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fort. Die beiden Knechte behaupteten, daß sie auf dieselbe unerklärliche Weise verschwunden seien wie die vier Verbrecher.

      »Jetzt wollen wir sehen, ob wir das Geld und den Kaftan des Kodscha Bascha finden,« sagte ich zu dem Anwalt.

      »Wo willst du es suchen?«

      »Bei seiner Frau.«

      »Die wird leugnen.«

      »Wir wollen es abwarten. Es kommt sehr viel auf den Ton an, in welchem man spricht. Komm mit herein!«

      Wir beide traten in das Innere des Hauses, wozu wir bis jetzt niemand die Erlaubnis gegeben hatten, natürlich dem Besitzer schon gar nicht. Der Anwalt kannte die Oertlichkeit. Er tappte im Finstern voran und stieß dann eine Türe auf. Diese führte in eine kleine Stube, welche einen Tisch und einige Holzstühle enthielt. Längs der einen Wand lag ein langes Polster für diejenigen Personen, welche beliebten, sich nach orientalischer Weise zu setzen.

      Auf dem Tisch stand eine Tonlampe, und neben demselben saß ein altes Weib.

      »Das ist die Frau,« sagte mein Begleiter.

      Ihr Gesicht war ängstlich auf uns gerichtet. Ich trat zu ihr, ließ den Gewehrkolben dröhnend auf den Boden niederfallen und fragte in meinem barschesten Ton:

      »Jaschly kaftani senin kodschanün werde – wo ist der alte Kaftan deines Mannes?«

      Wenn sie bereit gewesen war, zu leugnen, so hatte mein Ton sie ganz verblüfft; denn sie antwortete, nach einer zweiten Türe deutend:

      »Sandykda – in der Kiste.«

      »Onu getir- bringe ihn!«

      Sie ging zu dieser Türe hinaus. Ich hörte einen Holzdeckel klappern, dann kam sie wieder und brachte das geforderte Kleidungsstück. Ich nahm es ihr aus der Hand und entfaltete es. Ein Stück des linken Brustteiles fehlte, und als ich den abgerissenen Fetzen aus der Tasche zog und an den Riß legte, paßte er ganz genau an die Stelle. Die Frau beobachtete unsere Bewegungen mit angstvollen Blicken. Sie war ganz sicher in alles eingeweiht.

      »Getir aktscheji – bringe das Geld,« befahl ich ihr in demselben barschen Ton.

      »Ne asl aktscha – welches Geld?« fragte sie zögernd.

      »Dasjenige, welches dein Mann vorhin von dem Mübarek bekommen hat. Wo ist es? Schnell!« antwortete der Anwalt.

      Er gab sich dabei Mühe, einen eben solchen Ton anzunehmen, wie der meinige gewesen war. Sie wurde auch wirklich so eingeschüchtert, daß sie zitternd gestand:

      »Auch in der Kiste.«

      »Her damit!«

      Sie ging wieder in die dunkle Kammer, aber diesmal dauerte es länger bis sie zurückkehrte. Das Geld war tief in der Kiste versteckt worden. Man hatte es in ein altes, zerrissenes Turbantuch gewickelt. Der Anwalt zählte es, und es stimmte auf die Summe, welche die Pflanzensucherin mir genannt hatte.

      »Was soll damit geschehen?« fragte er.

      »Das mußt du wissen,« erwiderte ich.

      »Ich konfisziere es.«

      »Natürlich. Du hast es dem Obergericht einzusenden.«

      »Gewiß, und das soll geschehen, sobald der Morgen angebrochen ist. Gehen wir nun wieder hinaus?«

      »Nein; ich habe erst noch ein Wort mit dieser Frau zu reden, der es sehr schlimm ergehen wird, wenn sie mir die Wahrheit nicht sagt. Die Bastonnade ist für ein Weib in diesem Alter eine lebensgefährliche Sache.«

      Da sank sie auf den Boden nieder, hob die Hände empor und rief:

      »Nicht die Bastonnade, nicht die Bastonnade, großer, berühmter, gnädiger Effendi! Ich sehe ja, daß alles verraten ist, und werde keine Unwahrheit sagen.«

      »So stehe auf! Man darf nur vor Allah knieen. Nicht wahr, dein Gemahl hat die vier Männer fliehen lassen?«

      »So ist es.«

      »Und ihnen dazu seine Rappen gegeben?«

      »Ja, alle vier.«

      »Wo sind sie hin?«

      »Nach – nach – — nach Radowitsch.«

      Da sie stockte, vermutete ich, daß sie jetzt nur teilweise gestand. Darum gebot ich ihr:

      »Sage alles! Warum verschweigst du mir die übrigen Orte? Wenn du nicht aufrichtig bist, werde ich dennoch die Bank hereinbringen und dich von den Mägden peitschen lassen müssen.«

      »Herr, ich will es sagen. Sie sind nach Radowitsch und wollen von da weiter nach Sbiganzy.«

      »Etwa zum Fleischer Tschurak, der dort wohnt?«

      »Ja, zu diesem.«

      »Und dann nach der Schluchthütte?«

      »Herr, du kennst sie?«

      »Antworte!«

      »Ja, sie wollen dorthin.«

      »Und dann weiter?«

      »Das weiß ich nicht.«

      »Was wollen sie dort?«

      »Auch das habe ich nicht erfahren. Mein Mann sagt mir solche Dinge nicht.«

      »Aber er kennt den Schut?«

      »Vielleicht; ich weiß es nicht.«

      »Er hat aber mit dem alten Mübarek stets Heimlichkeiten getrieben?«

      »Was sie getrieben haben, das erfuhr ich nie; aber er war oft oben auf dem Berg, und der Mübarek kam des Nachts zu uns.«

      »Hast du die Gefangenen heute betrachtet?«

      »Ich habe sie gesehen.«

      »Kanntest du sie?«

      »Nur einen von ihnen, der früher zuweilen hier war.«

      »Welchen? Wohl Manach el Barscha?«

      »Ich weiß seinen Namen nicht. Er ist Einnehmer der Charadschsteuer in Uesküb gewesen.«

      »So war er es. Was weißt du sonst noch von dieser Angelegenheit?«

      »Nichts, gar nichts, Effendi. Ich habe dir alles gesagt, was ich selbst weiß.«

      »Ich sehe dir an, daß du die Wahrheit sprichst, darum will ich dich nicht weiter quälen. Aber vielleicht hast du schon einmal den Namen »Aladschy« gehört?«

      »Auch nicht.«

      »Effendi,« meinte der Anwalt, »was ist‘s denn mit diesen?«

      »Kennst du sie?«

      »Nein, aber ich hörte von den beiden reden.«

      »Also zwei sind es? Was hast du über sie vernommen?«

      »Es sind die schlimmsten Skipetaren, die es gibt; zwei Brüder in riesiger Gestalt, deren Kugeln niemals fehl gehen und deren Messer stets die Stelle treffen, nach welcher sie gerichtet sind. Ihre Heiduckenbeile sollen entsetzliche Waffen sein. Sie schleudern dieselben so weit, wie eine Kugel fliegt, und treffen damit so sicher den Nacken desjenigen, dem sie den Wirbel brechen wollen, als ob der Scheïtan selbst die Beile geworfen habe. Und auch im Gebrauch der Schleuder hat es ihnen noch niemand gleich getan.«

      »Wo ist ihr Aufenthalt?«

      »Sie sind überall, wo es gilt, einen Mord oder Raub zu verüben.«

      »Waren sie schon einmal hier?«

      »In Ostromdscha selbst noch nicht, aber in der Umgegend. Erst kürzlich sollen sie in der Gegend von Kodschana gesehen worden sein.«

      »Das ist ja gar nicht weit von hier. Ich glaube, man muß diesen Ort wohl ungefähr in fünf Stunden zu Pferd erreichen können.«

      »Es scheint, daß du unsere Gegend sehr genau kennst?«

      »O nein, ich schätze nur so ungefähr. Woher die beiden Brüder stammen, weißt du wohl nicht?«

      »Man sagt, sie seien oben von Kakandelen her, von den Bergen des Schar Dagh herab, wo die eingefleischten Skipetaren wohnen.«

      »Und

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