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in dieser Sache, ueber die sich fast ebensoviel dafuer als darwider sagen laesst, die nicht entschieden ist und nicht entschieden werden kann, hat die gegenwaertig herrschende Art zu denken den Gruenden darwider das Uebergewicht gegeben; einige wenige haben diese Art zu denken, und viele wollen sie zu haben scheinen; diese machen das Geschrei und geben den Ton; der groesste Haufe schweigt und verhaelt sich gleichgueltig und denkt bald so, bald anders, hoert beim hellen Tage mit Vergnuegen ueber die Gespenster spotten und bei dunkler Nacht mit Grausen davon erzaehlen.

      Aber in diesem Verstande keine Gespenster glauben, kann und darf den dramatischen Dichter im geringsten nicht abhalten, Gebrauch davon zu machen. Der Same, sie zu glauben, liegt in uns allen, und in denen am haeufigsten, fuer die er vornehmlich dichtet. Es koemmt nur auf seine Kunst an, diesen Samen zum Keimen zu bringen; nur auf gewisse Handgriffe, den Gruenden fuer ihre Wirklichkeit in der Geschwindigkeit den Schwung zu geben. Hat er diese in seiner Gewalt, so moegen wir in gemeinem Leben glauben, was wir wollen; im Theater muessen wir glauben, was Er will.

      So ein Dichter ist Shakespeare, und Shakespeare fast einzig und allein. Vor seinem Gespenste im "Hamlet" richten sich die Haare zu Berge, sie moegen ein glaeubiges oder unglaeubiges Gehirn bedecken. Der Herr von Voltaire tat gar nicht wohl, sich auf dieses Gespenst zu berufen; es macht ihn und seinen Geist des Ninus—laecherlich.

      Shakespeares Gespenst koemmt wirklich aus jener Welt; so duenkt uns. Denn es koemmt zu der feierlichen Stunde, in der schaudernden Stille der Nacht, in der vollen Begleitung aller der duestern, geheimnisvollen Nebenbegriffe, wenn und mit welchen wir, von der Amme an, Gespenster zu erwarten und zu denken gewohnt sind. Aber Voltairens Geist ist auch nicht einmal zum Popanze gut, Kinder damit zu erschrecken; es ist der blosse verkleidete Komoediant, der nichts hat, nichts sagt, nichts tut, was es wahrscheinlich machen koennte, er waere das, wofuer er sich ausgibt; alle Umstaende vielmehr, unter welchen er erscheinet, stoeren den Betrug und verraten das Geschoepf eines kalten Dichters, der uns gern taeuschen und schrecken moechte, ohne dass er weiss, wie er es anfangen soll. Man ueberlege auch nur dieses einzige: am hellen Tage, mitten in der Versammlung der Staende des Reichs, von einem Donnerschlage angekuendiget, tritt das Voltairische Gespenst aus seiner Gruft hervor. Wo hat Voltaire jemals gehoert, dass Gespenster so dreist sind? Welche alte Frau haette ihm nicht sagen koennen, dass die Gespenster das Sonnenlicht scheuen und grosse Gesellschaften gar nicht gern besuchten? Doch Voltaire wusste zuverlaessig das auch; aber er war zu furchtsam, zu ekel, diese gemeinen Umstaende zu nutzen; er wollte uns einen Geist zeigen, aber es sollte ein Geist von einer edlern Art sein; und durch diese edlere Art verdarb er alles. Das Gespenst, das sich Dinge herausnimmt, die wider alles Herkommen, wider alle gute Sitten unter den Gespenstern sind, duenket mich kein rechtes Gespenst zu sein; und alles, was die Illusion hier nicht befoerdert, stoeret die Illusion.

      Wenn Voltaire einiges Augenmerk auf die Pantomime genommen haette, so wuerde er auch von einer andern Seite die Unschicklichkeit empfunden haben, ein Gespenst vor den Augen einer grossen Menge erscheinen zu lassen. Alle muessen auf einmal, bei Erblickung desselben, Furcht und Entsetzen aeussern; alle muessen es auf verschiedene Art aeussern, wenn der Anblick nicht die frostige Symmetrie eines Balletts haben soll. Nun richte man einmal eine Herde dumme Statisten dazu ab; und wenn man sie auf das gluecklichste abgerichtet hat, so bedenke man, wie sehr dieser vielfache Ausdruck des naemlichen Affekts die Aufmerksamkeit teilen, und von den Hauptpersonen abziehen muss. Wenn diese den rechten Eindruck auf uns machen sollen, so muessen wir sie nicht allein sehen koennen, sondern es ist auch gut, wenn wir sonst nichts sehen, als sie. Beim Shakespeare ist es der einzige Hamlet, mit dem sich das Gespenst einlaesst; in der Szene, wo die Mutter dabei ist, wird es von der Mutter weder gesehen noch gehoert. Alle unsere Beobachtung geht also auf ihn, und je mehr Merkmale eines von Schauder und Schrecken zerruetteten Gemuets wir an ihm entdecken, desto bereitwilliger sind wir, die Erscheinung, welche diese Zerruettung in ihm verursacht, fuer eben das zu halten, wofuer er sie haelt. Das Gespenst wirket auf uns, mehr durch ihn, als durch sich selbst. Der Eindruck, den es auf ihn macht, gehet in uns ueber, und die Wirkung ist zu augenscheinlich und zu stark, als dass wir an der ausserordentlichen Ursache zweifeln sollten. Wie wenig hat Voltaire auch diesen Kunstgriff verstanden! Es erschrecken ueber seinen Geist viele; aber nicht viel. Semiramis ruft einmal: "Himmel! ich sterbe!" und die andern machen nicht mehr Umstaende mit ihm, als man ohngefaehr mit einem weit entfernt geglaubten Freunde machen wuerde, der auf einmal ins Zimmer tritt.

      Zwoelftes Stueck Den 9. Junius 1767

      Ich bemerke noch einen Unterschied, der sich zwischen den Gespenstern des englischen und franzoesischen Dichters findet. Voltaires Gespenst ist nichts als eine poetische Maschine, die nur des Knotens wegen da ist; es interessiert uns fuer sich selbst nicht im geringsten. Shakespeares Gespenst hingegen ist eine wirklich handelnde Person, an dessen Schicksale wir Anteil nehmen; es erweckt Schauder, aber auch Mitleid.

      Dieser Unterschied entsprang, ohne Zweifel, aus der verschiedenen Denkungsart beider Dichter von den Gespenstern ueberhaupt. Voltaire betrachtet die Erscheinung eines Verstorbenen als ein Wunder; Shakespeare als eine ganz natuerliche Begebenheit. Wer von beiden philosophischer denkt, duerfte keine Frage sein; aber Shakespeare dachte poetischer. Der Geist des Ninus kam bei Voltairen als ein Wesen, das noch jenseit dem Grabe angenehmer und unangenehmer Empfindungen faehig ist, mit welchem wir also Mitleiden haben koennen, in keine Betrachtung. Er wollte bloss damit lehren, dass die hoechste Macht, um verborgene Verbrechen ans Licht zu bringen und zu bestrafen, auch wohl eine Ausnahme von ihren ewigen Gesetzen mache.

      Ich will nicht sagen, dass es ein Fehler ist, wenn der dramatische Dichter seine Fabel so einrichtet, dass sie zur Erlaeuterung oder Bestaetigung irgendeiner grossen moralischen Wahrheit dienen kann. Aber ich darf sagen, dass diese Einrichtung der Fabel nichts weniger als notwendig ist; dass sehr lehrreiche vollkommene Stuecke geben kann, die auf keine solche einzelne Maxime abzwecken; dass man unrecht tut, den letzten Sittenspruch, den man zum Schlusse verschiedener Trauerspiele der Alten findet, so anzusehen, als ob das Ganze bloss um seinetwillen da waere.

      Wenn daher die "Semiramis" des Herrn von Voltaire weiter kein Verdienst haette, als dieses, worauf er sich so viel zugute tut, dass man naemlich daraus die hoechste Gerechtigkeit verehren lerne, die, ausserordentliche Lastertaten zu strafen, ausserordentliche Wege waehle: so wuerde "Semiramis" in meinen Augen nur ein sehr mittelmaessiges Stueck sein. Besonders da diese Moral selbst nicht eben die erbaulichste ist. Denn es ist ohnstreitig dem weisesten Wesen weit anstaendiger, wenn es dieser ausserordentlichen Wege nicht bedarf und wir uns die Bestrafung des Guten und Boesen in die ordentliche Kette der Dinge von ihr mit eingeflochten denken.

      Doch ich will mich bei dem Stuecke nicht laenger verweilen, um noch ein Wort von der Art zu sagen, wie es hier aufgefuehret worden. Man hat alle Ursache, damit zufrieden zu sein. Die Buehne ist geraeumlich genug, die Menge von Personen ohne Verwirrung zu fassen, die der Dichter in verschiedenen Szenen auftreten laesst. Die Verzierungen sind neu, von dem besten Geschmacke, und sammeln den so oft abwechselnden Ort so gut als moeglich in einen.

      Den siebenten Abend (donnerstags, den 30. April) ward "Der verheiratete Philosoph", vom Destouches, gespielet.

      Dieses Lustspiel kam im Jahr 1727 zuerst auf die franzoesische Buehne und fand so allgemeinen Beifall, dass es in Jahr und Tag sechsunddreissigmal aufgefuehret ward. Die deutsche Uebersetzung ist nicht die prosaische aus den zu Berlin uebersetzten saemtlichen Werken des Destouches; sondern eine in Versen, an der mehrere Haende geflickt und gebessert haben. Sie hat wirklich viel glueckliche Verse, aber auch viel harte und unnatuerliche Stellen. Es ist unbeschreiblich, wie schwer dergleichen Stellen dem Schauspieler das Agieren machen; und doch werden wenig franzoesische Stuecke sein, die auf irgendeinem deutschen Theater jemals besser ausgefallen waeren, als dieses auf unserm. Die Rollen sind alle auf das schicklichste besetzt, und besonders spielet Madame Loewen die launigte Celiante als eine Meisterin, und Herr Ackermann den Geront unverbesserlich. Ich kann es ueberhoben sein, von dem Stuecke selbst zu reden. Es ist zu bekannt und gehoert unstreitig unter die Meisterstuecke der franzoesischen Buehne, die man auch unter uns immer mit Vergnuegen sehen wird.

      Das Stueck des achten Abends (freitags, den 1. Mai) war "Das Kaffeehaus, oder Die Schottlaenderin" des Hrn. von Voltaire.

      Es liesse sich eine lange Geschichte von diesem Lustspiele machen. Sein Verfasser schickte es als eine Uebersetzung aus dem Englischen des Hume, nicht des Geschichtschreibers und Philosophen, sondern eines andern dieses Namens,

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