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Im Lande des Mahdi II. Karl May
Читать онлайн.Название Im Lande des Mahdi II
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Ja. Er soll jedes Glied einzeln verlieren. Ich werde ihm die Nase, die Ohren, die Lippen, die Zunge, die Augen nacheinander nehmen.«
»Und was geschieht mit den Asakern, die ihn begleiten?«
»Ich habe den Befehl erteilt, dieselben einfach über den Haufen zu schießen. Man wird mir ihn also ganz allein bringen. Mein Vater kann in jedem Augenblicke zurückkehren.«
Also jedes Glied, jedes Sinnesorgan sollte mir einzeln abgeschnitten, ausgestochen oder herausgerissen werden! Das war ein außerordentlich tröstlicher Gedanke für mich für den Fall, daß man entdeckte, wer ich war! Die Haare hätten mir zu Berge steigen mögen! Dennoch wagte ich es, eine Erkundigung einzuziehen, die mir leicht verderblich werden konnte. Ich nannte nämlich den Fakir el Fukara und fragte ihn, ob er denselben kenne.
»Freilich kenne ich ihn,« antwortete er. »Er ist doch auch Sklavenjäger gewesen.«
»Gewesen? Jetzt also nicht mehr?«
»Nein. Er ist fromm geworden und bereitet sich auf die Zukunft vor.«
»Hat er irgend einen besondern Plan für dieselbe?«
»Das ist möglich; er redet nicht davon. Er liest viele Bücher, weltliche und geistliche, und es kommen und gehen bei ihm Leute, die man nicht kennt und mit denen er lange und geheime Unterredungen hält. Vielleicht will er ein großer Marabut oder ein Wanderprediger des Islam werden. Vielleicht aber ist das auch nur eine Maske, unter welcher er ganz andere Absichten verbirgt. Er haßt den Vicekönig, welcher ihn aus dem Amte gejagt hat, und wird sich wohl auf irgend eine Weise an ihm rächen wollen.«
Sollte es diesem Manne mit seiner Mahdischaft wirklich ernst sein? Wenn das der Fall war, so hatte ich eigentlich die Verpflichtung, die Regierung zu warnen. Er hatte davon gesprochen, daß der Mahdi sich mit einem höheren ägyptischen Offizier verbünden werde. Vielleicht hatten die Besuche, welche er empfing, unter anderm auch den Zweck, eine solche Verbindung anzuknüpfen oder gar schon zu pflegen. Ich nahm mir vor, zuerst dem Reïs Effendina Mitteilung zu machen, welcher diese Angelegenheit leichter zu beurteilen vermochte als ich. Erst viel später, als der Aufstand im Sudan im Gange war, hörte ich, daß mit jenem Offiziere wohl Arabi Pascha gemeint gewesen sei, doch steht es sehr zu bezweifeln, daß er damals schon mit ihm in irgend einer Beziehung gestanden habe.
Leider konnte ich noch immer nicht das erfahren, was zu wissen mir am notwendigsten war. Ihn Asl brachte das Gespräch nicht wieder auf den Reïs Effendina. Ich hütete mich zwar, die Rede direkt auf denselben zu lenken, aber ich gab mir alle Mühe, ihn indirekt und ohne daß er es bemerkte, auf diesen Gegenstand zu leiten, doch vergeblich. Es verging die Zeit bis nahe an Mitternacht, und dann erklärte er, daß er nun schlafen wolle, und forderte mich auf, ihn zu begleiten.
»Wohin?« fragte ich.
»Auf das Schiff. Dort haben wir mehr Schutz vor den Mücken, und ich werde dir ein Mückennetz geben. Du schläfst bei mir. Daraus kannst du ersehen, daß ich Wohlgefallen an dir gefunden habe.«
Ich glaubte ihm das letztere, obgleich er mich auch leicht aus dem Grunde, mich unter seiner besondern Aufsicht zu behalten, zu sich einladen konnte.
»Ich möchte dir nicht lästig fallen,« wand ich ein. »Ich bin gewöhnt, auf meinen Reisen mit Omar, meinem Gehilfen, zu schlafen. Erlaube, daß er bei mir bleibt!«
»Ich habe nur Platz für mich und dich. Er soll auch eine gute Stelle erhalten, denn er wird bei meinen Offizieren schlafen, welche auch eine eigene Kajüte haben.«
Eine weitere Einwendung durfte ich nicht machen, da ein solches Beharren auf meinem Willen ihn sehr leicht stutzig hätte machen können. Darum mußte ich mich fügen. Uebrigens glaubte ich keinen Grund zu haben, auf das Beisammensein mit Ben Nil zu dringen. Es war bisher ja alles sehr gut abgelaufen, und ich hatte nicht die mindeste Ursache, anzunehmen, daß uns bis zum Morgen irgend eine Gefahr drohe.
Im Verlaufe unseres Gespräches hatte ich beobachtet, daß viele der Sklavenjäger an Bord gegangen waren, um, jedenfalls der lästigen Mücken halber, im Schiffe zu schlafen. Das Innere desselben schien also jetzt leer zu sein, da es so viele Schläfer fassen konnte.
Es führte eine Art Leiter, an welcher wir emporstiegen, vom Ufer auf das Deck. Dort angekommen, wendeten sich die beiden andern, die er als seine Offiziere bezeichnet hatte, nach vorn; sie nahmen Ben Nil mit; ich fand keine Zeit, ihm irgend welche Verhaltungsmaßregeln zu erteilen. Ibn Asl ging mit mir nach hinten.
Der Unterschied zwischen einer Dahabijeh und einem Noquer besteht darin, daß der letztere ein offenes Verdeck hat, wenigstens ist der mittlere Teil des Fahrzeuges frei. Vorn befindet sich gewöhnlich die Schiffsküche, welche einige Sklavinnen zu bedienen haben, und hinten giebt es ein kleines Verdeck, einen Verschlag, in welchem der Herr des Schiffes oder der Reïs[25], zu wohnen pflegt.
Ob die »Eidechse« diese Einrichtung auch besaß, das konnte ich trotz des jetzt ziemlich hellen Sternlichtes nicht erkennen. Daß sich hinten eine Kajüte befand, das erfuhr ich allerdings, denn Ibn Asl führte mich in dieselbe. Sie bestand aus zwei Abteilungen, einer vorderen, kleineren, und einer hinteren, größeren. Er blieb in der erstern stehen und brannte eine Lampe an. Beim Scheine derselben sah ich, obgleich ich nur wenig Zeit zur Umschau hatte, daß rechter Hand ein Sitzkissen lag, während zur linken ein Holzkasten stand, in welchem allerlei Handwerkszeuge, wie sie auf einem Schiffe zu jeder Zeit gebraucht werden, sich befanden. Dieser letztere Umstand wurde mir später sehr wichtig.
»Tritt schnell ein, damit keine Mücken mit hineinkommen!« forderte er mich auf, indem er eine Matte, welche die beiden Abteilungen voneinander schied, zur Seite schob. Ich folgte seiner Aufforderung, und als er dann die Lampe an einer an der Decke befestigten Schnur aufgehangen hatte, konnte ich die Einrichtung der Kajüte sehen. Sie bestand nur aus einigen Kissen, welche an den Holzwänden lagen, und einer höchst unkünstlerisch bemalten Kiste, die seinen Kleiderbehälter bilden mochte. Er nahm aus derselben zwei Mückennetze, von denen er mir das eine gab. Ich wickelte mich kunstgerecht hinein, und er that mit dem seinigen dasselbe.
War ich der Meinung gewesen, daß wir nun schlafen würden, so hatte ich mich geirrt. Er sagte mir vielmehr, daß er Lust habe, sich weiter zu unterhalten, bis das Oel der Lampe ausgebrannt sei. Das war mir gar nicht unlieb, denn auf diese Weise konnte ich vielleicht doch noch das erfahren, was ich bis jetzt vergeblich hatte wissen wollen.
»Du hast zwar gesagt, daß du müde seist,« meinte er; »aber du kannst ja in den Tag hinein schlafen, solange es dir beliebt.«
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