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ganz?!

Moritz

      Vollständig!

Melchior

      Ich nämlich auch! – Dann werden keine Illustrationen nötig sein.

Moritz

      Während des Schützenfestes, in Leilichs anatomischem Museum! Wenn es aufgekommen wäre, hätte man mich aus der Schule gejagt. – Schön wie der lichte Tag, und – o so naturgetreu!

Melchior

      Ich war letzten Sommer mit Mama in Frankfurt – — Du willst schon gehen, Moritz?

Moritz

      Arbeiten machen. – Gute Nacht.

Melchior

      Auf Wiedersehen.

      Dritte Szene

      Thea, Wendla und Martha kommen Arm in Arm die Straße herauf

Martha

      Wie einem das Wasser ins Schuhwerk dringt!

Wendla

      Wie einem der Wind um die Wangen saust!

Thea

      Wie einem das Herz hämmert!

Wendla

      Geh′n wir zur Brücke hinaus! Ilse sagte der Fluß führe Sträucher und Bäume. Die Jungens haben ein Floß auf dem Wasser. Melchi Gabor soll gestern abend beinah ertrunken sein.

Thea

      O der kann schwimmen!

Martha

      Das will ich meinen, Kind!

Wendla

      Wenn er nicht hätte schwimmen können, wäre er wohl sicher ertrunken!

Thea

      Dein Zopf geht auf, Martha; dein Zopf geht auf!

Martha

      Puh – laß ihn aufgehn! Er ärgert mich so Tag und Nacht. Kurze Haare tragen wie du darf ich nicht, das Haar offen tragen wie Wendla darf ich nicht, Ponyhaare tragen darf ich nicht, und zu Hause muß ich mir gar die Frisur machen – alles der Tanten wegen!

Wendla

      Ich bringe morgen eine Schere mit in die Religionsstunde. Während du „Wohl dem, der nicht wandelt“ rezitierst, werd′ ich ihn abschneiden.

Martha

      Um Gotteswillen, Wendla! Papa schlägt mich krumm, und Mama sperrt mich drei Nächte ins Kohlenloch.

Wendla

      Womit schlägt er dich, Martha?

Martha

      Manchmal ist es mir, es müßte ihnen doch etwas abgehen, wenn sie keinen so schlechtgearteten Balg hätten wie ich.

Thea

      Aber Mädchen!

Martha

      Hast du dir nicht auch ein himmelblaues Band durch die Hemdpasse ziehen dürfen?

Thea

      Rosa Atlas! Mama behauptet, Rosa stehe mir bei meinen pechschwarzen Augen.

Martha

      Mir stand Blau reizend! – Mama riß mich am Zopf zum Bett heraus. So – fiel ich mit den Händen voraus auf die Diele. – Mama betet nämlich Abend für Abend mit uns....

Wendla

      Ich an deiner Stelle wäre ihnen längst in die Welt hinausgelaufen.

Martha

      … Da habe man′s, worauf ich ausgehe! – Da habe man′s ja! – Aber sie wolle schon sehen – o sie wolle noch sehen! – Meiner Mutter wenigstens solle ich einmal keine Vorwürfe machen können....

Thea

      Hu – Hu —

Martha

      Kannst du dir denken, Thea, was Mama damit meinte?

Thea

      Ich nicht. – Du, Wendla?

Wendla

      Ich hätte sie einfach gefragt.

Martha

      Ich lag auf der Erde und schrie und heulte. Da kommt Papa. Ritsch – das Hemd herunter. Ich zur Türe hinaus. Da habe man′s! Ich wolle nun wohl so auf die Straße hinunter....

Wendla

      Das ist doch gar nicht wahr, Martha.

Martha

      Ich fror. Ich schloß auf. Ich habe die ganze Nacht im Sack schlafen müssen.

Thea

      Ich könnte meiner Lebtag in keinem Sack schlafen!

Wendla

      Ich möchte ganz gern mal für dich in deinem Sack schlafen.

Martha

      Wenn man nur nicht geschlagen wird.

Thea

      Aber man erstickt doch darin!

Martha

      Der Kopf bleibt frei. Unter dem Kinn wird zugebunden.

Thea

      Und dann schlagen sie dich?

Martha

      Nein. Nur wenn etwas Besonderes vorliegt.

Wendla

      Womit schlägt man dich, Martha?

Martha

      Ach was – mit allerhand. – Hält es deine Mutter auch für unanständig, im Bett ein Stück Brot zu essen?

Wendla

      Nein, nein.

Martha

      Ich glaube immer, sie haben doch ihre Freude – wenn sie auch nichts davon sagen. – Wenn ich einmal Kinder habe, ich lasse sie aufwachsen wie das Unkraut in unserem Blumengarten. Um das kümmert sich niemand, und es steht so hoch, so dicht – während die Rosen in den Beeten an ihren Stöcken mit jedem Sommer kümmerlicher blühn.

Thea

      Wenn ich Kinder habe, kleid′ ich sie ganz in Rosa. Rosahüte, Rosakleidchen, Rosaschuhe. Nur die Strümpfe – die Strümpfe schwarz wie die Nacht! Wenn ich dann spazieren gehe, laß ich sie vor mir hermarschieren. – Und du, Wendla?

Wendla

      Wißt ihr denn, ob ihr welche bekommt?

Thea

      Warum sollten wir keine bekommen?

Martha

      Tante Euphemia hat allerdings auch keine.

Thea

      Gänschen! – weil sie nicht verheiratet ist.

Wendla

      Tante Bauer war dreimal verheiratet und hat nicht ein einziges.

Martha

      – Wenn du welche bekommst, Wendla, was möchtest du lieber, Knaben oder Mädchen?

Wendla

      Jungens! Jungens!

Thea

      Ich auch Jungens!

Martha

      Ich auch. Lieber zwanzig Jungens als drei Mädchen.

Thea

      Mädchen sind langweilig!

Martha

      Wenn ich nicht schon ein Mädchen geworden wäre, ich würde es heute gewiß nicht mehr.

Wendla

      Das ist, glaube ich, Geschmacksache, Martha! Ich freue mich jeden Tag, daß ich Mädchen bin. Glaub′ mir, ich wollte mit keinem Königssohn tauschen. – Darum möchte ich aber doch nur Buben!

Thea

      Das ist doch Unsinn, lauter Unsinn, Wendla!

Wendla

      Aber ich bitte dich, Kind, es muß doch tausendmal erhebender sein, von einem Manne geliebt zu werden, als von einem Mädchen!

Thea

      Du wirst doch nicht behaupten wollen, Forstreferendar Pfälle liebe Melitta mehr als sie ihn!

Wendla

      Das will ich wohl, Thea! – Pfälle ist stolz. Pfälle ist stolz darauf, daß er Forstreferendar ist – denn Pfälle hat nichts. – Melitta ist selig, weil sie zehntausendmal mehr bekommt, als sie ist.

Martha

      Bist du nicht stolz auf dich, Wendla?

Wendla

      Das wäre doch einfältig.

Martha

      Wie wollt′ ich stolz sein an deiner Stelle.

Thea

      Sieh′ doch nur, wie sie die Füße setzt – wie sie geradaus schaut – wie sie sich hält, Martha! – Wenn

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