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Kabale und Liebe. Friedrich von Schiller
Читать онлайн.Название Kabale und Liebe
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Friedrich von Schiller
Жанр Драматургия
Издательство Public Domain
Ferdinand (streckt die rechte Hand gen Himmel). Feierlich entsag' ich hier einem Erbe, das mich nur an einen abscheulichen Vater erinnert.
Präsident. Höre, junger Mensch, bringe mich nicht auf! – Wenn es nach deinem Kopf ginge, du kröchest dein Lebenlang im Staube.
Ferdinand. O, immer noch besser, Vater, als ich kröch' um den Thron herum.
Präsident (verbeißt seinen Zorn). Hum! – Zwingen muß man dich, dein Glück zu erkennen. Wo zehn Andre mit aller Anstrengung nicht hinaufklimmen, wirst du spielend, im Schlafe gehoben. Du bist im zwölften Jahre Fähndrich. Im zwanzigsten Major. Ich hab' es durchgesetzt beim Fürsten. Du wirst die Uniform ausziehen und in das Ministerium eintreten. Der Fürst sprach vom Geheimenrath – Gesandtschaften – außerordentlichen Gnaden. Eine herrliche Aussicht dehnt sich vor dir! – Die ebene Straße zunächst nach dem Throne – zum Throne selbst, wenn anders die Gewalt so viel werth ist, als ihr Zeichen – das begeistert dich nicht?
Ferdinand. Weil meine Begriffe von Größe und Glück nicht ganz die Ihrigen sind – Ihre Glückseligkeit macht sich nur selten anders, als durch Verderben bekannt. Neid, Furcht, Verwünschung sind die traurigen Spiegel, worin sich die Hoheit eines Herrschers belächelt. – Thränen, Flüche, Verzweiflung die entsetzliche Mahlzeit, woran diese gepriesenen Glücklichen schwelgen, von der sie betrunken aufstehen und so in die Ewigkeit vor den Thron Gottes taumeln – Mein Ideal von Glück zieht sich genügsamer in mich selbst zurück. In meinem Herzen liegen alle meine Wünsche begraben. – Präsident. Meisterhaft! Unverbesserlich! Herrlich! Nach dreißig Jahren die erste Vorlesung wieder! – Schade nur, daß mein fünfzigjähriger Kopf zu zäh für das Lernen ist! – Doch – dies seltne Talent nicht einrosten zu lassen, will ich dir Jemand an die Seite geben, bei dem du dich in dieser buntscheckigen Tollheit nach Wunsch exercieren kannst. – Du wirst dich entschließen – noch heute entschließen – eine Frau zu nehmen.
Ferdinand (tritt bestürzt zurück). Mein Vater?
Präsident. Ohne Complimente. – Ich habe der Lady Milford in deinem Namen eine Karte geschickt. Du wirst dich ohne Aufschub bequemen, dahin zu gehen und ihr zu sagen, daß du ihr Bräutigam bist!
Ferdinand. Der Milford, mein Vater?
Präsident. Wenn sie dir bekannt ist-Ferdinand (außer Fassung). Welcher Schandsäule im Herzogthum ist sie das nicht! – Aber ich bin wohl lächerlich, lieber Vater, daß ich Ihre Laune für Ernst aufnehme? Würden Sie Vater zu dem Schurken Sohn sein wollen, der eine privilegierte Buhlerin heirathete?
Präsident. Noch mehr! Ich würde selbst um sie werben, wenn sie einen Fünfziger möchte – Würdest du zu dem Schurken Vater nicht Sohn sein wollen?
Ferdinand. Nein! So wahr Gott lebt!
Präsident. Eine Frechheit, bei meiner Ehre! die ich ihrer Seltenheit wegen vergebe-Ferdinand. Ich bitte Sie, Vater! Lassen Sie mich nicht länger in einer Vermuthung, wo es mir unerträglich wird, mich Ihren Sohn zu nennen.
Präsident. Junge, bist du toll? Welcher Mensch von Vernunft würde nicht nach der Distinction geizen, mit seinem Landesherrn an einem dritten Orte zu wechseln?
Ferdinand. Sie werden mir zum Räthsel, mein Vater. Distinction nennen Sie es – Distinction, da mit dem Fürsten zu theilen, wo er auch unter den Menschen hinunterkriecht?
Präsident (schlägt ein Gelächter auf).
Ferdinand. Sie können lachen – und ich will über das hinweggehen, Vater. Mit welchem Gesicht soll ich unter den schlechtesten Handwerker treten, der mit seiner Frau wenigstens doch einen ganzen Körper zum Mitgift bekommt? Mit welchem Gesicht vor die Welt? Vor den Fürsten? Mit welchem vor die Buhlerin selbst, die den Brandflecken ihrer Ehre in meiner Schande auswaschen würde? Präsident. Wo in aller Welt bringst du das Maul her, Junge?
Ferdinand. Ich beschwöre Sie bei Himmel und Erde! Vater, Sie können durch diese Hinwerfung Ihres einzigen Sohnes so glücklich nicht werden, als Sie ihn unglücklich machen. Ich gebe Ihnen mein Leben, wenn das Sie steigen machen kann. Mein Leben hab' ich von Ihnen, ich werde keinen Augenblick anstehen, es ganz Ihrer Größe zu opfern. – Meine Ehre, Vater – wenn Sie mir diese nehmen, so war es ein leichtfertiges Schelmenstück, mir das Leben zu geben, und ich muß den Vater wie den Kuppler verfluchen.
Präsident (freundlich, indem er ihn auf die Achsel klopft). Brav, lieber Sohn. Jetzt seh' ich, daß du ein ganzer Kerl bist und der besten Frau im Herzogthum würdig. Sie soll dir werden – noch diesen Mittag wirst du dich mit der Gräfin von Ostheim verloben.
Ferdinand (aufs Neue betreten). Ist diese Stunde bestimmt, mich ganz zu zerschmettern?
Präsident (einen lauernden Blick auf ihn werfend). Wo doch hoffentlich deine Ehre nichts einwenden wird?
Ferdinand. Nein, mein Vater! Friederike von Ostheim könnte jeden Andern zum Glücklichsten machen. (Vor sich in höchster Verwirrung.)
Was seine Bosheit an seinem Herzen noch ganz ließ, zerreißt seine Güte.
Präsident (noch immer kein Auge von ihm wendend). Ich warte auf deine Dankbarkeit, Ferdinand-Ferdinand (stürzt auf ihn zu und küßt ihm feurig die Hand). Ihre Gnade entflammt meine ganze Empfindung – Vater! meinen heißesten Dank für Ihre herzliche Meinung – Ihre Wahl ist untadelhaft – aber – ich kann – ich darf – bedauern Sie mich – ich kann die Gräfin nicht lieben!
Präsident (tritt einen Schritt zurück). Holla! Jetzt hab' ich den jungen Herrn! Also in diese Falle ging er, der listige Heuchler – Also es war nicht die Ehre, die dir die Lady verbot? – Es war nicht die Person, sondern die Heirath, die du verabscheutest? – Ferdinand (steht zuerst wie versteinert, dann fährt er auf und will fortrennen).
Präsident. Wohin? Halt! Ist das der Respect, den du mir schuldig bist? (Der Major kehrt zurück.) Du bist bei der Lady gemeldet. Der Fürst hat mein Wort. Stadt und Hof wissen es richtig. – Wenn du mich zum Lügner machst, Junge – vor dem Fürsten – der Lady – der Stadt – dem Hof mich zum Lügner machst – Höre, Junge – oder wenn ich hinter gewisse Historien komme? – Halt! Holla! Was bläst so auf einmal das Feuer in deinen Wangen aus?
Ferdinand (schneeblaß und zitternd). Wie? Was? Es ist gewiß nichts, mein Vater!
Präsident (einen fürchterlichen Blick auf ihn heftend). Und wenn es was ist – und wenn ich die Spur finden sollte, woher diese Widersetzlichkeit stammt – Ha, Junge! der bloße Verdacht schon bringt mich zum Rasen! Geh den Augenblick! Die Wachtparade fängt an! Du wirst bei der Lady sein, sobald die Parole gegeben ist – Wenn ich auftrete, zittert ein Herzogthum. Laß doch sehen, ob mich ein Starrkopf von Sohn meistert. (Er geht und kommt noch einmal wieder.) Junge, ich sage dir, du wirst dort sein, oder fliehe meinen Zorn! (Er geht ab.)
Ferdinand (erwacht aus einer dumpfen Betäubung). Ist er weg? War das eines Vaters Stimme? – Ja! ich will zu ihr – will hin – will ihr Dinge sagen, will ihr einen Spiegel vorhalten – Nichtswürdige! und wenn du auch noch dann meine Hand verlangst – Im Angesicht des versammelten Adels, des Militärs und des Volks – Umgürte dich mit dem ganzen Stolz deines Englands – Ich verwerfe dich – ein deutscher Jüngling! (Er eilt hinaus.)
Zweiter Akt
Ein Saal im Palais der Lady Milford; zur rechten Hand steht ein Sopha, zur linken ein Flügel.
Erste Scene
Lady in einem freien, aber reizenden Negligé, die Haare noch unfrisiert, sitzt vor dem Flügel und phantasiert; Sophie, die Kammerjungfer, kommt von dem Fenster.
Sophie. Die Officiers gehen auseinander. Die Wachtparade ist aus – aber ich sehe noch keinen Walter.
Lady (sehr unruhig, indem sie aufsteht und einen Gang durch den Saal macht). Ich weiß nicht, wie ich mich heute finde, Sophie – Ich bin noch nie so gewesen – Also du sahst ihn gar nicht? – Freilich wohl – Es wird ihm nicht eilen – Wie ein Verbrechen liegt es auf meiner Brust – Geh, Sophie – Man soll mir den