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Die Sklavenkarawane. Karl May
Читать онлайн.Название Die Sklavenkarawane
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Ja, ein Effendi.«
Er sagte das in ziemlich wegwerfendem Tone.
»Der Effendi gibt es sehr verschiedene,« erklärte Schwarz. »Es stehen Hunderte von Effendis unter mir, deren niedrigster weit mehr ist und weit mehr weiß, als du weißt und bist. Der vornehmste der Sieger bin also ich! Und übrigens hast du nicht das geringste Recht, dich Sieger zu nennen. Von deinem Mute und deinen Thaten wird niemand singen und erzählen. Du schimpfest diese Tiere, aber was ist dein Mut gewesen, verglichen mit dem ihrigen! Als du ihre Stimme hörtest, wolltest du fliehen.«
»Das war Scherz. Ich bin doch geblieben.«
»Ja, als ich dir sagte, daß die Flucht gefährlich werden könne, und weil du hörtest, daß ich mit dem Löwen kämpfen wolle. Als dann der Herr mit dem dicken Kopfe kam, hast du dich mit den Deinigen verkrochen, und selbst dann, als die Tiere tot waren, hast du dich erst dann in ihre Nähe gewagt, als das Feuer wieder brannte und du dich überzeugt hattest, daß die Gefahr vorüber sei.«
»Effendi, willst du mich beleidigen?«
»Nein; ich will dich nur vor Überhebung warnen und vor unrechtlichen Eingriffen in das Eigentum andrer. Es sind nur drei, denen diese Löwen gehören, die drei, welche gekämpft haben, nämlich ich, Hadschi Ali und Ibn el dschidri. Kein andrer hat etwas mit den Trophäen zu schaffen.«
»Das dürfen wir andern nicht zugeben. Magst du ein Effendi aller Effendis sein, du bist doch nur ein Giaur, der kein Recht unter uns besitzt. Wir sind Moslemim und nehmen die Felle. Und weigerst du dich, so – — —«
Er hielt inne.
»So – — – nun, was wird dann?«
»So werden wir dich zwingen!« antwortete der Schech in drohendem Tone, indem er eine Bewegung mit der Hand machte, in welcher er das Messer noch hielt.
Da trat Schwarz nahe an ihn heran, legte ihm die Hand auf die Achsel und sagte:
»Ihr habt euch vor dem Löwen versteckt, und wir haben ihn besiegt. Meinst du wirklich, daß wir uns vor euch fürchten, die Angst vor dem hatten, den wir erlegten? Wenn ihr nicht augenblicklich die Messer einsteckt, so schieße ich euch sofort nieder!«
Er zog einen Revolver hervor, und in demselben Momente verschwanden alle Messer.
»Und noch etwas will ich dir sagen,« fuhr er fort, »du hältst deine Religion für die richtige und ich die meinige. Jeder hat das Recht und sogar die Pflicht, dies zu thun; darum versuche ich es nicht, deine Meinung zu bekämpfen, am allerwenigsten aber werde ich dich ob derselben schmähen. Dasselbe kann und muß ich auch von dir verlangen. Nennst du mich noch einmal einen Giaur, so beantworte ich diese Beleidigung damit, daß ich dir meine Kamelpeitsche über das Gesicht ziehe und du die Narbe dann zeitlebens zu deiner Schande zu tragen hast! Verlasse dich darauf; ich halte mein Wort!«
Einem Beduinen Schläge anzubieten, ist die denkbar größte Beleidigung. Der Schech fuhr zurück; seine Leute murrten.
»Effendi,« rief er. »Weißt du, was du sagst?«
»Ja, ich weiß es, und was ich sage, das thue ich auch. Du nanntest mich Giaur, und ich drohte dir dafür mit der Peitsche. Wir sind also quitt. Sorge nun dafür, daß die Rechnung nicht wieder von neuem beginnt, und wage es nicht, diese Löwen, an denen du keinen Anteil hast, wieder anzurühren! Wir werden sie hinüber zu unsern Feuern schaffen; ihr mögt hier bei dem eurigen bleiben, wie es vorher gewesen ist, ehe euch die Angst von demselben verscheuchte.«
Mußte schon die hohe, breite Figur des Deutschen den schmächtigen Arabern imponieren, so gab sein Auftreten ihnen überdies zu erkennen, daß er ihnen nicht nur körperlich überlegen sei. Keiner von ihnen wagte, noch ein Wort zu sagen. Sie zogen sich zurück, bis der Platz am Feuer frei war; dann setzten sie sich an dasselbe nieder. Was sie dort leise sprachen, hörten die andern nicht; aber die Blicke, welche sie nach dem zweiten Lagerplatze warfen, ließen vermuten, daß sie über kein freundliches Thema verhandelten.
Die acht Dschelabi, welche sich zu Schwarz hielten, mußten alle ihre Kräfte anstrengen, die beiden Löwen die kurze Strecke hinüberzuschleifen. Dort wurden den Tieren die Häute abgezogen. Während dieser Arbeit und dann, als die Wunden genau untersucht wurden, stellte es sich heraus, welche tödlich gewesen war.
Die erste Kugel des Deutschen war dem Löwen durch das Auge in das Gehirn gedrungen; die zweite hatte ihren Lauf nahe am Herzen vorüber genommen. Diese letztere hätte den spätern Tod des Tieres zur Folge gehabt, während die erste schnell und absolut tödlich gewesen sein mußte. Das Fell gehörte also Schwarz.
Nun kam aber der Umstand, daß der Löwe sich die Lanze so tief in den Leib gestoßen hatte, daß die Spitze derselben am Rückgrat steckte. Der Schaft war einige Zoll unter der Haut abgebrochen. Auch diese Wunde hätte, wenn auch vielleicht erst nach Viertelstunden, den Tod herbeiführen müssen. Schwarz hatte das Vorrecht auf die Trophäe, weil seine Kugeln eher als die Lanze in den Leib des Löwen gedrungen waren, aber der brave »Vater des Gelächters« war gewiß auch einer Belohnung wert.
Was die Löwin betrifft, so war ihr die erste Kugel in das Gebiß gegangen, durch die Zunge und seitwärts oberhalb des ersten Halswirbels durch das Hinterhauptbein gedrungen. Diese Wunde war tödlich, wenn auch nicht sofort. Die zweite Kugel hatte die Lunge durch bohrt und sich an einem der letzten Brustwirbel platt geschlagen. Nach diesen beiden Schüssen hätte das Tier nicht mehr fünf Minuten zu leben vermocht.
Die »viertelpfündige« Kugel des »Vaters der elf Haare« war durch das Gehirn gegangen und hatte die fünf Minuten bis auf eine abgekürzt. Auch dieses Fell gehörte eigentlich dem Deutschen.
Hadschi Ali und Stephan Pudel gaben das zu, aber mit sichtbarem Bedauern. Sie hätten gar zu gern auch Teil an den Fellen genommen. Darum sagte Schwarz:
»Jedes der Tiere hat drei Wunden, zwei von mir und eine von euch. Nehmen wir also an, daß zwei Drittel von jedem Felle mir gehören, so würde das eine schlimme Teilung ergeben. Ich will also meine Ansprüche ermäßigen und nur die Hälfte nehmen: Der Löwe ist für mich und die Löwin für euch. So bekommt jeder von euch ein halbes Fell, also mehr, als er eigentlich zu fordern hat, und die Teilung ist bequem, wenn ihr die Haut quer oder lang in zwei Teile schneidet. Seid ihr zufrieden?«
»Sehr gern,« antwortete der Slowak. »Ich nehme den Kopf und Hadschi Ali erhält den Schwanz.«
»Den mag ich nicht,« erklärte dieser. »Warum willst du den Kopf?«
»Weil ich in den Kopf geschossen habe.«
»Allah! Habe ich den Löwen etwa in den Schwanz gestochen? Wir schneiden das Fell lang durch, so bekommt jeder einen halben Kopf und einen halben Schwanz.«
Das wollte Stephan nicht zugeben. Sie stritten sich hin und her, bis Schwarz fragte:
»Was wollt ihr denn mit den Fellen machen?«
»Ich kleide mich in meine Hälfte,« erklärte der »Vater des Gelächters«.
»Ich in die meinige auch,« antwortete der Sohn der Blattern.
»So dürft ihr nicht nach der Länge teilen, weil die Hälften dann unbequem zu tragen wären. Schneidet quer, und dann mag das Los entscheiden, wer die vordere und wer die hintere Löwin erhält.«
Dieser Vorschlag wurde angenommen, und das Fell sofort zerschnitten. Das Los zeigte sich dem Slowaken günstig, er erhielt die Kopfhälfte.
»Das ist gut,« lachte er fröhlich. »Ich habe, was ich wollte. Du bist nun nicht mehr bloß der ‚Vater des Gelächters‘, sondern wir werden dich von nun an auch ‚Abu ed daneb, Vater des Schwanzes‘, nennen.«
Hadschi Ali wollte ein bitterböses Gesicht machen, was die Folge hatte, daß er wie toll zu lachen schien. Er breitete seine hintere Hälfte aus und zog das Messer, um die Fleischteile abzuschaben und die Innenseite mit Asche einzureiben. Dabei antwortete er:
»Und dich können wir ‚Abu el buz, Vater des Maules‘ heißen, denn du hast das Maul erhalten, obgleich das deinige bereits so groß ist, daß du es gar nicht zu schließen vermagst und es nur immer offen hast, um andre zu beleidigen. Hättest du so