, und selbst von Herrn Michel de l’Hospital, dem Kanzler von Frankreich.«

      »Ah, mein Vater, wie sprichst Du so wahr, denn siehst Du, der Titel eines Dichters ist derjenige, nach welchem ich vor allen andern trachte.«

      »Sire,« versetzte Coligny, »ich wußte wohl, daß Euere Majestät mit den Musen sich unterhielt; aber ich wußte nicht, daß sie ihren ersten Rath daraus machte.«

      »Nach Dir, mein Vater, nach Dir, und damit ich nicht in meiner Verbindung mit ihnen gestört werde, will ich Dich an die Spitze aller Angelegenheiten stellen. Höre also: ich muß in diesem Augenblick ein neues Madrigal beantworten, das mir mein großer und lieber Dichter zugeschickt hat. Ich kann Dir also zu dieser Stunde nicht alle Papiere geben, welche erforderlich sind, um Dich über die große Frage, die uns, Philipp II. und mich, trennt, auf das Laufende zu setzen. Ueberdieß liegt eine Art von Feldzugsplan vor, den meine Minister gemacht haben. Ich werde Dir Alles suchen und morgen früh übergeben.«

      »Um welche Stunde, Sire?«

      »Um zehn Uhr. Und wenn ich zufällig mit Versen beschäftigt und in meinem Abeitscabinet eingeschlossen wäre, so würdest Du dennoch hier eintreten und alle Papiere, die Du auf dem Tische in diesem rothen Portefeuille verwahrt fändest, mitnehmen. Die Farbe des Portefeuille ist so ausfallend, daß Du Dich nicht täuschen kannst. Ich schreibe nun an Ronsard.«

      »Gott befohlen, Sire.«

      »Gott befohlen, mein Vater.«

      »Eure Hand?«

      »Was sagst Du, meine Hand? In meine Arme, an mein Herz, das ist Dein Platz. Oh, mein alter Krieger, komm!«

      Und Karl IX. zog Coligny, der sich verbeugte, an sich und drückte seine Lippen auf die weißen Haare des Admirals.«

      Der Admiral entfernte sich, eine Thräne trocknend.

      Karl IX. folgte ihm mit den Augen, so lange er ihn sehen konnte, horchte, so lange er ihn hören konnte.

      Dann, als er nichts mehr sah und nichts mehr hörte, ließ er sein bleiches Haupt, wie dies seine Gewohnheit war, auf seine Schulter fallen und ging langsam von dem Zimmer, in welchem er sich befand, in sein Waffencabinet.

      Dieses Cabinet war der Lieblingsaufenthalt des Königs. Hier nahm er seine Fechtstunden bei Pompée, seine Lectionen in der Dichtkunst bei Ronsard. Es fanden sich hier die schönsten Vertheidigungs- und Angriffswaffen in großer Auswahl vereinigt. Alle Wände waren mit Streitäxten, Schilden, Piken, Hellebarden, Pistolen und Musketen tapeziert, und an demselben Tage hatte ihm ein berühmter Waffenschmied eine Büchse gebracht, auf welcher in Silber folgende vier Verse incrustirt waren, die der königliche Dichter selbst verfaßt hatte:

      Pour maintenir la foy,

      Je suis belle et fidèle;

      Aux suis Aux ennemis du roy Je suis belle et cruelle.4

      Karl IX. trat also, wie gesagt, in dieses Cabinet ein, und nachdem er die Hauptthüre verschlossen hatte, hob er eine Tapete empor, welche einen Gang markirte, der nach einem kleinen Gemache führte, wo eine Frau, vor einem Betpulte knieend, ihr Gebet verrichtete.

      Da sich diese Bewegung langsam bewerkstelligt hatte und die Tritte des Königs, durch den Teppich gedämpft, nicht stärker schallten, als die eines Gespenstes, so hörte die knieende Frau nichts, wandte sich nicht um und fuhr fort zu beten. Karl blieb einen Augenblick in Gedanken versunken und anschauend stille stehen.

      Es war eine Frau von vierunddreißig bis fünfunddreißig Jahren, deren kräftige Schönheit noch mehr durch die Tracht der Bäuerinnen aus der Gegend von Caux hervorgehoben wurde. Sie trug die hohe Haube, welche während der Regierung von Isabeau von Baiern am Hofe von Frankreich so sehr in der Mode gewesen war, und ihr rothes Mieder war ganz mit Gold gestickt, wie es gegenwärtig die Mieder der Landleute von Nettuno und Sora sind. Das Gemach, welches sie seit beinahe zwanzig Jahren bewohnte, stieß an das Schlafzimmer des Königs und bot ein seltsames Gemisch von Eleganz und bäuerlichem Aussehen. Der Palast hatte sich ungefähr in gleichen Theilen an der Hütte abgefärbt, wie die Hütte an dem Palaste, so daß dieses Gemach etwa die Mitte zwischen der Einfachheit der Dorfbewohnerin und dem Luxus der vornehmen Dame hielt. Der Betpult, an welchem sie kniete, war wirklich von vortrefflich geschnitztem Eichenholz und mit Sammet bedeckt, den man mit reichen goldenen Fransen besetzt hatte, während die Bibel, denn diese Frau gehörte der reformirten Religion an, während die Bibel, aus der sie ihre Gebete las, eines von den alten halb zerrissenen Büchern war, wie man sie in den ärmsten Häusern trifft.

      Alles Uebrige war nach Maßgabe dieses Betpultes und dieser Bibel.

      »He, Madelon!« sagte der König.

      Die knieende Frau schaute bei dem Tone dieser vertrauten Stimme lächelnd empor und stand auf.

      »Ah,

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<p>3</p> Ich weiß es wohl, wenn mich Dein Aug nicht siehet,Daß das Gedächtniß Dir des großen Herrn entfliehet;Doch daß Du meiner denkst, vergiß es nie,Daß ich ein Treuer bin der schönen Poesie,Und darum send’ ich Dir dieß heitre Gedicht,Das die Begeisterung um Deine Verse flicht.Laß Dich den Haushalt, Ronsard, nimmer quälen,Dir möcht sonst die Mus’ in Anderem, als Gartenwesen fehlen,Dem König mußt Du folgen, der dich so herzlich liebt,Weil Du die Poesie so kühn, so zart geübt.In Amboise hoffe ich, daß mir Dein Antlitz lache,Wo nicht so schwör’ ich Dichter Dir die tiefste Rache.
<p>4</p> Um den Glauben aufrecht zu erhalten,bin ich schön und treu;gegen die Feinde des Königsbin ich schön und grausam.