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Old Surehand III. Karl May
Читать онлайн.Название Old Surehand III
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Haltet auch dieses Pferd, welches der befreite Gefangene besteigen wird,« forderte ich den Dicken auf, »sobald ich komme, gebt Ihr mir meine Gewehre!«
»Well! Bringt ihn nur erst, und bleibt nicht selber stekken!« antwortete er.
Wieder leuchtete der Blitz, und wieder krachte der Donner. Ich drang so rasch und doch so leise wie möglich in das Gebüsch, warf mich zu Boden und schob mich unten an der Erde fort. Noch währte der Tanz, den jetzt alle Osagen mit einem lauten, in der Fistel gebildeten »Pe-teh, Pe-teh, Peteh!«[5] begleiteten, wobei sie taktmäßig in die Hände klatschten. Da konnten sie das Rauschen der Zweige nicht hören; ich kam also sehr rasch vorwärts und viel schneller hinter den Gefangenen, als ich es für möglich gehalten hatte. Ich sah kein einziges Auge auf ihn gerichtet; auch er sah wahrscheinlich dem Tanze zu. Um seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, berührte ich zunächst seinen Unterschenkel. Er zuckte leicht zusammen, doch nur für einen Augenblick.
»Go-oksch!«[6] sagte ich so laut, daß er es trotz des Gesanges, sonst aber weiter niemand, hören konnte.
Er senkte den Kopf – ein nur mir bemerkbares Nicken, zum Zeichen, daß er meine Hand gefühlt und mein Wort verstanden habe. Er war mit drei Riemen an den Baum gefesselt; einer war um seine Fußgelenke und den Stamm, ein zweiter um seinen Hals und den Stamm geschlungen, während man ihm mit dem dritten die nach rückwärts um den Baum gezogenen Hände zusammengebunden hatte. Grad so wie jetzt hinter Apanatschka, hatte ich einst hinter Winnetou und seinem Vater Intschu tschuna gesteckt, um sie von den Bäumen loszuschneiden, an die sie von den Kiowas gebunden worden waren[7]. Ich war überzeugt, daß Apanatschka sich nicht weniger klug verhalten werde wie damals die beiden Apatschen, und zog das Messer. Zwei Schnitte gnügten, den untern Riemen und dann auch die Handfessel zu durchschneiden; aber um an den Halsriemen zu kommen, mußte ich aufstehen, und das war gefährlich, weil ich da gesehen werden mußte, wenn in diesem Augenblicke auch nur ein einziger Osage nach dem Gefangenen schaute. Da kam mir der Zufall zu Hilfe. Einer der Tänzer war infolge seiner allzu lebhaften Bewegungen dem Wasser zu nahe gekommen; der weiche Uferrand wich unter seinem Fuße, und er fiel in den Tümpel. Ein allgemeines Gelächter erscholl, und alle Augen richteten sich auf den triefenden Büffelimitator. Das benutzte ich. Schnell in die Höhe – ein Schnitt – dann ebenso schnell wieder nieder! Niemand hatte mich gesehen.
»Beiteh, took ominu!«[8] forderte ich ihn in demselben Tone wie vorher auf und kroch einige Schritte zurück.
Ihn scharf im Auge behaltend, sah ich, daß er noch eine kleine Weile stehen blieb; dann duckte er sich plötzlich nieder und huschte zu mir ins Gesträuch. Nun konnte es mir sehr gleichgültig sein, was jetzt geschah; erwischen sollten sie uns nicht! Ich nahm ihn bei der Hand und zog ihn, jetzt noch in niedergeduckter, kauernder Haltung, mit mir fort. Da erleuchtete der Blitz das ganze Gebüsch; ein schrecklicher Donner erdröhnte, und mit einem Male klatschte wie ein stürzender See der Regen vom Himmel herab. Mit dem Tanze war es aus; man mußte die Flucht des Komantschen bemerken. Ich richtete mich auf, riß ihn auch empor und zog ihn mit mir fort, durch die Büsche, hinaus zu Hammerdull. Hinter uns schrieen, riefen und brüllten hundert Stimmen. Der Dicke reichte mir meine Gewehre, die ich überhing. Apanatschka sah sein Pferd und sprang, ohne sich einen Augenblick darüber zu verwundern, sogleich in den Sattel. Ich war im Nu auch oben, und dann ritten wir fort, nicht etwa sehr eilig, denn das war nicht nötig, weil der laut aufschlagende Regen die Schritte unserer Pferde gar nicht vernehmlich werden ließ.
Wir ritten nicht nach der Richtung, aus welcher wir gekommen waren, sondern dahin, wo ich mit Winnetou zusammentreffen sollte, nämlich nach dem Kih-pe-ta-kih, bis wohin wir von dem Wara-tu ungefähr vier gute Reitstunden hatten. Wenn ich mir die Entfernungen genau berechnete und dabei in Betracht zog, daß Winnetou wohl keinen zwingenden Grund gehabt hatte, allzuzeitig von unserm gestrigen Lagerplatze aufzubrechen, erschien es mir als wahrscheinlich, daß wir eher als er an der »alten Frau« eintreffen würden. Er hatte angenommen, daß uns die Beschleichung der Osagen eine geraume Zeit kosten werde, und nun war alles so unerwartet schnell gegangen! Welchen Zweck hatte eigentlich unser Ritt nach dem Wara-tu gehabt? Zu erfahren, wie viel Osagen da versammelt waren, und wenn es ohne Gefahr für uns geschehen konnte, Fenners wegen sie wissen zu lassen, daß die Bleichgesichter vor dem Ueberfalle gewarnt worden seien. Und nun hatte sich uns ein Erfolg geboten, über den ich mich außerordentlich glücklich fühlte, und zwar nicht allein aus dem Grunde, daß ich Apanatschka da unten im Llano liebgewonnen hatte; es lag etwas in mir, eine Stimme oder eine Ahnung, welche mir einreden wollte, daß ich mich für diesen wackern, jungen Häuptling der Naiini-Komantschen noch mehr als bisher interessieren werde, daß mein Verhältnis zu ihm noch eine andere Gestalt anzunehmen habe. Solchen Stimmen pflege ich zu trauen; sie täuschen selten.
Er hatte mich nicht deutlich sehen können und wußte also noch nicht, wer sein Befreier war. Während ich jetzt mit Dick Hammerdull voranritt und er hinter uns her, strömte der Regen so dicht hernieder, daß er nur die Umrisse unserer Gestalten erkennen konnte und sich dicht hinter uns halten mußte, wenn er uns nicht verlieren wollte. Es machte mir Spaß, ihn auch jetzt noch über mich im unklaren zu lassen. Darum bog ich mich zu Hammerdull hinüber und sagte mit unterdrückter Stimme zu ihm:
»Wenn der Fremde fragt, so sagt ihm nicht, wer ich bin!«
»Wer ist er denn?«
»Ein Häuptling der Komantschen. Doch sagt ihm nicht, daß Ihr das wißt, sonst ahnt er, daß ich ihn kenne.«
»Darf er erfahren, daß wir zu Winnetou reiten?«
»Nein. Von dem Apatschen dürft Ihr gar nicht sprechen.«
»Well! Soll alles ganz richtig verschwiegen werden!«
Die Osagen hatten sich sehr wahrscheinlich schnell alle auf die Pferde geworfen und schwärmten nun trotz des Regens durch die ganze Umgegend des Wara-tu; eigentümlicherweise aber kam uns keiner von ihnen nahe, obgleich wir ziemlich langsam ritten. Es war in dieser geradezu vom Himmel stürzenden Wasserflut sehr schwer, nicht in eine falsche Richtung zu geraten. Die Finsternis war, wie man sich auszudrücken pflegt, mit den Händen zu greifen, und soviel und blendend hell es blitzte, war das für die Orientierung doch nicht günstig, sondern erschwerend, weil der plötzliche Wechsel zwischen tiefer Finsternis und grellem Lichte das Auge angreift und der Blitz dann die Gegenstände nicht wahr erscheinen läßt. Und dieser suppendicke Regen hielt über zwei Stunden an. Es war da ganz unmöglich, eine Unterhaltung zu führen; wir mußten uns auf die allernötigsten Zurufe beschränken.
Da brauchte ich freilich nicht zu befürchten, daß Apanatschka mich eher erkennen werde, als es in meiner Absicht lag, zumal ich einen ganz andern Anzug trug als zur Zeit, in welcher er mich kennen lernte, und die sehr breite Krempe meines Hutes so weit heruntergeschlagen hatte, daß ich ganz verstellt sein mußte.
Endlich, endlich hörte der Regen auf, aber die Wolken wichen noch nicht, und es blieb so dunkel wie vorher. Ich trieb mein Pferd an, um vorzeitigen Erkundigungen zu entgehen, und so kam es, daß Apanatschka sich an Dick Hammerdull machte. Sie unterhielten sich. Ich hatte nicht vor, auf ihre Reden zu achten, fing aber doch einige Ausdrücke des Dikken auf, welche mein Interesse erregten. Darum ließ ich meinen Schwarzen jetzt weniger ausgreifen und horchte hinter mich, doch ohne dies durch meine Haltung zu verraten. Apanatschka bediente sich des zwischen Weißen und Roten gebräuchlichen Idiomes, welches aus englischen, spanischen und indianischen Wörtern zusammengesetzt ist und von jedem guten Westmanne verstanden und gesprochen wird. Er schien eben erst gefragt zu haben, was ich sei, denn ich hörte den Dicken antworten:
»Ein Player[9], ist er, weiter nichts.«
»Was ist das, ein Player?«
»Ein Mann, der überall herumzieht und Bären- oder Büffeltänze tanzt, wie du vorhin von den Osagen gesehen hast.«
»Uff! Die Bleichgesichter sind doch sonderbare Leute. Die roten Männer sind zu stolz, für andere zu tanzen. Willst du mir sagen, wie
5
»Büffel, Büffel, Büffel!«
6
»Paß auf!«
7
Siehe »Winnetou« Band I pag. 248 etc.
8
»Komm, folge mir!«
9
Schauspieler.