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ihm, es war ein Kellerloch, nicht viel länger als ein Mann, und die kleine Lichtöffnung vermochte kein Geschöpf, das größer war als eine Katze, zu durchklettern. So blieb ihm nichts übrig als auf dem Stroh zu sitzen und die finstern Gedanken wegzuscheuchen, welche wie Fledermäuse um sein Haupt schwirrten. Lange tröstete ihn ein wenig die Überlegung, daß er den Tutilo, der immer herrisch gegen ihn gewesen war, so schön zu Boden geschlagen hatte. Er griff nach dem Pergament mit dem Goldfaden und wiederholte sich die Worte, welche Hildegard zu ihm gesprochen hatte, aber dabei wurde der Gedanke in ihm übermächtig, daß er jetzt zum zweitenmal als Gefangener in elendem Kerker saß. Als gar der Abend kam und der Hunger stark in ihm nagte, wurde ihm frostig zumute und ihm fiel ein, daß seine Zelle für eine furchtbare Stätte galt. Manche Geschlechter vergangener Mönche hatten hier jahrelang gebüßt und in Kreuzesform dagelegen, während die Geißel über ihren Rücken flog und ihr Blut auf den schwarzen Boden rann. Unheimliche Geschichten erzählten die Schüler von der Not der Frevler, welche der Abt gefesselt hielt und wer in der Dämmerung an der Zelle vorübergehen mußte, der wandte das Haupt ab und beeilte den Schritt. Daß Tutilo und seine Genossen ihm todfeind geworden waren, erkannte er jetzt deutlich, und ihm kam auch vor, als könnte er wohl das Sühnopfer werden, über dessen Leib der Abt mit den Mönchen Frieden mache. Wild sah er umher und griff im letzten Zwielicht an die Wände; es waren dicke Mauern, hier und da hatte ein Büßer sein Kreuz in den Kalk geritzt, um davor zu beten. Da neigte auch er das Haupt und begann einen lateinischen Psalter, aber unter den heiligen Worten kam ihm die Angst, was wohl die Apostel Simon und Thaddäus, vor deren Gebeinen er den Tutilo niedergeworfen hatte, von seinem Tun denken würden. Er konnte nicht glauben, daß Tutilo als ein arger Mann in Gunst bei den Hohen stehe, aber ob sie besonderes Wohlwollen für ihn selbst hegen könnten, erschien ihm sehr zweifelhaft, denn sicher hatte er eine schwere Tat begangen und ihr Heiligtum entweiht. Da faltete er die Hände und bat den heiligen Wigbert, sein Fürsprecher zu werden. Dieser war ihm immer hold erschienen und am liebsten hatte er vor seinem Altar gebetet, denn er dachte sich, daß der Heilige auf Erden ein guter Geselle seines Ahnherrn gewesen und seit alter Zeit dem Geschlechte vertraulich war. So bat er jetzt demütig um seine Hilfe. Und als er an die Heimat dachte, wurde ihm das Herz weich.

      Aber stürmisch hoben sich wieder die Gedanken. Wenn er die Eisenstange nur hätte, die er heute früh geschwungen, dann könnte er wohl die Tür erbrechen. Und er stampfte mit dem Fuß auf den Boden, ob es irgendwo hohl klänge. Denn aus der Tiefe der Erde kam geheimnisvoll die Fülle aller guten Dinge, nicht nur die Landleute, die noch Heidenbrauch übten, auch die Mönche wußten das. Vielen Goldschatz barg die Mutter Erde, aber auch anderes Metall schenkte sie aus ihrem Vorrat den Bedrängten. Warum sollte nicht auch er in seiner Not eine Waffe aus der Erde graben, die ihn von der drohenden Schmach erlöste. Er griff und stieß wieder an Wänden und Boden umher, aber nirgends erkannte er hartes Eisen. Und er faltete aufs neue die Hände und kauerte auf dem Stroh.

      Während er demütig in der Finsternis saß, vernahm er von außen langsame Tritte, ein Lichtstrahl fiel durch das Eisenschloß golden in die Zelle, ein Schlüssel knarrte, die Tür ging ächzend auf, und ein Mann trat schwerfällig herein und beleuchtete vom Eingange mit seiner Blendlaterne den Sitzenden. Immo schnellte empor, er erkannte Bernheri, seinen Abt und Herrn. »Stemme dich von außen gegen die Tür, Eggo,« begann der Abt nach rückwärts gewandt, »damit der Scholastikus Saliarius nicht auf den Einfall komme, uns selbst als Springböcke zu gebrauchen oder gar in unserm eigenen Keller einzuschließen.« Immo ließ sich auf die Knie nieder und senkte schweigend das Haupt, suchte aber doch durch verstohlene Blicke die Meinung des Herrn zu erraten.

      »Sieh, Immo,« fuhr der Abt feierlich fort, auf den Gebeugten herabblickend, »du bist zum Greuel geworden vor allem Volke und die Töchter Israels schreien wehe über dich; welches aber nur tropice gemeint ist, denn ich hoffe, daß du Unglücksvogel dich in Wirklichkeit von jüdischen Weibern stets fern gehalten hast, zumal keine in der Nähe des Klosters zu finden sind. Aber was die Schrift sagt, das gilt jetzt von dir: ›Aus der Tiefe schreie ich und niemand hört meine Stimme.‹ Ganz verworfen bist du und die hohen Engel würden dich mit zahllosen Backenstreichen begaben, nur daß solche Regung der Hände für Himmlische unschicklich ist. Was dich erwartet, weißt du. An ein Kreuzholz wirst du gebunden und so lange gegeißelt, bis dein Vater Tutilo für dich bittet; ich meine, er wird sich nicht beeilen. Und später wirst du auf Stroh gelegt in der Klausur der Brüder, wo nicht Sonne noch Mond dich bescheinen. Solches sind die Folgen deiner Springerei und deines nächtlichen Dachkletterns. Meinst du, daß ich nicht weiß, wer mir die Böcke bei Mondschein aus dem Walde holt; item, das sind die Folgen deines Abtspiels am Feste der unschuldigen Kindlein. Meinst du, daß mir unbekannt ist, wie du dir damals in der Schule ein Kissen unter deine Kutte gebunden hast, um deinen hagern Leib gleichsam zum Hohn für mich mit einem Bauch zu versehen? Je mehr ich deine Art erwäge, desto mehr Sünde finde ich in dir und erkenne, daß du zu denen gehörst, von denen geschrieben steht: »Sie sollen vertilgt werden wie Spreu.« Erkenne deine Missetat und bereue, denn es bleibt dir nicht viel Zeit. Auch der Floh springt nur so lange, bis er geknickt wird.«

      Immo schauerte. Doch nicht ohne Nutzen war er sechs Jahre im Kloster gewesen und er hatte ein wenig die Mönchskunst gelernt, die Miene des andern zu beobachten und vorsichtig die Worte zurückzuhalten. Darum antwortete er demütig: »Mein Herr und Vater, mich reut nicht, daß ich so geschwind war, so lange den Tutilo nicht reut, daß er die Hand gegen seinen Herrn erhoben hat.«

      »Ich merke,« rief Herr Bernheri, »du hoffst, daß ich in dieses Loch herabgestiegen bin, um dich daraus emporzuheben. Darin irrst du gänzlich. Da ich Abt der Brüder bin, so fordert meine Würde, deine Missetat zu strafen, wenn diese auch in guter Meinung für mich verübt wurde. Denn sobald der Morgen anbricht, werden viele das Urteil über dich fordern. Heut aber denke ich daran, daß du aus altem Geschlechte bist und daß auch ich einst mich meiner Abkunft rühmte, bevor ich mich einem Herrn gelobte, vor dem alle gleich sind, Freie und Unfreie. Darum komme ich zu dir. Hast du das Gitter der Kirche gebrochen, so vermagst du vielleicht auch diese Tür zu öffnen und hinauszufahren, ohne daß dich jemand sieht, du bist ja gewöhnt die Pfade eines Marders zu wandern.« Aus dem Faltengewand des Abtes sank ein eisernes Werkzeug auf den Boden. Immo schnellte in die Höhe und seine Augen glänzten, aber er faßte sich und antwortete: »Mein Herr möge mir verzeihen, wenn ich nicht wie ein Dieb ausbrechen will. Wohin soll ich fliehen? In den Hof meiner Väter vermag ich nicht zurückzukehren, wenn ich als Verbrecher dem Wigbert entweiche, denn schnell würden die Väter den flüchtigen Schüler zurückfordern vor ihr Gericht.«

      »Sprichst du so stolz, du Tor,« rief der Abt, »ich meine, jede Stelle, wo der Himmel dich deckt oder das Laub dich verbirgt, wird für dich lustiger sein als die Mauersteine dieses Kerkers.«

      Immo ließ sich wieder vor dem Abt auf die Knie nieder. »Dennoch flehe ich, daß mein Herr mir ehrlichen Urlaub gibt und mich als Freien entsendet.«

      »Mit einem Gefolge von Zinken und Posaunen,« versetzte der Abt unwillig, »ganz toll bist du in weltlichem Hochmut. Und welche Herrlichkeit der Erde gedenkst du für dich zu begehren, wenn du den Klostermauern entweichst?«

      »Ein Schwert will ich finden und ein Roß; denn hochwürdiger Vater, ein Kriegsmann will ich sein und kein Mönch.«

      »Wirst du ein Mönch, so wird bald der üble Teufel dein Abt werden, und wirst du ein Kriegsmann, so wirst du einer von den Wölfen, welche um St. Wigberts Stall heulen, bis sie dir auf grüner Heide ein Bett schaufeln.«

      »Herr,« versetzte Immo flehend, »zu deinen Füßen will ich geloben, daß ich in allen meinen Tagen daran denken werde, wie ich an dir einen gütigen Vater fand.«

      »Bin ich eine Dirne, daß du mich mit Verheißungen und mit schönen Worten bereden willst? Außerdem ziemt mir nicht, an diesem kalten Ort der Buße von weltlichen Dingen zu reden. Und deshalb frage ich dich zum letztenmal, ob du lieber die Geißel wählst oder eine zerbrochene Tür.«

      »Nicht die Geißel will ich und nicht die heimliche Flucht. Um gnädige Entlassung flehe ich zu meinem Herrn, damit ich mein Haupt hoch tragen kann unter meinesgleichen.«

      »Einem nimmersatten Windhund gleichst du,« versetzte Herr Bernheri, »und ärgerlich willst du mir werden.« Aber er sah dabei mit Wohlgefallen auf den Jüngling. »Ich schließe dich wieder ein. Bleibe auf den Knien und sprich den

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