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und grüßte, was keinem andern jemals eingefallen wäre, mit einem lauten »Buenos dias – guten Tag!« Dann schritt er auf den Tisch zu, welcher soeben leer geworden war, setzte sich an demselben nieder, schlug beide Bücher auf und begann, grad so als ob er ganz allein sei, höchst eifrig in denselben zu blättern und zu lesen. Es waren zwei Abhandlungen der königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin, von E. d’Alton und von Weiß.

      Der vorhin herrschende Lärm hatte sich in die tiefste Stille verwandelt. Der Kleine frappierte die Leute alle. Sie wußten nicht, was sie von ihm und über ihn denken sollten. Das kümmerte ihn aber nicht im mindesten; ja, er bemerkte es gar nicht; er las und las und fühlte sich auch nicht gestört, als man wieder lauter wurde und von neuem auf das Stiergefecht zu sprechen kam. Nur als einer der Kellner, ein ebenso kleiner Bursche wie er selbst, zu ihm trat, um ihn zu fragen, was er wünsche, blickte er auf und fragte im reinsten Spanisch:

      »Haben Sie Bier? Ich meine nämlich Cerevisia, wie es lateinisch heißt.«

      »Ja, Señor, Bier haben wir, die Flasche zu sechs Papierthalern.«

      »Bringen Sie eine Flasche, eine Ampulla oder Lagena auf lateinisch.«

      Der Kellner sah ihn verwundert an, brachte Flasche und Glas und goß das letztere aus der ersteren voll. Der Gast trank aber nicht und sah nicht von den Büchern auf. Man beschäftigte sich, einen ausgenommen, nicht mehr mit ihm, und dieser eine war Antonio Perillo, der Espada. Er ließ den Kleinen fast nicht aus den Augen; er schien sich innerlich nur mit ihm zu beschäftigen und beteiligte sich gar nicht mehr an der Unterhaltung. Endlich stand er gar auf, kam herbei, verbeugte sich und sagte in sehr höflichem Tone:

      »Entschuldigung, Señor! Wir scheinen uns zu kennen?«

      Der kleine, rote Gaucho

      blickte überrascht von seiner Lektüre auf, erhob sich und antwortete in ebenso höflicher Weise:

      »Es thut mir leid, Señor, Ihnen sagen zu müssen, daß Sie sich irren. Ich kenne Sie nicht.«

      »So müssen Sie Gründe haben, dies jetzt zu sagen. Aber ich kann einen solchen Grund nicht einsehen!«

      »Einen solchen Grund? Auf lateinisch Causa? Ich habe ja gar keinen Grund, zu sagen, daß ich Sie kenne. Es wäre eine Lüge.«

      »Aber ich bin überzeugt, daß wir uns oben am Flusse schon begegnet sind.«

      »Nein, denn ich bin noch gar nicht da oben gewesen. Ich befinde mich erst seit einer Woche hier im Lande und habe Buenos Ayres noch mit keinem Schritte verlassen.«

      »So darf ich vielleicht fragen, wo Sie eigentlich zu Hause sind?«

      »In Jyterbogk, welches auch Jüterbog oder Jüterbock geschrieben wird. Es ist bis jetzt unentschieden geblieben, welche Schreibweise die richtige ist. Ich entscheide mich aber unbedingt für Jüterbogk, weil da bog und bock vereinigt ist.«

      »Dieser Ort ist mir vollständig unbekannt. Würden Sie die Güte haben, mir Ihren Namen zu sagen?«

      »Ganz gern. Morgenstern, Dr. Morgenstern.«

      »Und Ihr Stand?«

      »Ich bin Gelehrter oder, genauer ausgedrückt, Privatgelehrter.«

      »Und womit beschäftigen Sie sich?«

      »Mit Zoologie, Señor Gegenwärtig bin ich nach Argentinien gekommen, um das Glyptodon, das Megatherium und das Mastodon aufzusuchen.«

      »Das verstehe ich nicht. Ich habe diese Worte noch nie gehört.«

      »Ich meine das Riesenarmadill, das Riesenfaultier und den Riesenelefanten.«

      Der Espada machte ein langes Gesicht, sah den Kleinen mit prüfendem Blicke an und fragte dann:

      »Sprechen Sie im Ernste, Señor?«

      »Natürlich!«

      »Und wo wollen Sie diese Tiere suchen?«

      »Natürlich in der Pampasformation, von welcher man leider noch nicht genau sagen kann, ob sie sich schon vor oder gleichzeitig mit dem Diluvium gebildet hat.«

      »Diluvium? Señor, ich verstehe! Sie bewegen sich in dieser unverständlichen Sprache, um mir anzudeuten, daß ich Ihnen unbequem bin.«

      »Diese Sprache ist keineswegs so unverständlich, wie Sie meinen. Sehen Sie in diese beiden Bücher, deren Verfasser sehr tüchtige Kenner des Diluviums sind! Weiß und d’Alton; sie müssen Ihnen unbedingt bekannt sein, und – — —«

      »Nein, gar nicht, gar nicht,« unterbrach ihn der Stierkämpfer. »Diese beiden Herren kenne ich nicht. Von Ihnen aber möchte ich selbst jetzt noch behaupten, daß ich Sie kenne, und zwar genauer noch, als Sie denken. Hoffentlich geben Sie doch zu, daß der Anzug, welchen Sie jetzt tragen, eine Verkleidung ist?«

      »Eine Verkleidung? Hm! Wenn ich wahr sein will, so muß ich allerdings zugeben, daß ich sonst nicht gewohnt bin, als Gaucho zu gehen.«

      »Aber Sie reiten doch ausgezeichnet, wie ich gesehen habe!«

      »Das ist ein Irrtum, Señor. Ich habe zwar schon einigemal nicht bloß die Veranlassung, sondern auch die Gelegenheit gehabt, ein Roß, lateinisch Equus, zu besteigen, was aber der Lateiner equo vehi nennt, nämlich die Kunst des Reitens, ist mir doch zu vollen neun Zehnteilen fremd geblieben.«

      Perillo konnte sich, obgleich er seiner Sache vollständig sicher war, eines Kopfschüttelns nicht erwehren. Er zog sein Gesicht in ein diplomatisches Lächeln und meinte, indem er sich verbeugte:

      »Ich darf nicht weiter in Sie dringen, Señor, denn jedes Ihrer Worte sagt mir, daß Sie unerkannt bleiben wollen. Haben Sie die Güte, meine Zudringlichkeit zu verzeihen! Ich bin überzeugt, daß die Zeit kommt, in welcher Sie Ihre gegenwärtige Maske fallen lassen werden.«

      Er begab sich nun an seinen Tisch zurück. Der rote Gaucho schüttelte nun seinerseits den Kopf, setzte sich nieder und murmelte:

      »Maske! Fallen lassen! Dieser Señor scheint sehr zerstreut zu sein.«

      Dann beugte er sich wieder über seine Bücher nieder. Aber er sollte bald wieder gestört werden, denn der kleine Kellner, welcher in der Nähe gestanden und die Unterhaltung gehört hatte, kam näher und sagte:

      »Señor, wollen Sie nicht trinken? Es ist schade um das Bier, es so lange offen stehen zu lassen.«

      Der Gaucho blickte zu ihm auf, griff nach dem Glase, that einen Zug und meinte dann in freundlichem Tone:

      »Ich danke Ihnen, Señor. Man soll sich gewöhnen, über dem Notwendigen nicht das Angenehme zu vergessen. Und das Trinken, lateinisch potio, ist nicht nur angenehm, sondern sogar notwendig.«

      Er wollte weiter lesen, da er aber bemerkte, daß der Kellner noch stehen blieb, fragte er:

      »Belieben Sie noch eine Bemerkung, Señor?«

      »Wenn Sie gestatten, ja. Sie sprachen vorher von Jüterbogk. Kennen Sie diese Stadt?«

      »Natürlich kenne ich sie; ich wohne nämlich dort.«

      »Sie wohnen dort? Sollten Sie ein Deutscher sein?«

      »Der bin ich allerdings, wie auch mein Name Morgenstern beweist. Wäre ich ein Römer, so würde ich lateinisch jubar heißen.«

      »Das freut mich ungeheuer, Señor! Darf ich deutsch mit Ihnen reden?«

      »Deutsch? Sind Sie denn ein Deutscher?«

      »Na, und wat for einer! Ick bin in Stralau bei Berlin jeboren, also een näherer Landsmann von Sie, Herr Doktor. Denn dat Sie ooch Doktor sind, dat habe ick vorhin jehört.«

      »Ein Stralauer! Wer hätte das gedacht! Ich habe Sie für einen Argentiner gehalten. Wie kommen Sie denn über die See herüber?«

      »Als jeborene Wasserjungfer, wat man sonne Libelle nennt. Sie wissen doch, von wejen dem Stralauer Fischzug und dem Rummelsburger See. Da ist man dat Wasser jewöhnt und jeht dem Wasser nach. So bin ick nach Hamburg jekommen und dann weiter ins Südamerika.«

      »Was wollten Sie hier?«

      »Reich werden wollte ick natürlich.«

      »Nun,

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