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aufgeregt als nervös. Sie dachte bei sich, dass sich so ein Universitätsabgänger fühlen musste, der nach einer zeitweiligen Abwesenheit wieder seinen Campus aufsuchte. Das ganze letzte Jahr über hatte sie das FBI furchtbar vermisst und freute sich auf ihre alte Umgebung – selbst wenn der Grund dafür war, abgemahnt zu werden.

      Sie lenkte sich mit einem Podcast über Kinofilme, den ihre Tochter ihr empfohlen hatte, ab. Schon nach fünf Minuten hörte sie dem Moderator nicht mehr zu und dachte stattdessen über die letzten Jahre nach. Sie war im Allgemeinen kein sentimentaler Mensch, aber aus irgendeinem Grund, der ihr selbst nicht ganz klar war, wurde sie beim Fahren wehmütig und fing an nachzudenken.

      Anstatt dem Podcast zuzuhören, dachte sie an ihre Tochter – ihre schwangere Tochter, die in ungefähr fünf Wochen ihr Kind bekommen würde. Es wurde ein Mädchen und sollte Michelle heißen. Der Vater des Kindes war ein guter Mann, war aber in Kates Augen nie gut genug für Melissa Wise gewesen. Melissa, die von Kate seit ihrem Kindesalter Lissa genannt wurde, wohnte in Chesterfield, das technisch zu Richmond gehörte, von den Einwohnern aber als eigenständig betrachtet wurde. Obwohl sie es Melissa nie erzählt hatte, war dies der Grund, warum Kate wieder nach Richmond gezogen war. Nicht nur wegen ihrer Verbindung zur Stadt auf Grund ihrer Collegejahre, sondern weil dies der Ort war, an dem ihre Familie lebte – und wo ihre Enkel aufwachsen würden.

      Eine Enkelin, dachte Kate oft. Wie ist Melissa so schnell groß geworden? Himmel, wie bin ich selbst so schnell alt geworden?

      Und wenn sie an Melissa und die noch ungeborene Michelle dachte, wanderten ihre Gedanken unweigerlich zu ihrem verstorbenen Ehemann. Vor sechs Jahren war er ermordet worden, durch einem Schuss in den Hinterkopf, als er abends den Hund ausführte. Sein Handy und sein Portemonnaie waren verschwunden, und keine zwei Stunden, nachdem er mit dem Hund das Haus verlassen hatte, wurde sie gerufen, um den Leichnam zu identifizieren.

      Ihre Wunden waren noch frisch, aber meistens gelang es ihr, diese zu verbergen. Sie war acht Monate vor dem offiziellen Zeitpunkt in Ruhestand gegangen. Denn es war ihr unmöglich gewesen, sich voll und ganz ihrer Arbeit zu widmen, nachdem sie die Asche ihres Mannes auf einem alten Baseballfeld nahe seines Heimatorts Falls Church verstreut hatte.

      Vielleicht war sie deshalb das ganze letzte Jahr so down gewesen. Sie hatte Monate, bevor sie hätte gehen müssen, das Handtuch geworfen. Was hätte in diesen Monaten alles passieren können? Was hätte sie mit ihrer Karriere vielleicht noch anfangen können?

      Sie hatte sich immer darüber Gedanken gemacht, ohne aber irgendetwas zu bereuen. Michael verdiente zumindest einige Monate ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit. Natürlich hätte er sehr viel mehr als das verdient, aber sie war sicher, dass er niemals gewollt hätte, dass sie seinetwegen ihre Arbeit noch mehr vernachlässigte. Trauerarbeit in ihrem Fall bedeutete, so lange wie möglich nach seinem Tod beim FBI zu bleiben.

      Als sie sich Washington DC näherte, war sie erleichtert festzustellen, dass sie nicht das Gefühl hatte, Michael zu betrügen. Sie persönlich glaubte daran, dass der Tod nicht das Ende bedeutete. Zwar wusste sie nicht, ob es einen Himmel gab oder Wiedergeburt möglich war, aber eigentlich musste sie dies auch nicht wissen. Was sie allerdings wusste, war, dass Michael glücklich gewesen wäre, sie wieder nach DC fahren zu sehen – und sei es, um abgemahnt zu werden.

      Wenn überhaupt, lachte er sich wahrscheinlich gerade tot über sie.

      Bei diesem Gedanken musste Kate lächeln. Sie schaltete den Podcast ab und konzentrierte sich auf die Straße, auf ihre eigenen Gedanken, und wie das Leben immer wieder zynisch erschien.

      ***

      Sie wurde nicht von Emotionen übermannt, als sie durch die Eingangstür in das große Foyer des FBI Hauptquartiers trat. Wenn überhaupt, so war sie sich schmerzlich bewusst, dass sie nicht mehr hierher gehörte – wie eine Frau, die ihre alte High School besuchte und feststellte, dass die Flure sie eher traurig anstatt sentimental stimmten.

      Das Gefühl der Vertrautheit half allerdings. Obwohl sie sich fehl am Platze fühlte, hatte sie auch das Gefühl, nicht allzu lange weg gewesen zu sein. Sie durchquerte die Lobby, trug sich am Empfang ein und ging dann zu den Aufzügen, ganz so, als sei sie erst letzte Woche hier gewesen. Selbst der enge Aufzug hatte etwas Tröstliches, als sie damit zum Büro des Assistant Director Duran hinauf fuhr.

      Als sie aus dem Aufzug und in das Vorzimmer von Duran trat, sah sie die gleiche Sekretärin hinter dem gleichen Schreibtisch wie noch vor einem Jahr. Sie hatten sich nie wirklich beim Vornamen genannt, aber trotzdem kam die Frau hinter ihrem Schreibtisch hervor und umarmte sie herzlich.

      „Kate! Es ist so schön, Sie zu sehen!“

      Gott sei Dank fiel ihr im letzten Augenblick der Vorname der Sekretärin ein. „Ich freue mich auch, Dana“, sagte Kate.

      „Ich habe bezweifelt, dass der Ruhestand etwas für Sie ist“, witzelte Dana.

      „Ja, es ist schon ein bisschen wie ein langes Nickerchen.“

      „Gehen Sie ruhig hinein“, sagte Dana. „Er erwartet Sie schon.“

      Als sie an die geschlossene Bürotür klopfte und von der anderen Seite die leicht barsche Stimme vernahm, fühlte sie sich wie zuhause angekommen.

      „Es ist offen“, vernahm sie die Stimme des Assistant Director Duran.

      Kate öffnete und trat ein. Sie hatte sich auf dieses Meeting vorbereitet und sich gestählt. Was sie allerdings nicht erwartet hatte war ihr früherer Partner, Logan Nash, der sie sofort anlächelte und sich von einem der Stühle vor Durans Schreibtisch erhob.

      Beinahe verlegen schaute Duran kurz zur Seite, um den beiden einen privaten Moment für ihr Wiedertreffen zu erlauben. Kate und Logan Nash nahmen sich freundschaftlich in die Arme. Für die letzten acht Jahre ihrer Karriere hatten die beiden zusammen gearbeitet. Er war zehn Jahre jünger als sie und zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens gerade dabei gewesen, sich selbst eine ansehnliche Karriere aufzubauen.

      „Schön, dich zu sehen, Kate“, flüsterte er ihr ins Ohr, als sie sich umarmten.

      „Dich auch“, antwortete sie. Ihr ging das Herz auf und egal, wie sehr sie sich dagegen gesträubt hatte, diesen Teil ihres Lebens hatte sie das ganze letzte Jahr wahnsinnig vermisst.

      Als sie sich aus der Umarmung lösten, nahmen sie beide vor Durans Schreibtisch Platz. Während ihrer Zeit als Partner hatten sie zahllose Male genau hier gesessen. Aber niemals, um sich eine Abmahnung abzuholen.

      Vince Duran atmete schwer ein und seufzte dann laut. Noch konnte Kate nicht abschätzen, wie sauer er war.

      „Also, lasst uns nicht um den heißen Brei herum reden“, fing Duran an. „Kate, wir alle wissen, weshalb Sie hier sind. Ich habe Chief Budd versichert, diese Angelegenheit effektiv zu handhaben. Er war damit zufrieden und ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Geschichte, dass Sie einen Verdächtigen von seiner Veranda befördert haben, unter den Teppich gekehrt wird. Was ich allerdings wissen möchte, ist, wie Sie überhaupt dazu gekommen sind, sich auf der Veranda dieses armen Mannes zu befinden.“

      Ihr wurde in diesem Augenblick klar, dass das schlimme Gespräch, das sie erwartet hatte, ausbleiben würde. Duran war ein Monster von Mann, locker 150 Kilogramm schwer, hauptsächlich bestehend aus Muskeln. In seinen Zwanzigern war er in Afghanistan gewesen, und obwohl sie nicht über alle Details Bescheid wusste hinsichtlich dessen, was genau er dort getan hatte, waren saftige Gerüchte darüber im Umlauf. Er hatte krasse Dinge gesehen und getan und manchmal spiegelte sich dies in den Falten seines Gesichts wieder. Aber heute schien er guter Laune zu sein. Vielleicht deshalb, weil er nicht mehr mit ihr als ihr Vorgesetzter sprach. Es war fast, als ob sie sich mit einem alten Freund unterhielt.

      Das machte es einfach für sie, ihm von dem Mord an Julie Hicks, der Tochter ihrer guten Freundin Deb Meade, zu berichten. Sie begann mit ihrem Besuch im Hause der Meades, schilderte dann die Szene auf Neilbolts Veranda und erklärte, dass sie sich zur Wehr gesetzt hatte, wobei sie allerdings einräumte, dass sie vielleicht ein wenig zu weit gegangen war.

      Hin und wieder hörte sie

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