Скачать книгу

geschehen. Jetzt wollen wir über unseren Gefangenen – —«

      Ich wurde unterbrochen, denn es erschien am westlichen Rande der Lichtung ein Kamelreiter, welcher bei unserem Anblicke ziemlich betroffen halten blieb und uns betrachtete. Er schien im Zweifel darüber zu sein, ob es besser sei, an uns vorüber zu reiten oder nach dem Brunnen einzubiegen, doch entschloß er sich für das letztere, trieb sein Tier auf uns zu, stieg ab und sagte:

      »Ehe ich den Sallam über meine Lippen gehen lasse, sagt mir, wer euer Anführer ist!«

      »Ich bin es,« antwortete ich.

      »Das sind Asaker[11]; du aber scheinst kein Askari zu sein. Wie soll ich es mir da erklären, daß du dich deren Anführer nennst?«

      »Macht die Uniform den Askari?«

      »Nein. Ich will dir glauben. Warum habt ihr die Leute, welche hier am Boden liegen, gefesselt?«

      »Sie sind Gefangene von uns, Sklavenjäger.«

      »Das ist doch kein Verbrechen?«

      »Nun, dann Menschenraub!«

      »Sklaven, überhaupt Schwarze, sind keine eigentlichen Menschen. Du wirst diese Männer also frei lassen!«

      Der Mann war wohl etwas über dreißig Jahre alt, hager und trug einen dunkeln, nicht sehr dichten Vollbart. Sein Gewand war weiß gewesen, jetzt aber nicht mehr von allzu reinlichem Aussehen. Der Ausdruck seines Gesichtes war streng, düster asketisch. Er stand gerade und stolz aufgerichtet vor mir, und seine Augen blickten mich fast drohend an, als ob er und nicht ich es sei, der zu befehlen hatte. Ich ahnte nicht, daß dieser Mann später als Mahdi eine so hervorragende Rolle spielen werde.

      »Werde ich?« fragte ich ihn. »So! Mit welchem Recht und aus welchem Grunde erwartest du denn, daß ich dies thun werde?«

      »Weil ich es sage, der Fakir el Fukara.«

      »Schön! Und ich bin der Askari el Asaker und thue nur das, was mir beliebt.«

      Fakir el Fukara ist Fakir der Fakire, also der beste, der vorzüglichste Fakir; darum nannte ich mich den Soldaten der Soldaten, also den vorzüglichsten Soldaten. Er schien diese Antwort nicht erwartet zu haben, denn er fragte:

      »Kennst du mich denn nicht? Hast du noch nichts von dem Fakir el Fukara gehört?«

      Indem er dies sagte, sah ich, daß er mit dem alten, »ehrwürdigen« Fakir, welcher gebunden am Boden lag, einen Blick des Einverständnisses wechselte. Sie kannten sich also, und so antwortete ich:

      »Nein; aber meine Gefangenen kennen dich.«

      »Woher weißt du das?«

      »Du selbst hast es mir gesagt.«

      »Ich weiß nichts davon. Wann denn?«

      »Eben jetzt. Dein Auge sagte es mir. Du gabst diesem alten Abd Asl ein Versprechen, welches du nicht halten kannst.«

      »Ich werde es halten. Frage deine Gefangenen, so werden sie dir sagen, daß ich mächtig bin und sehr wohl weiß, daß ich ein Versprechen, welches ich gegeben habe, auch zu halten weiß.«

      »Frage sie vorher nach mir, so werden sie dir wohl mitteilen, daß in diesem Augenblicke ich es bin, der die Macht in den Händen hat. Wer und was du bist, das ist mir sehr gleichgültig. Ich stehe hier an Stelle des Reïs Effendina, also an Stelle des Khedive. Das wird dir genügen.«

      »Das genügt mir keineswegs, sondern bringt eine ganz andere Wirkung hervor, als du beabsichtigt hast. Der Vizekönig ist ebenso wie der Reïs Effendina in meinen Augen nichts, und es fällt mir nicht ein, mich nach ihnen zu richten.«

      Jetzt kannte ich seine Verhältnisse nicht; später erfuhr ich freilich, weshalb er sich dieses unehrerbietigen, ja geringschätzenden Ausdruckes bedient hatte. Für einige Zeit Steuerbeamter gewesen, hatte er sich gezwungen gesehen, sein Amt niederzulegen, und war Sklavenhändler geworden. Das wußte ich jetzt freilich nicht, antwortete ihm aber doch mit überlegenem Lächeln:

      »Du wirst dich aber dennoch nach ihnen richten, indem du dich nach mir richtest, der ich ihre Befehle auszuführen habe.«

      »Du wirst sogleich sehen, wie ich diese Befehle achte.«

      Er zog sein Messer und bückte sich zu Abd Asl nieder.

      »Halt!« gebot ich ihm. »Was willst du thun?«

      »Diesen meinen Freund von seinen Fesseln befreien.«

      »Das erlaube ich nicht.«

      »Was frage ich nach deiner Erlaubnis!«

      Er legte das Messer an den Riemen; ich aber legte auch, nämlich beide Hände von hinten und oben an seine Hüften, hob ihn aus seiner gebückten Haltung empor und warf ihn mehrere Schritte weit über die Gruppe der Gefangenen, bei denen Abd Asl lag, hinüber. Er hatte sein Messer festgehalten, raffte sich rasch wieder auf, erhob die Hand zum Stoße und drang auf mich mit den Worten ein:

      »Du wagst, dich an dem Fakir el Fukara zu vergreifen? Da, nimm!«

      Es fiel mir gar nicht ein, mich einer Waffe zu bedienen. Auch keinem der Asaker kam es bei, mir beizuspringen; nur Ben Nil fuhr mit der Hand in den Gürtel, blieb aber an seinem Platze stehen; sie wußten, daß ich mit dem Angreifer fertig werden würde. Ich gab ihm mit der Faust von unten her einen Stoß in die Achselhöhle des erhobenen Armes, und diese Parade war so kräftig, daß sie ihn aushob und wieder zu Boden warf. Jetzt zog ich den Revolver; als er wieder aufsprang, um mich von neuem anzugreifen, hielt ich ihm denselben entgegen und rief:

      »Noch einen Schritt weiter, und ich schieße dich nieder!«

      »Bleib stehen, sonst schießt er wirklich, denn er ist ein Giaur!« warnte ihn Abd Asl.

      Der Fakir el Fukara zog den bereits erhobenen Fuß wieder zurück, ob aus Furcht vor meiner Waffe oder aus Betroffenheit darüber, mich einen Giaur nennen zu hören, das weiß ich nicht – wohl aus beiden Gründen zugleich, und fragte:

      »Ein Giaur? Er ist kein Moslem?«

      »Nein, sondern ein christlicher Effendi,« antwortete der Alte.

      »Und dieser Hund wagt es, mich – —«

      Im Nu stand Ben Nil mit der erhobenen Peitsche hinter ihm und fragte mich.

      »Effendi, soll ich ihm die Haut in Streifen schlagen, da er dir den Namen eines verachteten Tieres giebt?«

      »Dies eine Mal soll ihm verziehen sein, weil er in der Aufregung gesprochen hat,« antwortete ich. »Wenn er mich aber noch ein einziges Mal beleidigt, so erhält er die Bastonnade, daß er hier liegen bleiben und elend verkommen muß!«

      »Allah! Mir die Bastonnade!« knirschte der Mann. »Von einem Christen! Welch ein Frevel, welch eine Kühnheit!«

      »Von Kühnheit kann dir gegenüber keine Rede sein,« lachte ich ihm in das Gesicht. »Ich würde mich nicht fürchten, wenn ich zehn Personen deinesgleichen gegenüber stände; hier aber bist du allein und hast außer mir noch zwanzig Asaker gegen dich.«

      »Aber sie sind doch Moslemin?!«

      »Das sind sie allerdings.«

      »So müssen sie doch für mich und nicht für dich sein! Wie kann ein Moslem dulden, daß einem andern Rechtgläubigen von einem Christen mit der Bastonnade gedroht wird, ja, daß dieser sich sogar an ihm vergreift und ihn zu Boden wirft?«

      Da stellte sich Ben Nil vor ihn hin und antwortete an meiner Stelle:

      »Höre, wir haben diesen unsern Effendi von Herzen lieb und sind bereit, für ihn gegen jedermann zu kämpfen. Zehn und hundert Fakire el Fukara wiegen ihn in unserer Achtung nicht auf, und ich sage dir, daß du nicht der erste wärst, der, weil er ihn beleidigte, die Peitsche bekommen hat. Nimm dich also sehr in acht! Die Bastonnade schwebt über deinem Haupte, und bei Allah, wenn du deinen Mund nicht hütest, senkt sie sich augenblicklich auf dich nieder!«

      »Knabe!« fuhr ihn der Fakir an. »Hüte du selbst deine Zunge! Was bist du und was sind zwanzig Asaker gegen die Anhänger, welche zu mir eilen, wenn ich meine Stimme erhebe!«

      »Erhebe

Скачать книгу


<p>11</p>

Asaker ist Plural von Askari = Soldat.