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kam, ließ er sich einigemale wieder niederfallen. Der Indianer sagt, wenn der Bär sich während einer solchen Zwischenpause aufrichtet: »Er horcht in den Magen hinab.« Der Augenblick dieses Horchens ist der geeignetste zum Schuß. Ich legte an.

      Nun war die Gestalt des Tieres leicht zu erkennen. Der Bär war, wie wir richtig vermutet hatten, ein riesiger Kerl. Wären seine Gesellschaftskreise so weit in der sozialen Bildung vorgeschritten, um dergleichen Vereine zu haben, so hätte er getrost darauf rechnen können, die Ehrenmitgliedschaft irgend eines Athletikklub zu erlangen. Aber trotz der Deutlichkeit, mit welcher er sich uns jetzt präsentierte, legte ich die Büchse wieder ab.

      »Allah, Allah! Schieß doch, schieß!« fuhr Halef mit fast lauter Stimme mich an.

      »Leise, leise! Er hört dich sonst!«

      »Aber warum schießest du nicht?«

      »Siehst du denn nicht, daß er uns den Rücken zukehrt?«

      »Was schadet das?«

      »Der Schuß ist mir nicht sicher genug. Der Bär äugt nach dem Hause hinüber. Sollte er unsere Pferde wittern? Sehr leicht möglich. Er hat sich von dem Mahl da abgewendet. Das ist bedenklich. Wir müssen warten, bis er sich wieder herumdreht; dann . — — tausend Donner! Was fällt dir ein!«

      Diesen Zornesruf stieß ich laut hervor. Der Hadschi hatte seine Ungeduld nicht mehr zu zügeln vermocht; er hatte so schnell, daß ich es nicht hindern konnte, angelegt und den Schuß abgegeben. Den zweiten schickte er sofort nach, aber nur unsinnigerweise, denn die soeben noch aufgerichtete Gestalt des Tieres war nicht mehr zu sehen.

      Ohne auf den Ausbruch meines Zornes zu achten, sprang der Kleine auf, schwang das abgeschossene Gewehr in der Luft und schrie:

      »Nusret, Safer, ölmisch dir, müteweffa dir — Sieg, Triumph, er ist tot, er ist hinüber!«

      Ich langte empor, packte ihn beim Gürtel und riß ihn nieder.

      »Willst du schweigen, Unglücksrabe! Du hast den Bär verscheucht.«

      »Verscheucht?« rief er, indem er sich von meinem Griff zu befreien suchte. »Erlegt habe ich ihn, überwunden ist er. Ich sehe ihn ja liegen.«

      Und sich gewaltsam von mir losreißend, sprang er wieder auf und schrie mit aller Macht seiner Stimme:

      »Omar, Osko, hört die Wonne, hört die Seligkeit! Vernehmt den Ruf eures Freundes und achtet auf die Trompetentöne meiner Herrlichkeit! Ich habe den Bären erschossen, ich habe ihn versammelt zu seinen Vätern und Großonkeln, ich, Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abas Ibn Had — — «

      Er konnte nicht weiter, denn ich war nun auch aufgesprungen, packte ihn hinten beim Genick und drückte ihn nieder. Ich war wirklich sehr zornig und hatte infolgedessen so fest zugegriffen, daß er unter meiner Hand wie ein Gliedermännchen zusammenknickte.

      »Wenn du noch einen Laut von dir gibst, bekommst du meine Faust, du Besitzer eines unglückseligen Schafgehirns!« drohte ich. »Bleibe hier oben, und lade schnell deine beiden Gewehrläufe wieder. Ich will sehen, ob die Beute noch für uns zu retten ist.«

      Bei diesen Worten sprang ich, ohne auf meinen noch nicht ganz festen Fuß zu achten, von dem Stein herab. Da unten duckte ich mich schnell wieder, zog das Messer locker und legte die Büchse an. War der Bär noch da, so nahm er mich jedenfalls auf der Stelle an. Von oben herab klang der eiserne Ladstock des Hadschi, unten aber blieb alles ruhig. Es war nichts zu hören und nichts zu sehen. Nur so viel nahm ich wahr, daß der Bär sich nicht mehr bei dem Kadaver befand.

      Dennoch war die größte Vorsicht geboten. Seinem Alter war die Schlauheit zuzutrauen, sich nicht direkt auf mich loszustürzen, sondern heimlich um den Stein herumzuschleichen. Das wäre gefährlich für mich gewesen, denn wenn er um die Ecke kam, so trafen wir so eng zusammen, daß er mich mit den Pranken greifen konnte. Darum entfernte ich mich einige Schritte vom Felsen, nach der Seite hin, so daß ich diesen und zugleich den Kadaver im Auge behielt.

      Wir warteten und horchten eine lange Weile mit gespanntester Aufmerksamkeit — vergeblich! Da plötzlich erklang ein Schrei vom Hause herüber, noch einer — und noch einer, und dann erschallte es im Tone der Verzweiflung:

      »Laßt mich, laßt mich los! Fort mit diesen Qualen, fort, fort! Hilfe, Hilfe!«

      »Das ist der Mübarek!« sagte Halef.

      Ich wollte antworten, tat es aber nicht, denn jetzt hörten wir aus derselben Richtung zwei schnell aufeinander folgende Schüsse. Ich kannte diesen eigentümlich hohlen Knall; es war Oskos Czernagoragewehr.

      »Der Bär ist drüben beim Schuppen,« rief ich Halef mit gedämpfter Stimme zu. »Komm schnell herab!«

      »Hurra! Da bekommen wir ihn doch noch!« rief der Kleine.

      Er sprang herab, stürzte zur Erde, raffte sich wieder auf und rannte an mir vorüber. Ich folgte ihm mit gleicher Eile. Aber als ich einige Schritte getan hatte, fühlte ich einen Stich im Fußgelenk. Der Sprung vom Felsen herab schien meinen Fuß angegriffen zu haben. Ich mußte also meinen Galopp zum schnellen Trab mäßigen. Dabei schritt ich mit dem gesunden Fuß weit aus und zog den kranken, nur mit der Spitze auftretend, vorsichtig nach.

      Ein einzelner, unbeschreiblicher Schrei schrillte durch die nächtliche Stille. War das der Mübarek oder war es Halef, welcher jetzt das Haus erreicht haben mußte? Sollte der unvorsichtige Hadschi dem Bären grad in die Pranken gelaufen sein! Mich erfaßte eine Angst um den Kleinen, welche mir den Schweiß aus allen Poren trieb. Da gab es keine Rücksicht mehr auf meinen Fuß; ich rannte weiter, so schnell ich es vermochte.

      Jetzt ertönten auch Oskos und Omars Stimmen. Wieder ein Schuß! Unglücklicherweise lag ein Stein in meinem Weg. Ich konnte ihn nicht sehen, stürzte über ihn hinweg und schlug, so lang ich war, auf den Boden nieder. Meine Büchse wurde mir aus der Hand geprellt und flog . — wohin, das sah ich nicht.

      Rasch raffte ich mich auf und blickte rings umher. Die Büchse war nicht zu sehen. Ich hatte keine Zeit, sie mühsam dadurch zu suchen, daß ich den Boden betastete. Ich wähnte den Hadschi in Gefahr, und da durfte ich keinen Augenblick verlieren. Für ihn hätte ich mich auf mehr als einen Bären geworfen. Darum eilte ich weiter und zog das Messer aus dem Gürtel.

      Es war mein alter, treuer Bowie-Kneif mit langer, krumm gebogener Klinge, welcher mich so viele Jahre treu begleitet hatte. Ein Stoß mit diesem Messer brachte, wenn richtig gezielt und kräftig geführt, selbst einem Grizzly den augenblicklichen Tod; das hatte ich erprobt.

      Natürlich war mein Lauf nach dem Schuppen gerichtet.

      »Osko, wo ist der Bär, wo?« rief ich schon von weitem.

      »Draußen, draußen!« antwortete er von innen.

      »War Halef da?«

      »Ja, aber er ist wieder dem Bären nach.«

      Jetzt stand ich an der Holzwand. Zwei Bretter waren aus derselben gerissen.

      »Hier wollte der Bär herein,« sagte Osko. »Ich habe ihm zwei Kugeln gegeben.«

      »Und ihn getroffen?«

      »Ich weiß es nicht. Die Bretter krachten erst dann zusammen, als ich bereits geschossen hatte.«

      »Nach welcher Seite ist Halef?«

      »Nach rechts, wie wir hörten.«

      »Bleibt drin und paßt auf! Das Tier könnte wieder kommen.«

      Ich rannte in der angegebenen Richtung weiter. Die Haustüre war offen; es stand jemand unter derselben; das sah ich an dem Schatten, welchen die Gestalt nach außen warf, weil drinnen Späne brannten.

      Ein menschlicher Körper lag da. Ich stolperte über ihn hinweg, kam aber nicht zum Sturz.

      »Schieß doch, schieß, schieß!« hörte ich zwei Stimmen aus der Stube rufen.

      Ich war nur noch zehn Schritte von der Türe und erkannte den, welcher unter ihr stand. Es war Halef. Er hatte sein Gewehr angelegt und es in die Stube gerichtet. Sein Schuß krachte. Dann

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