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Im Lande des Mahdi I. Karl May
Читать онлайн.Название Im Lande des Mahdi I
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Der Reïs wagte nicht, zu antworten; er ließ den Kopf sinken.
»Also doch! Ich weiß gar wohl, was sie wollen. Rufe sie sofort, wenn du nicht die Kurbatsche haben willst!«
Er deutete bei diesen Worten auf den einen seiner Begleiter, an dessen Gürtel eine sehr verheißungsvolle Peitsche hing. Der Mann verstand es, gebietend aufzutreten! Der Reïs hatte ihn Sijadetak genannt, ein Wort, welches »Deine Herrlichkeit« bedeutet und in dieser Form nur Respektspersonen gegenüber angewendet wird. Der Alte eilte zur Luke und rief hinab. Nach einiger Zeit erschienen die Verschwundenen und ließen sich in gedrückter Haltung und wohl ebenso gedrückter Stimmung am Maste nieder. Unterdessen hatte der Fremde mir gewinkt, ihm zu folgen. Er stieg hinauf zum Steuer, wo ein Teppich lag, winkte gegen denselben und sagte:
»Setze dich zu mir, denn mir ahnt, daß wir eine Beratung halten werden müssen! Und nimm eine europäische Cigarre von mir an!«
Ich mußte mich an seine rechte Seite setzen, während sein erster Begleiter an seiner Linken Platz nahm. Derselbe war ähnlich, nur aus einfacherem Stoffe gekleidet und trug auch einen Degen. Der Träger der Peitsche blieb seitwärts stehen. Auf einen Wink des Herrn zog er ein Etui aus dem Gürtel und reichte es ihm, nachdem er es geöffnet hatte. Der Gebieter zog zwei Cigarren heraus und reichte mir eine, um die andere für sich zu behalten. Der erste Begleiter bekam keine, und der zweite mußte Feuer geben. Ich kann sagen, daß es ungefähr eine Hundertmarkcigarre, also das Stück zu zehn Pfennigen war. Wie viel aber mochte dieser Ägypter dafür bezahlt haben! Da er mein Gesicht beobachtete, so gab ich demselben den befriedigtsten Ausdruck und ließ mit möglichster Behaglichkeit den Rauch sich mit dem Qualme der Pechpfanne, welche in unserer Nähe stand, vereinigen. Das schien ihn zu erfreuen, denn er fragte im Tone eines Knaben, der einem andern ein Stück Lakritzen oder eine Zuckermandel geschenkt hat.
»Nicht wahr, sie schmeckt?«
»Ausgezeichnet!« erklärte ich.
»Man sagt, der Kuran verbiete die Cigarren. Was sagst du dazu?«
»Er kann sie nicht verboten haben, weil es zur Zeit des Kuran noch keine gegeben hat.«
Er sah mir wunderlich betroffen in das Gesicht und meinte dann:
»Allah! Das ist ja ganz richtig! Nun soll mir wieder einmal einer kommen! Aber der Tabak ist verboten, wie einige Ausleger des Kuran sagen?«
Da er sich in dieser Weise gab, so antwortete ich ganz gemütlich:
»Laß dir nichts weiß machen! Als man drüben in Amerika die Menschen zum erstenmale rauchen sah, waren seit der Hedschra achthundertsiebzig Jahre vergangen.«
»Was du sagst! Du weißt das so genau aufs Jahr! Auch die Hedschra kennst du? Ja, ihr Deutschen wißt alles. Ich habe Deutsche gesehen und gesprochen, welche den Kuran und alle Erklärungen besser, viel besser kannten, als ich selbst. Allah ist groß, und ihr Deutschen seid klug. Hast du den Kaiser von Deutschland gesehen?«
»Oft.«
»Und seinen großen Wessir?«
»Bismarck? Auch.«
»Vielleicht auch seinen berühmten Obergeneral, welcher alle Schlachten gewinnt?«
»Mit diesem habe ich an einem Tische gespeist.«
»Allah! Welch ein glücklich Mensch bist du! So bist du wohl auch ein deutscher Offizier?«
»Nein. Ich schlage keine Schlachten, sondern ich verbrauche möglichst viel Tinte und verderbe jährlich einige hundert Stahlfedern.«
»Ich errate! Du bist ein Gelehrter, vielleicht gar ein Musannif [Schriftsteller], welcher sich hier befindet, um über uns ein Buch zu schreiben?«
»Erraten!« nickte ich.
»Das ist schön! Das ist gut! Das freut mich ungemein! Ich habe auch ein Buch schreiben wollen.«
»Worüber?«
»Über die Sklaverei.«
»Das ist ein hochinteressantes Thema. Hoffentlich wirst du diesen guten Vorsatz zur Ausführung bringen?«
»Ganz gewiß! Es fehlt mir eins, nur eins. Der Titel! Denn schau, der Titel ist der Kopf eines Buches, und wenn der Kopf nichts taugt, so ist der ganze Körper dumm. Aber wo nehme ich einen klugen Titel her! Du bist Fachmann. Vielleicht kannst du mir einen guten Rat erteilen.«
»Nun, es giebt Schriftsteller, welche sehr gute Bücher schreiben, ohne dazu gute Titel zu finden, und umgekehrt giebt es andere, deren Kopf voller vortrefflicher Titel steckt, ohne daß sie eine gescheite Seite fertig bringen.«
»Das mag sein. Wie ist‘s denn bei dir?«
»Wir haben in Deutschland eine Redensart, welche lautet: Rede, wie dir der Schnabel gewachsen ist! Verstehst du das?«
»Ja. Man soll offen und natürlich sprechen.«
»Gerade so schreibe ich.«
»Welchen Titel würdest du mir da raten?«
»Nun zum Beispiel: ›Die Sklavenpest des Sudan‹ oder ›Sklavenmarkt und Menschlichkeit‹.«
Ein anderer wäre über diese Ausdrucksweise wohl stutzig geworden; er aber schlug sich mit der Hand aufs Knie und rief ganz entzückt:
»Ich hab‘s, ich hab‘s! Zwei Titel auf einmal! Und gerade die beiden, die ich auch hatte, die mir nur nicht einfallen wollten. Nun fehlt mir aber noch die Vorrede.«
»Sollte dir nicht auch die Einleitung noch fehlen?«
»Allerdings, denn man kann doch nicht sofort nach der Vorrede beginnen. Und dann die Sklaverei selbst. Was und wie soll ich über sie schreiben?«
»Und dann der Schluß!« bemerkte ich mit großem Ernste.
»Ja. der Schluß ist die Hauptsache, denn wenn der nicht gut ist, so sieht das Buch aus wie ein Pferd ohne Schwanz. Und endlich, wenn ich fertig bin, wer wird es drucken? Weißt du das?«
»Jetzt noch nicht. Wenn wir öfters darüber sprechen könnten, so wäre es möglich, daß mir das Richtige einfiele.«
Wie sonderbar! Vor kurzem noch in Lebensgefahr, saß ich jetzt an derselben Stelle in einer Unterhaltung, welche gar nicht komischer sein konnte. Als dieser Mann bei seiner Ankunft an Bord den Reïs förmlich niederschmetterte, erschien er mir wie ein Pascha mit der höchsten Zahl von Roßschweifen, und nun hörte ich, daß er ein Buch schreiben wolle, zu welchem ihm nicht weniger und nicht mehr als alles fehlte. Sein Auftreten gegen den Reïs hatte mich eine Katastrophe erwarten lassen, und jetzt plauderte er mit mir, als ob es gar keinen Kapitän hier gäbe. Und wie kam dieser Moslem dazu, sich mit der Sklavenfrage beschäftigen zu wollen? Ich hatte nur Scherz getrieben und meine letzten Worte auch nicht im Ernst gemeint; er aber ging sofort auf dieselben ein, indem er ausrief:
»Wer sagt dir denn, daß wir nicht darüber sprechen werden? Du willst nach Siut, und ich muß auch dorthin.«
»Ja, das ist etwas anderes!« meinte ich.
»Wir werden zusammen fahren. Du bleibst nicht auf dieser Dahabijeh.«
»Ich will auch nicht, aber der Reïs weigert sich, mir mein Geld herauszugeben. Ich habe nämlich schon bis Siut bezahlt.«
»Du hast es zurückverlangt? Weshalb? Hast du einen Grund gehabt, dieses Schiff zu verlassen?«
»Hm! Die Rücksicht auf mich verbietet mir, davon zu sprechen!,«
»Warum?«
»Weil ich sonst gezwungen sein würde, hier in Giseh lange zu bleiben, und dazu habe ich keine Zeit.«
»Aber die Rücksicht auf mich gebietet dir, es mir mitzuteilen. Ich habe dich vor dieser Dahabijeh gewarnt, ohne noch zu wissen, daß du schon entschlossen warst, von Bord zu gehen. Ich bin so unhöflich gewesen, dich auszufragen, ohne dir zu sagen, wer und was ich bin. Das muß ich jetzt nachholen. Oder hast du es vielleicht schon selbst erraten?«
Er sah mich von der Seite so gutmütig pfiffig an, daß ich fühlte, ich müsse ihn rasch lieb haben können. Er war kein