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wolltest, so würde ich dich warnen.«

      »Du reitest ja doch wohl selbst?«

      So aufrichtig und ehrlich er mich bisher angeschaut hatte, jetzt bei dieser Frage wurde sein Blick scharf und stechend.

      »Allerdings,« antwortete ich unbefangen.

      »Wann, Effendi?.«

      »Genau um die Mitte des Tages.«

      »Das ist keine gute Zeit. Man soll aufbrechen zur Zeit des Nachmittaggebetes, zwei Stunden vor Sonnenuntergang.«

      »Das tut man in der Wüste, nicht aber hier. Man reitet nicht gern des Nachts durch unbekannte Wälder, zumal die Aladschy in der Nähe sind.«

      »Diese?« fragte er mit ziemlich gut geheucheltem Erstaunen.

      »Kennst du sie?« entgegnete ich.

      Er verneinte kurzweg.

      »Aber du hast von ihnen gehört?« forschte ich weiter.

      »Nur wenig. Der Kasi-Mufti hier sagte mir, daß sie dich überfallen wollen.«

      »Ich habe es erfahren.«

      »Von wem?«

      »Von einem guten Freund. Wenn sie klug sind, so lassen sie ihre Hand von mir, denn ich lasse nicht gern mit mir scherzen.«

      »Ja, das habe ich gehört, Herr,« lächelte er verschmitzt. »Dich und die Deinigen kann keine Kugel treffen.«

      »O, das ist noch nicht alles!«

      »Ja, die Kugel fliegt sogar auf denjenigen zurück, welcher sie abgeschossen hat.«

      Dabei streifte mich sein Blick mit einem listigen Blinzeln, als ob er mir sagen wollte: »Höre, du bist auch nicht auf die Nase gefallen, ebensowenig wie ich; machen wir uns also nichts weis.« Er war klüger als der »Anwalt des Kasagerichtes«. Dieser letztere mochte das Lächeln auch gesehen und richtig gedeutet haben, denn er fragte ihn:

      »Du willst es wohl nicht glauben, Toma?«

      »O, wenn der Effendi selbst es sagt, muß man es doch glauben!«

      »Das rate ich dir auch. Daran zu zweifeln, wäre eine Beleidigung; du aber bist stets ein höflicher Mann gewesen.«

      »Ja, Allah weiß es. Darum denke ich, der Effendi wird auch ein wenig höflich sein und es uns beweisen, daß er kugelfest ist.«

      Halef hatte ihn und mich beobachtet. Es war seine Gewohnheit, wenn wir auf einen Menschen trafen, stets in meinem Gesicht zu lesen, wie ich von demselben denke. Jedenfalls sah er es mir jetzt an, daß ich diesem Botenmann keine Freundschaft entgegenbrachte, denn er legte die Hand an den Griff seiner Peitsche und sagte:

      »Mann, willst du etwa unsern berühmten Emir belehren, wie er die Höflichkeit üben soll? Wenn du meinst, dies tun zu dürfen, so bin ich bereit, dir sämtliche Paragraphen des Höflichkeitsgesetzes mit dieser Peitsche auf den Rücken zu schreiben. Du wärst mir derjenige Frosch, von welchem wir uns anquacken lassen!«

      Er war aufgestanden und machte einige drohende Schritte auf den Mann zu. Dieser wich schleunigst bis an die Türe zurück und rief:

      »Dur, dur, ej hadschijim – bleib‘ stehen, bleib‘ stehen, o Hadschi! Es ist mir ja nicht eingefallen, euch ein Gebot zu geben. Laß deine Peitsche im Gürtel! Ich habe kein Verlangen, eine Brüderschaft mit ihr zu schließen.«

      »Dann verhalte dich so, daß wir zufrieden mit dir sein können. Wir sind Kinder des einzigen Propheten und Söhne des Padischah und lassen uns nichts gefallen von einem, welcher den Namen Toma führt; denn so kann nur ein Ungläubiger heißen, der von den Wassermelonen des Moslem nur die Schalen essen darf. Uebrigens werden wir euch beweisen, daß wir euch keine Unwahrheit sagten, sondern daß von uns Zeichen und Wunder verrichtet werden, über welche ihr die Maulsperre bekommen werdet. Effendi, wollen wir es tun?«

      »Ja, Halef, wenn es dir recht ist.«

      »Mir ist es recht. Laß uns hinaus in den Hof gehen!«

      Als wir hinaus kamen, war der Hof ganz mit Menschen angefüllt, welche neugierig des Wunders harrten, welches von dem Kasa-Mufti verheißen worden war. Diejenigen, an denen wir vorüber kamen, staunten uns mit weit aufgerissenen Augen an, und die ferner stehenden streckten die Hälse, um jede unserer Bewegungen zu sehen.

      Der kleine Hadschi ergriff die Peitsche und schaffte durch rechts und links ausgeteilte Hiebe eine freie Bahn, welche auf einen kleinen Schuppen mündete.

      »Sihdi, gibst du mir die Kugeln?« fragte er mich dann leise.

      »Nein; denn ich will ganz sicher gehen, um einen Unfall zu verhüten. Zuerst nehmen wir eine wirkliche Bleikugel. Rede du mit den Leuten. Du besitzest ein größeres Rednertalent als ich.«

      Er fühlte sich durch dieses Lob außerordentlich geschmeichelt. Seine Gestalt streckte sich, und seine laute Stimme erscholl:

      »Ihr Leute und Männer von Ostromdscha, ihr sollt jetzt das unverdiente Glück haben, vier tapfere Männer zu sehen, durch deren Körper keine feindliche Kugel dringen kann. Oeffnet eure Augen und strengt euer Gehirn an, damit euch nichts von dem Wunder entgehe und ihr es erzählen könnt euren Kindern, Kindeskindern und Enkelskindern der entferntesten Urenkel, wenn ihr dann noch lebt. Haltet gute Ordnung und macht keinen Lärm, damit keine Störung entstehe, und sendet mir jetzt den Mann, den ihr für den besten Schützen haltet, mit seiner Flinte her.«

      Es entstand ein halblautes Murmeln. Man suchte nach einem solchen Mann, und endlich trat einer vor, welcher sein Gewehr in der Hand hatte. Sonst sah ich überhaupt keinen, der mit einer Flinte bewaffnet war.

      »Ist dein Gewehr geladen?« fragte ich ihn laut.

      »Ja,« antwortete er.

      »Hast du mehrere Kugeln bei dir?«

      »Nein, Herr.«

      »Es schadet nichts, ich werde dir von den meinigen geben. Aber vorerst mußt du uns zeigen, daß du ein tüchtiger Schütze bist. Siehst du das neue Brett, welches man da an den Schuppen genagelt hat? Es ist ein Ast darin. Versuche einmal, denselben zu treffen.«

      Der Mann trat zurück, legte an und schoß. Mehrere der Anwesenden sahen nach und fanden, daß er das Ziel nur um einen halben Zoll gefehlt hatte.

      »Das ist nicht ganz gelungen,« sagte ich. »Versuche es noch einmal.«

      Ich gab ihm eine der neugegossenen Bleikugeln. Osko lieferte die Munition dazu. Der zweite Schuß war besser: der Mann hatte jetzt sorgfältiger gezielt. Ich gab ihm nun drei der andern Kugeln, nahm heimlich eine Bleikugel in die rechte Hand und sagte:

      »Nun versuche, ob du in das Loch treffen kannst, welches du soeben in das Brett geschossen hast. Zeige aber vorher diesen Leuten die Kugeln, damit sie sich überzeugen, daß du richtig ladest.«

      Die Kugeln gingen von Hand zu Hand, was einige Zeit in Anspruch nahm, da ein jeder sie sehen und befühlen wollte. Als er sie zurückerhalten hatte, lud er seine Flinte.

      »Tritt näher!« gebot ich ihm, indem ich ihn weiter nach dem Ziel hinschob. »Jetzt kannst du schießen.«

      Bei diesen Worten stellte ich mich an das Brett. Er ließ das erhobene Gewehr wieder sinken.

      »Herr,« sagte er, »wie kann ich denn so das Brett treffen?«

      »Warum denn nicht?«

      »Du stehst mir ja im Wege!«

      »Das tut nichts.«

      »Du hast grad deine Brust vor meinem Ziel.«

      »So schieße hindurch.«

      »O, Herr, dann bist du tot!«

      »Nein. Ich will euch ja zeigen, daß die Kugel mich nicht treffen darf.«

      Er fuhr mit der Hand an den Kopf, um sich verlegen hinter dem Ohr zu kratzen.

      »Das ist es ja eben!« meinte er. »Die Sache ist sehr gefährlich für mich.«

      »Wieso?«

      »Die Kugel wird von dir abprallen und dann mir durch die Brust gehen.«

      »Sei

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