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einen Stuhl neben das Sofa. Er holte einen Bademantel und hängte ihn über den Stuhl.

      «So», sagte er, «das kann ich Ihnen geben. Wenn Sie wollen, können Sie auch einen Pyjama haben. Ich werde mich nun nicht mehr um Sie kümmern. Sie können das Badezimmer jetzt haben. Ich habe hier noch zu tun.»

      Die Frau schüttelte den Kopf. Ravic legte das Kissen in die Ecke des Sofas. «Das ist für den Kopf. Der Stuhl hier, damit Sie nicht fallen, wenn Sie schlafen.»

      Er schob ihn gegen das Sofa. Er half ihr naβe Schuhe auszuziehen und zog ihr wollene Strümpfe über.

      «Danke», sagte die Frau.

      «Danke.»

      Ravic ging ins Badezimmer.Er betrachtete sich im Spiegel. Prüfende Augen, ein schmales Gesicht, todmüde. Das Telefon klingelte. «Verdammt!» Er hatte eine Sekunde alles vergessen gehabt.

      «Ich komme», rief er. Er hob den Hörer ab. «Was? Ja. Gut … ja … natürlich, ja … es wird gehen … ja. Wo? Gut, ich komme sofort. Heißen Kaff ee, starken Kaff ee … ja …»

      Er legte den Hörer zurück und blieb ein paar Sekunden nachdenklich auf demSofa sitzen. «Ich muß fort», sagte er dann. «Eilig.

      «Sie können hierbleiben. Schlafen Sie. Ich muß weg für ein, zwei Stunden; ich weiß nicht, wie lange. Bleiben Sie nur hier. Die Frau würde nicht stehlen. Sie war nicht der Typ. Es war auch nicht viel da zu stehlen.

      Er war schon an der Tür, als die Frau fragte: «Kann ich mitgehen?»

      «Nein, unmöglich. Bleiben Sie hier. Nehmen Sie, was Sie noch brauchen. Das Bett auch, wenn Sie wollen. Kognak steht drüben. Schlafen Sie …»

      Er wandte sich um.

      «Lassen Sie das Licht brennen», sagte die Frau plötzlich und schnell.

      «Angst?» fragte er.

      Sie nickte.

      «Ich wollte es sowieso nicht auslöschen. Lassen Sie es nur brennen. Ich kenne das. Habe auch mal solche Zeiten gehabt.»

      An der Ecke der Rue des Acacias kam ihm ein Taxi entgegen.

      «Fahren Sie vierzehn Rue Lauriston.»

      2

      Der kleine Operationsraum war taghell erleuchtet. Er sah aus wie eine hygienische Metzgerei. Eimer mit blutgetränkter Watte standen herum, Verbände und Tupfer lagen auf dem Fußboden. Veber saß im Vorraum an einem lackierten Stahltisch und machte Notizen; eine Schwester kochte die Instrumente aus. Nur der Körper auf dem Tisch lag ganz für sich selbst da – ihn ging das alles nichts mehr an.

      Ravic ließ die flüssige Seife über seine Hände rinnen und begann sich zu waschen. Er trocknete sich die Hände ab und zündete sich eine Zigarette an. Die Schwester öffnete ein Fenster. – «Bravo, Eugenie», lobte Veber. «Immer nach der Vorschrift.»

      «Ich habe Pflichten im Leben. Ich möchte nicht gern in die Luft fliegen.»

      «Das ist schön, Eugenie. Und beruhigend.»

      «Manche haben eben keine. Und wollen keine haben.»

      «Das geht auf Sie, Ravic!» Veber lachte. «Besser, wir verschwinden. Eugenie ist morgens sehr aggressiv. Hier ist sowieso nichts mehr zu tun.»

      Ravic sah sich um. Er sah die Schwester mit den Pflichten an. Sie war ein Mensch wie er, aber sie war ihm fremder als ein Baum. «Entschuldigen Sie», sagte er. «Sie haben recht.» Auf dem weißen Tisch lag das, was vor ein paar Stunden noch Leben gewesen war. Jetzt war es nur noch ein toter Körper – und der menschliche Automat, Schwester Eugenie genannt, der stolz darauf war, nie einen Fehler zu machen, deckte es zu.

      «Auf Wiedersehen, Eugenie», sagte Veber. «Schlafen Sie sich aus heute.»

      «Auf Wiedersehen, Doktor Veber. Danke, Herr Doktor.» «Auf Wiedersehen», sagte Ravic. – «Entschuldigen Sie mein Fluchen.»

      «Guten Morgen», erwiderte Eugenie.

      Es war grauer Morgen draußen. Die Müllabfuhrwagen fuhren durch die Straßen. Veber schlug seinen Kragen hoch. «Soll ich Sie mitnehmen, Ravic?»

      «Nein, danke. Ich will gehen.»

      «Bei dem Wetter? Ich kann Sie vorbeifahren.»

      Ravic schüttelte den Kopf. «Danke, Veber.»

      Veber sah ihn prüfend an. «Sonderbar, daß Sie sich immer noch aufregen, wenn Ihnen jemand unter dem Messer bleibt[1]. Sie arbeiten doch schon seit fünfzehn Jahren und kennen das.»

      «Ja, ich kenne das. Ich rege mich auch nicht auf.»

      Wie konnte man ihm etwas erklären und was war daran zu erklären? Ravic zündete sich eine neue Zigarette an. «Einundzwanzig Jahre war sie alt», sagte er.

      «Sie haben großartig gearbeitet. Ich könnte das nicht. Daß Sie nicht retten konnten, was ein Dilettant gemacht hat, das ist etwas, was Sie nichts angeht. Wo kämen wir hin, wenn wir anders dächten?»

      «Ja», sagte Ravic. «Wo kämen wir hin?»

      «Nach allem, was Sie mitgemacht haben, müßten Sie doch verdammt abgehärtet sein.»

      Ravic sah ihn mit einer Spur von Ironie an. «Abgehärtet ist man nie. Man kann sich nur an vieles gewöhnen.»

      «Das meine ich.»

      «Ja, und an manches nie.»

      Veber stieg in seinen Wagen. Er startete und beugte sich aus dem Fenster. «Soll ich Sie nicht doch rasch absetzen? Sie müssen sehr müde sein.»

      Wie ein Seehund, dachte Ravic abwesend. Er gleicht einem gesunden Seehund. Aber was soll das schon? Wozu fällt mir das ein? Wozu immer dieses Doppeldenken? «Ich bin nicht müde», sagte er. «Der Kaffee hat mich aufgeweckt. Schlafen Sie gut, Veber.»

      Veber lachte. Seine Zähne blitzten unter dem schwarzen Schnurrbart. «Ich gehe nicht mehr schlafen. Ich gehe in meinen Garten arbeiten. Tulpen und Narzissen setzen.»

      «Auf Wiedersehen, Veber», sagte er. «Ich rufe Sie abends noch an. Das Honorar wird niedrig sein, leider. Kaum nennenswert. Das Mädchen war arm und hatte anscheinend keine Verwandten. Wir werden das noch sehen.»

      Ravic machte eine abwehrende Bewegung. «Hundert Frank hat sie Eugenie übergeben. Scheint alles zu sein, was sie hatte. Das waren fünfundzwanzig für Sie.»

      Draußen hielt er ein Taxi an. «Fahren Sie zum ›Osiris‹.»

      Die «Osiris» war ein großes, bürgerliches Bordell mit einer riesigen Bar in ägyptischem Stil.

      «Wir schließen gerade», sagte der Portier. «Niemand mehr da.»

      «Niemand?»

      «Nur Madame Rolande. Die Damen sind alle fort.»

      «Gut.»

      Ravic steckte dem Portier ein Paket Zigaretten in die Brusttasche und ging durch die schmale Tür an der Garderobe vorbei in den großen Raum. Die Bar war leer, ein paar umgeworfene Stühle, Zigarettenreste auf dem Boden und der Geruch nach Tabak, süßem Parfüm und Haut.

      «Rolande», sagte Ravic.

      Sie stand vor einem Tisch, auf dem ein Haufen rosa Seidenwäsche lag. «Ravic», sagte sie ohne Erstaunen. «Spät. Was willst du – ein Mädchen oder etwas zu trinken? Oder beides?»

      «Wodka. Den Polnischen.»

      Rolande brachte die Flasche und ein Glas. «Schenk dir selbst ein. Ich muß noch die Wäsche sortieren und aufschreiben. Das Auto der Wäscherei kommt gleich. Wenn man nicht alles notiert, stiehlen die Chauffeure, verstehst du? Als Geschenke für ihre Mädchen.»

      Ravic nickte. «Laß die Musik spielen, Rolande. Laut.»

      «Gut.»

      Die Musik donnerte mit Pauken und Schlagzeug durch den hohen, leeren Raum wie ein Sturm.

      «Zu laut, Ravic?»

      «Nein.»

      Zu

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<p>1</p>

Unter dem Messer bleiben = sterben