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falsche Seite gewählt hat. Wünscht sonst noch irgendjemand zu sterben?“

      Doch sie knieten nieder. Ulren schenkte ihnen keine weitere Beachtung. Er ging zu der großen Tür mit Doppelflügeln, die den Haupteingang zum Versammlungsraum markierte. Es gab weitere Eingänge, einen für jeden der Steine. Sie sollten ihre Eigenständigkeit symbolisieren. Letztlich konnten sie sich so im Notfall schnell aus dem Staub machen.

      Doch er ging nicht davon aus, dass sie gleich davonlaufen würden. Nicht, wenn er es richtig anstellte. Ulren gab seinen Leuten ein Zeichen, sich zurückzuhalten und abzuwarten. Hierfür gab es andere Wege und Mittel. Das war etwas, das Irrien als Barbar aus dem Staub nie verstanden hatte. Das war auch der einzige Vorzug, den der Zweite Stein gegenüber dem Ersten besaß und er wollte ihn so gut wie möglich nutzen.

      Er streckte seine Hand aus, und einer seiner Diener reichte ihm sein dunkles Amtsgewand. Ulren schlang es um sich ohne die Kapuze überzustreifen und ging auf die Türen zu. Das blutbefleckte Schwert hielt er noch immer in der Hand. Es würde besser sein, klarzumachen, worum es hier ging.

      Er trat an eines der hohen Fenster und blickte über die Stadt. Der Staub erschwerte ihm die Sicht, doch er konnte sich ausmalen, was dort unten vor sich ging. Krieger zögen durch die Straßen und verfolgten jene, die Irrien zurückgelassen hatte. Kundschafter würden ihnen folgen, um die Neuigkeiten zu verkünden. Ganoven würden anfangen den Händlern zu erzählen, wem sie jetzt ihre Steuern schuldeten. Die Stadt unter dem Staub veränderte sich, und Ulren hatte dafür gesorgt, dass sie sich so veränderte, wie er es wollte.

      Dennoch war er vorsichtig. Er war schon einmal bereit gewesen, den Sitz des Ersten Steins zu übernehmen. Er hatte die stärksten Söldner auf seiner Seite gehabt, hatte sich Zugang zu einer Unmenge an Geheimnachrichten verschafft, nur um einem Anfänger den Thron zu überlassen.

      Wer war damals der Erste Stein gewesen? Maxim? Thessa? Er konnte sich kaum erinnern, so oft hatten sich die Herrschaftsverhältnisse in den letzten Jahren verändert. Wichtig war nur, dass Irrien sich dazwischengedrängt hatte und ihm das genommen hatte, was ihm gehört hätte. Ulren war am Leben geblieben, weil er es hingenommen hatte. Jetzt hatte der Erste Stein es zu weit getrieben und es war Zeit, etwas zu unternehmen.

      Er betrat den Raum, in dem die fünf Steine ihre Entscheidungen fällten. Die anderen waren bereits eingetroffen, so wie er es gehofft hatte. Kas strich sich besorgt seinen spitzen Bart. Vexa war in einen Bericht vertieft. Borion war draufgängerisch genug, um zu riechen, dass etwas in der Luft lag.

      „Was ist los?“ fragte er.

      Ulren verschwendete keine Zeit mit Nettigkeiten. „Ich habe beschlossen, Irrien herauszufordern.“

      Er beobachtete die Reaktionen der anderen. Kas strich weiter über seinen Bart. Vexa hob eine Augenbraue. Borion zeigte die stärkste Reaktion, das hatte Ulren auch erwartet. Wie oft hatte Irrien ihn vor anderen Herausforderern gewarnt? Wie oft hatte er ihm geholfen, seine Spielschulden zu begleichen?

      „Irrien ist nicht hier und kann nicht herausgefordert werden“, bemerkte Borion.

      Als hätte es eine ähnliche Situation nicht schon einmal gegeben. Glaubte er, dass Ulren nicht jede Neubesetzung des Rates in seiner Zeit als einer der Steine bemerkt hatte?

      „Das sollte es vereinfachen, nicht wahr?“ sagte Ulren. Er ging auf Irriens Stuhl zu.

      Zu seiner Überraschung stellte sich Borion ihm in den Weg und zog ein schlankes Schwert.

      „Und du glaubst, dass du dich jetzt einfach selbst zum Ersten Stein machst?“ fragte er. „Ein alter Mann, der seine Position schon so lange besetzt, dass sich niemand mehr an seine Ernennung erinnern kann? Einer, der die Position des Zweiten Steins nur deshalb behält, weil Irrien Störungen vermeiden will?“

      Ulren bewegte sich zu einer freien Stell im Raum, legte seine formale Robe ab und legte sie sich über der Arm.

      „Glaubst du, dass ich deshalb daran festhalte?“ sagte er. „Willst du mich wirklich herausfordern, Junge?“

      „Ich habe es jahrelang gewollt, aber Irrien hat es mir immer und immer wieder verwehrt“, sagte Borion. Er hob seine Klinge und brachte sich für ein Duell in Stellung. Ulren musste grinsen.

      „Das ist deine letzte Chance, am Leben zu bleiben“, sagte Ulren, obwohl sich Borion diese Chance bereits in jenem Moment verspielt hatte, als er seine Klinge gegen ihn gehoben hatte. „Wie du sehen kannst, besitzen Kas und Vexa genug Verstand, um mich nicht herauszufordern. Leg deine Waffe nieder und setz dich hin. Auch du wirst einen Rang hinzugewinnen.“

      „Warum sollte ich mich damit begnügen, wenn ich einen alten Mann töten und mich selbst an die Spitze setzen kann?“ konterte Borion.

      Er sprang nach vorne, und Ulren musste zugeben, dass der Junge schnell war. Ulren war in seiner Jugend sicherlich genauso schnell gewesen, aber das war nun schon lange her. Er hatte jedoch in den vielen Jahren Kampffähigkeiten erlernt, sodass er nicht unbedingt schnell sein musste, solange er die Distanz richtig einzuschätzen wusste. Er schleuderte sein zusammengelegtes Gewand herum, um damit Borions Schwert zu fassen zu bekommen.

      „Ist das alles, was du zu bieten hast, alter Mann?“ fragte der fünfte Stein. „Irgendwelche Kniffe?“

      Ulren lachte und noch während er das tat, griff er an. Borion war schnell genug, um zurückzuspringen, trotzdem streifte Ulrens Klinge seine Brust.

      „Du solltest diese Kniffe nicht unterschätzen, Junge“, sagte Ulren. „Einem Mann ist jedes Mittel recht, um am Leben zu bleiben.“

      Er trat zurück und wartete ab.

      Borion stürmte auf ihn zu. Natürlich tat er das. Die Jungen reagierten und wurden zum Sklaven ihren Emotionen. Sie versäumten es, nachzudenken. Oder ausreichend nachzudenken. Borion versuchte es mit einigen hinterhältigen Tricks und Täuschungsmanövern, die Ulren alle bereits hunderte Male zuvor gesehen hatte. Darin lag die Gefahr, wenn man jung war: man glaubte, auf Ideen gekommen zu sein, die schon vor dir viele Männer das Leben gekostet hatten.

      Ulren trat zur Seite und warf sein Gewand über den jungen Mann als dieser mit seinem angriffslustigen Schwert an ihm vorbeistürmte. Borion kam unter dem Stoff ins Straucheln und versuchte, sich davon zu befreien. In diesem Moment schlug Ulren zu. Er trat nahe an Borion heran und griff dessen Arm, sodass dieser sein Schwert nicht länger zum Einsatz bringen konnte. Dann begann er, auf ihn einzustechen.

      Er ging systematisch und konsequent vor mit all der Geduld die er sich in den Jahren als Krieger zugelegt hatte. Ulren konnte sehen, wie Blutflecken sich auf dem Umhang abzuzeichnen begannen, je mehr der Stoff sich um Borion schlang. Doch er hielt nicht inne, bis der andere Mann zu Boden ging. Er hatte Männer gesehen, die auch nach den schlimmsten Verletzungen wieder aufgestanden waren. Das würde er nicht riskieren.

      Er stand schwer atmend da. Es war schwer genug gewesen, all die Stufen hinaufzusteigen. Seine Lungen schienen unter der Anstrengung, diesen Mann zu töten, zu platzen, doch Ulren würde sich keine Blöße geben. Er ging hinüber zu Irriens Stuhl und positionierte sich zunächst dahinter.

      „Hat sonst noch irgendjemand Einwände vorzubringen?“ fragte er Kas und Vexa.

      „Nur was die Unordnung anbelangt“, sagte Kas. „Aber dafür gibt es Sklaven, wie ich annehme.“

      „Gegrüßt sei der Erste Stein“, sagte Vexa ohne besondere Begeisterung.

      Es war ein Moment des Triumphes. Es war ein Moment, auf den Ulren viele Jahre hingearbeitet hatte. Jetzt, da er gekommen war, fühlte es sich seltsam an, sich auf das Granit des Stuhls des Ersten Steins niederzulassen.

      „Ich habe mir bereits Irriens Belange zu eigen gemacht“, sagte Ulren. Er deutete mit einer Hand in Borions Richtung. „Bedient euch an denen des Jungen, wenn ihr wollt.“

      Das würden sie. Ulren hatte keinerlei Zweifel, dass sie das würden. Schließlich ging es in dieser Stadt um nichts anderes.

      „Und

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