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Der Parasit, oder, die Kunst sein Glück zu machen. Friedrich von Schiller
Читать онлайн.Название Der Parasit, oder, die Kunst sein Glück zu machen
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Friedrich von Schiller
Жанр Драматургия
Издательство Public Domain
Firmin. Nicht doch, lieber La Roche! – Vergeben und vergessen ist die Rache des braven Mannes.
La Roche. Keine Barmherzigkeit, Herr, mit den Schelmen! Schlechte Bursche zu entlarven, ist ein gutes, ein verdienstliches Werk. – Seine Stelle, das wissen Sie recht gut, gebührt von Gott und Rechts wegen Ihnen – und das aus mehr als einem Grund. Aber arbeitet, zerschwitzt euch, laßt's euch sauer werden, ihr habt doch nur Zeit und Mühe umsonst vergeudet! Wer fragt nach eurem Verdienste? Wer bekümmert sich darum? – Kriecht, schmeichelt, macht den Krummbuckel, streicht den Katzenschwanz, das empfiehlt seinen Mann! Das ist der Weg zum Glück und zur Ehre! – So hat's dieser Selicour gemacht, und ihr seht, wie wohl er sich dabei befindet!
Firmin. Aber thun Sie dem guten Manne nicht Unrecht, lieber La Roche?
La Roche. Ich ihm Unrecht! Nun, nun – ich will mich eben für keinen tiefen Menschenkenner geben; aber diesen Selicour, den seh' ich durch! Den hab' ich – ich kenne mich selbst nicht so gut, als ich den kenne. – Schon in der Schule sah man, welch Früchtchen das geben würde! Das schwänzelte um den Lehrmeister herum und horchte und schmeichelte, und wußte sich fremdes Verdienst zuzueignen und seine Eier in fremde Nester zu legen. Das erschrak vor keiner Niederträchtigkeit, um sich einzuschmeicheln, einzunisten. Als er älter ward, ging das alles ins Große. Bald spielte erden Heuchler, bald den Spaßmacher, wie's die Zeit heischte; mit jedem Winde wußte er zu segeln. Denken Sie nicht, daß ich ihn verleumde! Man weiß, wie es unter dem vorigen Minister zuging. – Nun, er ist todt – ich will ihm nichts Böses nachreden. – Aber wie wußte dieser Selicour seinen Schwächen, seinen Lastern durch die schändlichsten Kupplerdienste zu schmeicheln! – Und kaum fällt der Minister, so ist er der Erste, der ihn verläßt, der ihn verleugnet!
Karl. Aber wie kann er sich bei dem neuen Herrn behaupten, der ein so würdiger Mann ist?
La Roche. Wie? Mit Heucheln. Der weiß sich nach seinen Leuten zu richten und seinen Charakter nach den Umständen zu verändern. – Auch auf eine gute Handlung kommt's ihm nicht an, wenn dabei etwas zu gewinnen ist, so wenig, als auf ein Bubenstück, wenn es zum Zwecke führt.
Karl. Aber Herr Narbonne hat einen durchdringenden Geist und wird seinen Mann bald ausgefunden haben.
La Roche. Das ist's eben, was er fürchtet. – Aber so leer sein Kopf an allen nützlichen Kenntnissen ist, so reich ist er an Kniffen. – So, zum Beispiel, spielt er den Ueberhäuften, den Geschäftvollen und weiß dadurch jeder gründlichen Unterredung zu entschlüpfen, wo seine Unwissenheit ans Licht kommen könnte. – Uebrigens trägt er sich mit keinen kleinen Projecten; ich kenne sie recht gut, ob er sie gleich tief zu verbergen glaubt.
Firmin. Wieso? Was sind das für Projecte?
La Roche. Narbonne, der bei dem Gouvernement jetzt sehr viel zu sagen hat, sucht eine fähige Person zu einem großen Gesandtschaftsposten. Er hat die Präsentation; wen er dazu empfiehlt, der ist's. Nun hat dieser Narbonne auch eine einzige Tochter, siebzehn Jahre alt, schön und liebenswürdig und von unermeßlichem Vermögen. – Gelingt's nun dem Selicour, in einem so hohen Posten aus dem Land und dem hellsehenden Minister aus den Augen zu kommen, so kann er mit Hilfe eines geschickten und diskreten Sekretärs seine Hohlköpfigkeit lange verbergen. – Kommt sie aber auch endlich an den Tag, wie es nicht fehlen kann, was thut das alsdann dem Schwiegersohn des Ministers? Der Minister muß also zuerst gewonnen werden, und da gibt man sich nun die Miene eines geübten Diplomatikers. – Die Mutter des Ministers ist eine gute schwatzhafte Alte, die eine Kennerin sein will und sich viel mit der Musik weiß. – Bei dieser Alten hat er sich eingenistet, hat ihr Charaden und Sonette vorgesagt, ja, und der Stümper hat die Dreistigkeit, ihr des Abends Arien und Lieder auf der Guitarre vorzuklimpern. – Das Fräulein hat Romane gelesen; bei ihr macht er den Empfindsamen, den Verliebten, und so ist er der Liebling des ganzen Hauses, von der Mutter gehätschelt, von der Tochter geschätzt. Die Gesandtschaft ist ihm so gut als schon gewiß, und nächstens wird er um die Hand der Tochter anhalten.
Karl. Was hör' ich! Er sollte die Kühnheit haben, sich um
Charlotten zu bewerben?
La Roche. Die hat er, das können Sie mir glauben.
Karl. Charlotten, die ich liebe, die ich anbete.
La Roche. Sie lieben Sie? Sie?
Firmin. Er ist ein Narr! Er ist nicht bei Sinnen! Hören Sie ihn nicht an!
La Roche. Was hör' ich! Ist's möglich? – Nein, nein, Herr Firmin! Diese Liebe ist ganz und gar keine Narrheit. – Wart – wart, die kann uns zu etwas führen. – Diese Liebe kommt mir erwünscht – die paßt ganz in meine Projecte!
Karl. Was träumt er?
La Roche. Dieser Selicour ist in die Luft gesprengt! In die Luft, sag' ich. – Rein verloren! – In seinem Ehrgeiz soll ihn der Vater, in seiner Liebe soll ihn der Sohn aus dem Sattel heben.
Firmin. Aber ich bitte Sie —
La Roche. Laßt nur mich machen! Laßt mich machen, sag' ich! Und über kurz oder lang sind Sie Ambassadeur, und Karl heirathet Fräulein Charlotten.
Karl. Ich Charlotten heirathen!
Firmin. Ich Ambassadeur!
La Roche. Nun! Nun! Warum nicht? Sie verdienten es besser, sollt' ich meinen, als dieser Selicour.
Firmin. Lieber La Roche! Eh Sie uns andern so große Stellen verschaffen, dächte ich, Sie sorgten, Ihre eigene wieder zu erhalten.
Karl. Das gleicht unserm Freund! So ist er! Immer unternehmend! immer Plane schmiedend! Aber damit langt man nicht aus! Es braucht Gewandtheit und Klugheit zur Ausführung – und daß der Freund es so leicht nimmt, das hat ihm schon schwere Händel angerichtet!
La Roche. Es mag sein, ich verspreche vielleicht mehr, als ich halten kann. Aber alles, was ich sehe, belebt meine Hoffnung, und der Versuch kann nichts schaden. – Für mich selbst möchte ich um keinen Preis eine Intrigue spielen – aber diesen Selicour in die Luft zu sprengen, meinen Freunden einen Dienst zu leisten – das ist löblich, das ist köstlich, das macht mir ein himmlisches Vergnügen – und an dem Erfolg – an dem ist gar nicht zu zweifeln.
Firmin. Nicht zu zweifeln? So haben Sie Ihren Plan schon in Ordnung?
La Roche. In Ordnung – wie? Ich habe noch gar nicht daran gedacht; aber das wird sich finden, wird sich finden.
Firmin. Ei! – Ei! Dieser gefährliche Plan ist noch nicht weit gediehen, wie ich sehe.
La Roche. Sorgen Sie nicht – Ich werde mich mit Ehren herausziehn; dieser Selicour soll es mir nicht abgewinnen, das soll er nicht, dafür steh' ich. – Was braucht's der Umwege? Ich gehe geradezu, ich melde mich bei dem Minister, es ist nicht schwer, bei ihm vorzukommen; er liebt Gerechtigkeit, er kann die Wahrheit vertragen.
Firmin. Wie? Was? Sie hätten die Kühnheit —
La Roche. Ei was! Ich bin nicht furchtsam. – Ich fürchte Niemand. – Kurz und gut – Ich – spreche den Minister – ich öffne ihm die Augen. – Er sieht, wie schändlich er betrogen ist – das ist das Werk einer halben Stunde – der Selicour muß fort, fort – mit Schimpf und Schande fort, und ich genieße den vollkommensten Triumph. – Ja, ich stehe nicht dafür, daß mich der arme Teufel nicht dauert, wenn er so mit Schande ans dem Hause muß.
Karl. Was Sie thun, lieber La Roche – Mich und meine Liebe lassen
Sie auf jeden Fall aus dem Spiel! – Ich hoffe nichts – ich darf meine
Wünsche nicht so hoch erheben – aber für meinen Vater können Sie nie zuviel thun.
Firmin. Laß du mich für mich selbst antworten, mein Freund! – Sie meinen es gut, lieber La Roche, aber der gute Wille geht mit der Ueberlegung durch. Was für ein luftiges Project ist's, das Sie sich ausgesonnen haben! Ein leeres Hirngespinnst! – Und wäre der Erfolg ebenso sicher, als er es nicht ist, so würde ich doch nie meine Stimme dazu geben. Diese glänzenden Stellen sind nicht für mich, und ich bin nicht für sie; Neigung und Schicksal haben