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Die Sklavenkarawane. Karl May
Читать онлайн.Название Die Sklavenkarawane
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Schweig!« rief ihm der »Vater der elf Haare« zu. »Es ist höchstens ein junger Löwe. Ein alter wäre längst schon zwischen uns. Dieses junge Tier aber hat eine ungeübte Nase und wird, sobald es uns erblickt, es gar nicht wagen, zu uns zu kommen.«
»Ein Junges?« fragte Schwarz. »Das möchte ich fangen!«
»Wenn du es haben willst, so wollen wir versuchen, es in unsre Hände zu bekommen. Aber wir müssen dennoch vorsichtig sein, denn wir wissen nicht, wie alt es ist. Vielleicht ist es nur eine Hyäne, welche den Geruch des frischen Löwenfleisches wittert.«
»Ich werde nachsehen.«
Er nahm sein Gewehr und verließ das Feuer. Noch aber hatte er den Lichtkreis desselben nicht überschritten, so kam das Tier um die Ecke des Gebüsches. Es hatte ungefähr die Größe eines tüchtigen Pudelhundes, war also schon im stande, sich nachdrücklich zu wehren. Es floh nicht etwa, als es den Deutschen erblickte, sondern es legte sich glatt auf die Erde nieder und fauchte ihn wütend an, ohne aber zu wagen, auf ihn einzuspringen.
»Da ist das Tier!« rief Schwarz. »Decken her, schnell mehrere Decken her!«
Hadschi Ali und der Slowak, die beiden Einzigen, welche sich nicht fürchteten, folgten diesem Rufe möglichst schnell. Das Tier war schon zu groß zur feigen Flucht, wagte aber doch den Angriff nicht. Also blieb es liegen, indem es die glühenden Augen auf Schwarz gerichtet hielt. Diesem wäre es leicht gewesen, es durch eine Kugel zu töten, aber er wollte es lebendig haben. Er langte hinter sich, um die beiden Decken in Empfang zu nehmen, welche die Genannten brachten. Sie bestanden aus starkem, kamelhaarenem Stoffe, welcher, doppelt genommen, den Krallen und Zähnen des Tieres für kurze Zeit widerstehen konnte. Schwarz legte, die Augen unausgesetzt auf den Löwen gerichtet, die Decken aneinander, spannte sie aus und warf sie auf den jungen »Herrn mit dem dicken Kopfe«.
Dieser hatte keine Bewegung der Abwehr gemacht. Die plötzliche Verhüllung schien ihn zu erschrecken, denn er zögerte, sich zu befreien. Dadurch gewann Schwarz Zeit, sich auf ihn zu werfen und ihn mit dem Gewichte seines Körpers niederzuhalten.
Leicht wurde ihm das freilich nicht. Der Löwe entwickelte eine Muskelstärke, welche seiner Jugend kaum zugetraut werden konnte. Es gelang ihm wiederholt, sich halb aufzurichten, doch Schwarz drückte ihn wieder nieder, eifrig bemüht, dem Kopfe und den Tatzen auszuweichen.
»Stricke her, Stricke!« rief er den beiden Genossen zu.
Man hatte vieler Schnüren und Riemen bedurft, die Gefangenen zu fesseln; glücklicherweise aber ist jede Karawane stets reichlich mit Stricken und dergleichen versehen. Das Verlangte wurde rasch herbeigebracht, und es gelang den vereinten und natürlich sehr vorsichtigen Bemühungen der drei Männer, das sich aus allen Kräften sträubende Tier vollständig einzuwickeln und so fest mit den Stricken zu umwinden, daß es sich nicht mehr regen konnte.
»Hamdulillah – Preis sei Gott!« rief Hadschi Ali. »Wir haben den Würger der Herden nebst seiner Frau erschossen und nun auch seinen Sohn besiegt. Da liegt er in schmachvoller Ohnmacht; er kann nur knurren, aber nicht sich retten. Aaïb aaleïhu – Schande über ihn!«
»Allah sei Dank!« seufzte der Schech erleichtert auf. »Wir sind gerettet. Er ist gebunden und kann uns nun nicht fressen!«
»Dir wäre besser, er hätte dich verschlungen,« antwortete ihm der Ungar, »denn morgen überantworten wir dich dem Mudir, der dir fünfhundert geben lassen wird. Dann wirst du einsehen, daß die Zähne des Löwen gnädiger sind als die Peitsche der Gerechtigkeit.«
»Ich bin ein freier Ibn el Arab! Wer darf mich schlagen?« widersprach der Homr.
»Wie nennst du dich? Frei? Siehst und fühlst du denn nicht, daß du gefangen bist? Wer könnte uns hindern, dir so viele Schläge zu geben, wie uns beliebt? Du hättest es verdient; aber wir sind zu stolz, es zu thun. Doch morgen wird die Peitsche sich mit deiner Haut unterreden, bis du wünschen wirst, von dem Löwen zerrissen worden zu sein.«
Das gefangene Tier wurde am Feuer niedergelegt, wo es am besten bewacht werden konnte. Es lag wie tot und gab keinen Laut von sich.
»Der Löwe seinte Ihr Eigentum,« sagte der Slowak zu Schwarz. »Zwar hatten wir geholfte, aber Sie seinte es, der ihn vorrrrher gefangte hatt. Was werden Sie mit ihm machte?«
»Ich will meine Sammlungen von Faschodah aus nach Chartum senden, wo ich einen Freund habe, welcher sie nach der Heimat expediert. Ihm werde ich auch den Löwen schicken. Vielleicht gelingt es, ihn lebendig nach Deutschland zu bringen.«
»Dort wird er wohl kommte in eine Menagerie, botanische?«
»Nein, sondern in eine Menagerie, zoologische,« lachte Schwarz.
»So seinte Zoologie wohl in Menagerie und Botanik nur in Löwenhaus, tiergartentliches?«
»Auch das Löwenhaus dient zoologischen Zwecken, mein lieber Stephan. Da Ihr Name Stephan Pudel ein zoologischer ist, sollten Sie sich einer solchen Verwechselung doch nicht schuldig machen!«
»Gibt es nicht auch Pudel, botanische?«
»Ja, aber die werden nur von Ihnen geschossen, wie es scheint. Sie haben sogar schon astronomische Pudel geschossen, wie ich mich entsinne. Sehen Sie gen Himmel! Ihre Straße, milchigte, beginnt zu erbleichen und die Sterne des Schlangenträgers verschwinden am Horizonte. Da wir im Monate März stehen, ist dies ein Zeichen, daß der Morgen sich naht. Wir können bald das Feuer ausgehen lassen und uns zum Aufbruche rüsten.«
»Das hab‘ ich auch gewüßte, denn ich hatt‘ alle Sternte kennte gelernt. Wie aber wernte wirrrr die Gefangte transportierte?«
»Sehr einfach. Wir binden sie auf die Kamele, deren wir genug haben, da wir fünf erbeuteten.«
»Aber von gefangte Gum sind sechs Männer. Da fehlt ein Kamel, reitendes!«
»So mag der Schech laufen. Er hat es reichlich verdient, daß er sich anstrengen muß.«
Nach einiger Zeit trat die in jenen Gegenden sehr kurze Dämmerung ein; dann wurde es Tag.
Während die Dschelabi den Zug rüsteten, brach Schwarz dem Löwen und der Löwin die Zähne aus, um dieselben als Trophäen mitzunehmen. Dann wurde aufgebrochen.
Die Araber waren wütend darüber, daß es ihnen, da sie gefesselt waren, nicht möglich gewesen war, el Fagr, das Morgengebet, in der vorgeschriebenen Weise abzuhalten. Sie waren gewöhnt, ihre religiösen Obliegenheiten streng zu erfüllen, wegen Raub und Mord aber machten sie sich kein Gewissen. Sie saßen gebunden auf den Kamelen, nur der Schech mußte gehen, was ihn mit ohnmächtiger Wut erfüllte. Dem Verwundeten bereitete der Transport große Schmerzen. Er wimmerte und stöhnte fast ununterbrochen, doch war es unmöglich, ihn in einer weniger schmerzhaften Weise fortzubringen.
Die Gegend war durchweg eben. Je mehr man sich dem Flusse näherte, desto feuchter wurde die Luft und desto dichter hatte sich infolgedessen die Erde mit Gras überzogen. Man näherte sich den Ansiedelungen der Schillukneger, denen man gern ausgewichen wäre, einesteils weil sie als Diebe und Räuber verschrieen sind, und andernteils wegen der Gefangenen, da sie mit den Homr in Blutrache leben. Es stand zu befürchten, daß sie sich derselben mit Gewalt bemächtigen würden, um sie umzubringen. Leider war eine Begegnung mit ihnen nicht ganz zu umgehen, da sie das linke Ufer des Bahr el Abiad von dessen Nebenflusse Keilak bis hinab nach Makhadat el Kelb bewohnen, und zwar in so dicht aneinander liegenden Dörfern, daß die Reihe derselben fast gar keine Unterbrechung erleidet.
Glücklicherweise kannten die Dschelabi die Gegend genau, und der »Vater der elf Haare« versicherte, daß er die Karawane, wenn man ihm folge, zwar nicht unangefochten, aber doch unbeschädigt nach Faschodah bringen werde.
Seiner Weisung zufolge wurde ein Umweg gemacht, um einige dicht bevölkerte Dörfer zu vermeiden. Zur Mittagszeit gönnte man den Tieren und Menschen einige Ruhe. Die ersteren mußten später sehr angestrengt werden, da man, um den Schilluk keine Zeit zu Feindseligkeiten zu lassen, ihr Gebiet in schnellster Gangart zu durchqueren hatte. Erst nach dem Asr wurde