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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4. Александр Дюма
Читать онлайн.Название Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Dieses Vertrauen legte ihm in der That Pflichten auf, welche um so heiliger, als sein Gewissen entfernt nicht stumm war bei der Erinnerung an das Unrecht, das er gegen diesen würdigen König hatte, der im Augenblicke der Gefahr seine Hand auf seine Schulter als aus eine treue und redliche Stütze ausstreckte.
Je mehr auch Charny im Grunde seines Herzens sein Unrecht gegen seinen Herrn anerkannte, desto mehr war er bereit, sich für ihn zu opfern.
Und je mehr dieses Gefühl ehrfurchtsvoller Ergebenheit im Herzen des Grafen wuchs, desto mehr nahm das minder reine Gefühl ab, das er Tage, Monate, Jahre lang der Königin gewidmet hatte.
Darum hatte Charny, ein erstes Mal zurückgehalten durch eine unbestimmte Hoffnung, welche mitten unter Gefahren geboren ward, wie jene Blumen, die aus Abstürzen erblühen und mit ihren Wohlgerüchen die Abgründe erfüllen, – eine Hoffnung, die ihn instinktartig zu Andrée zurückgeführt, – nachdem diese Hoffnung verloren war. voll Eifer eine Sendung ergriffen, die ihn vom Hofe entfernte, wo er die doppelte Qual empfand, noch von der Frau geliebt zu werden, die er nicht mehr liebte, und noch nicht geliebt zu werden, – er glaubte es wenigstens – von der Frau, die er schon liebte.
Die Kälte benutzend, welche seit einigen Tagen in seinem Verhältnis, zur Königin eingetreten war, kehrte er nach seinem Zimmer zurück, entschlossen, ihr seine Abreise durch einen einfachen Brief anzukündigen, als er an seiner Thüre Weber fand, der aus ihn wartete.
Die Königin wollte ihn sprechen und wünschte ihn aus der Stelle zu sehen.
Es war nicht möglich, sich diesem Wunsche der Königin zu entziehen.
Die Wünsche der gekrönten Häupter sind Gebote.
Charny gab seinem Kammerdiener einige Befehle, beauftragte ihn, die Pferde an seinen Wagen anspannen zu lassen, und folgte dem Milchbruder der Königin auf dem Fuße.
Marie Antoinette war in einer geistigen Stimmung, welche ganz der von Charny entgegengesetzt; sie hatte sich ihrer Härte gegen den Grafen erinnert, und bei der gleichzeitigen Erinnerung an die aufopfernde Ergebenheit, die er in Versailles gezeigt, beim Anblick, – denn dieser Anblick war ihr stets gegenwärtig, – beim Anblick des quer über den Corridor vor ihrem Zimmer ausgestreckten, mit Blut bedeckten Bruders von Charny fühlte sie etwas wie einen Gewissensbiß, und sie gestand sich selbst, angenommen, Charny habe ihr nur Ergebenheit gezeigt, so habe sie ihm diese Ergebenheit schlecht belohnt.
Aber hatte sie nicht auch das Recht, von Charny etwas Anderes zu verlangen, als Ergebenheit.
Hatte Charny wirklich, wenn sie es wohl überlegte, gegen sie all das Unrecht, was sie ihm aufbürdete?
Mußte sie nicht aus Rechnung der brüderlichen Trauer jene Art von Gleichgültigkeit setzen, die er bei seiner Rückkehr von Versailles an den Tag gelegt? Ueberdies bestand diese Gleichgültigkeit nicht nur auf der Oberfläche, und, eine unruhige Liebende, hatte sie sich vielleicht zu sehr beeilt, Charny zu verurtheilen, als sie ihm die Sendung nach Turin angetragen, um ihn von Andrée zu entfernen, welche Sendung er ausgeschlagen? Ihre erste Bewegung, eine eifersüchtige, schlimme Bewegung, war gewesen, diese Weigerung werde veranlaßt durch die entstehende Liebe des Grafen für Andrée und durch seinen Wunsch, bei seiner Frau zu bleiben; und in der That, dieser, welche um sieben Uhr aus den Tuilerien abgegangen, war zwei Stunden später ihr Gatte bis in ihren Zufluchtsort in der Rue Coq-Héron gefolgt. Doch die Abwesenheit von Charny hatte nicht lange gedauert; auf den Schlag neun Uhr war er ins Schloß zurückgekehrt; dann, sobald er zurückgekehrt war hatte er die aus drei Zimmern bestehende Wohnung, welche man auf Befehl des Königs für ihn in Bereitschaft gesetzt, ausgeschlagen und sich mit der Mansarde begnügt, die für seinen Bedienten bezeichnet gewesen.
Anfangs hatte diese ganze Combination der armen Königin eine Combination geschienen, bei der ihre Eitelkeit und ihre Liebe Alles zu leiden hätten; doch die strengste Nachforschung hatte Charny nicht außerhalb des Palastes ertappen können, angenommen in Angelegenheiten seines Dienstes, und es war völlig erwiesen, in den Augen der Königin, wie in den Augen der anderen Bewohner des Palastes, daß seit seiner Rückkehr nach Paris und seinem Eintritt ins Schloß Charny kaum sein Zimmer verlassen hatte.
Es war andererseits auch erwiesen, daß seit ihrem Abgange aus dem Schlosse Andrée nicht wieder darin erschienen.
Hatten sich Andrée und Charny gesehen, so war es nur eine Stunde, an dem Tage, wo der Graf die Sendung nach Turin ausgeschlagen.
Allerdings hatte während dieser ganzen Periode Charny eben so wenig die Königin zu sehen gesucht; aber würde nicht, statt in dieser Fernhaltung ein Zeichen von Gleichgültigkeit zu erkennen, ein hellsehender Blick darin im Gegentheil einen Beweis von Liebe finden?
Hatte sich nicht Charny, verletzt durch den ungerechten Verdacht der Königin, nicht aus einem Uebermaß von Kälte, sondern aus einem Uebermaß von Liebe beiseit halten können?
Denn die Königin gab selbst zu, daß sie ungerecht und hart gegen Charny gewesen; ungerecht, daß sie ihm zum Vorwurf gemacht, er sei während jener erschrecklichen Nacht vom 5. auf den 6. October beim König geblieben, statt bei ihr zu bleiben, und er habe zwischen zwei Blicken für sie einen für Andrere gehabt; hart, daß sie nicht mit einem zärtlicheren Herzen den tiefen Schmerz getheilt, den Charny beim Anblick seines todten Bruders empfunden.
Es ist übrigens bei jeder tiefen und ächten Liebe so; gegenwärtig, erscheint das Wesen, das der Gegenstand derselben ist, in den Augen von dem Theile, welcher glaubt, er habe sich zu beklagen, mit allen Rauhheiten der Gegenwart. In dieser kurzen Distanz erscheinen alle Vorwürfe, die man ihm machen zu dürfen glaubt, begründet; Mängel des Charakters, Bizarrerien des Geistes, Vergessungen des Herzens, Alles erscheint wie durch ein Vergrößerungsglas; man begreift nicht, warum man so lange diese Liebesdefectuositäten nicht gesehen und sie so lange ertragen hat. Doch der Gegenstand dieser unheilvollen Erforschung entfernt sich freiwillig oder mit Gewalt; kaum ist er entfernt, so verschwinden diese Rauhheiten, welche von nahe verwundeten wie Dorne; die zu harten Umrisse verwischen sich; der zu strenge Realismus fällt unter dem poetischen Hauche der Entfernung und im liebkosenden Blicke der Erinnerung; Man richtet nicht mehr, man vergleicht, man kommt aus sich selbst zurück mit einer Strenge nach Maaßgabe der Nachsicht, die man für den Andern fühlt, von dem man anerkennt, man habe ihn schlecht geschätzt, und das Resultat von dieser ganzen Arbeit des Herzens ist, daß nach einer Abwesenheit von acht bis zehn Tagen die abwesende Person uns theurer und nothwendiger scheint, als je.
Wohl verstanden, wir setzen voraus, daß keine andere Liebe diese Abwesenheit benutzt, um im Herzen den Platz der ersten einzunehmen.
Dies war also die Gesinnung der-Königin in Beziehung auf Charny, als die Thüre sich öffnete und der Graf, der, wie wir gesehen, aus dem Cabinet des Königs kam, in der tadellosen Haltung eines Officiers im Dienste eintrat.
In seiner, immer so tief ehrfurchtsvollen, Haltung lag aber zugleich etwas so Eisiges, was die magnetischen Ausflüsse zurückzustoßen schien, welche bereit waren, aus dem Herzen der Königin hervorzustürzen, um im Herzen von Charny alle die süßen, zärtlichen oder schmerzlichen Erinnerungen aufzusuchen, die sich darin seit vier Jahren aufgehäuft, nach Maaßgabe, wie die abwechselnd langsame oder rasche Zeit aus der Gegenwart die Vergangenheit und aus der Zukunft die Gegenwart gemacht hatte.
Charny verbeugte sich und blieb beinahe auf der Schwelle.
Die Königin schaute umher, als wollte sie sich fragen, welche Ursache den jungen Mann am andern Ende des Gemaches zurückhalte, und als sie sich versichert hatte, der Wille von Charny sei die einzige Ursache seiner Entfernung, sagte sie:
»Treten Sie näher, Herr von Charny, wir sind allein.«
Charny näherte sich. Dann sprach er mit einer sanften, aber zugleich so festen Stimme, daß man unmöglich die geringste Bewegung darin erkennen konnte:
»Hier bin ich zu den Befehlen Eurer Majestät, Madame.«
»Graf,« versetzte die Königin mit ihrem liebevollsten Tone, »haben Sie nicht gehört, daß ich Ihnen sagte, wir seien allein?«
»Doch, Madame,« erwiederte Charny; »aber ich sehe nicht ein, in welcher Hinsicht diese Einsamkeit