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Am Rio de la Plata. Karl May
Читать онлайн.Название Am Rio de la Plata
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Genau so!«
»Sie hatten auf Ihre Aehnlichkeit mit Latorre gerechnet?«
»Ja. Aber wie können Sie wissen, daß – —«
»Pst! Es giebt überall Agenten und scharf geöffnete Augen. Man sah Sie in Montevideo ans Land steigen. Ihre Aehnlichkeit fiel auf. Sie wurden beobachtet. Ein gewisser Andaro war bei Ihnen. Vielleicht kann man erfahren, was er bei Ihnen gewollt hat. So viel ist gewiß, daß Sie von ihm mit Latorre verwechselt worden sind.«
»Sennor, ich erstaune über das, was ich von Ihnen höre!«
»Es ist gar nicht erstaunlich. In einem Lande, in welchem ein jeder schnell steigen und ebenso schnell fallen kann, ist Vorsicht die größte der Tugenden. Sie wären ganz gewiß von einem der Unserigen besucht worden. Dies unterblieb aber, als man erfuhr, daß Sie nach Mercedes wollen, also über San José kommen mußten. Hier erwartete ich Sie und hätte im Posthause mit Ihnen gesprochen, wenn nicht das Abenteuer meiner Mutter Sie uns näher gebracht hätte.«
»Aber, sagen Sie, wie konnte man wissen, daß ich nach Mercedes will? Das wurde erst spät am gestrigen Abende entschieden.«
»Allerdings, und zwar in einem Spiellokale, in welchem außer Ihnen noch andere saßen, als Sie eintraten, die Ihnen dann aufmerksam zuhörten. Man hatte Sie mit dem Yerbatero gesehen. Man wußte, wo dieser zu verkehren pflegt, und man ahnte, daß er Sie dorthin bringen werde. Doch, da kommt Vater. Lassen Sie uns dieses Gespräch gelegentlich fortsetzen! Sollte es aber Vater für angezeigt halten, jetzt von demselben Gegenstande zu beginnen, so ersuche ich Sie ebenso herzlich wie dringend, ihm keine verneinende Antwort zu erteilen. In Ihrem eigenen Interesse liegt es, daß Sie sich unsere Partei zum Dank verpflichten. Wir können Ihnen bedeutende Vorteile bieten.«
Das klang bittend und beinahe feierlich. Mich aber befremdete es. Was hatte ich mit seiner Partei zu thun? Sowohl die Blancos oder Weißen, wie auch die Colorados oder Roten waren mir sehr gleichgültig. Wer sich in Gefahr begiebt, muß sich darauf gefaßt machen, in derselben umzukommen. Am allerwenigsten fiel es mir ein, die gebratenen Kastanien für andere aus dem Feuer zu holen und mich zum Danke dafür mit jenem wackern, sprichwörtlich gewordenen Huftiere vergleichen zu lassen, von welchem man sagt, daß es auf das Eis tanzen gehe, wenn es ihm zu wohl geworden ist.
Sennor Rixio kam in würdevoller Haltung auf uns zu, verbeugte sich mit spanischer Grandezza vor mir und bat mich um die Erlaubnis, bei uns Platz nehmen zu können. Die einfache, herzliche Freundlichkeit, mit welcher er mich in seinem Hause empfangen hatte, war von ihm gewichen. Sein Gesicht lag in ernsten, feierlichen Zügen.
Es geschah, was der Rittmeister angenommen hatte. Sein Vater hielt es für geraten, das betreffende Thema sofort aufzunehmen, denn er fragte den Sohn:
»Hast du dem Sennor bereits eine Mitteilung gemacht?«
»Ueber Allgemeines sprachen wir. Näheres zu sagen, habe ich vermieden,« antwortete der Gefragte. »Der Sennor weiß aber bereits, daß wir ihn zu uns dirigiert hätten, selbst wenn Mutter nicht so glücklich gewesen wäre, ihn unterwegs kennen zu lernen.«
»So ist die Einleitung geschehen, und Sie werden sich nicht wundern, wenn ich Sie frage, Sennor, zu welcher Partei Sie halten, zu den Roten oder zu den Weißen?«
Er blickte mir mit einer Spannung in das Gesicht, als ob von meinem Bescheide das Glück des ganzen Landes abhänge.
»Ich wundere mich allerdings, diese Frage zu hören, Sennor,« sagte ich. »Ich bin ein Deutscher und lege auch im Auslande meine Nationalität nicht ab.«
»Nun, so will ich meine Frage anders formulieren: Welcher Partei geben Sie recht, den Colorados oder den Blancos?«
»Ich bin nicht zum Richter über sie gesetzt.«
»Aber, Sennor, es handelt sich ja gar nicht um einen Urteilsspruch. Es verlangt mich nur, Ihre persönliche Ansicht zu hören.«
»Die können Sie leider nicht hören, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil ich keine Ansicht habe. Um zu wissen, wer recht hat, müßte ich die hiesigen Verhältnisse studiert haben, was aber nicht der Fall ist. Ich beschäftige mich nicht mit Politik, da ich eingesehen habe, daß ich nicht die geringste staatsmännische Begabung besitze. Mich interessieren die allgemein geographischen und ethnographischen Verhältnisse eines Landes. Auf andere Betrachtungen lasse ich mich niemals ein.«
Er zog die Brauen enger zusammen, gab sich aber Mühe, das Gefühl der Enttäuschung nicht merken zu lassen. Er fand keine Handhabe, an welcher er mich zu fassen vermochte.
»Aber, Sennor,« sagte er, »Sie müssen doch wenigstens eine Art von Teilnahme für die Zustände desjenigen Landes haben, in welchem Sie sich jeweilig befinden!«
»Das ist natürlich auch der Fall, nur daß mir gerade diejenige Art der Zustände, welche man politisch nennt, gleichgültig ist. Ich verspeise das Brot, ohne mich um den Bäcker zu bekümmern, der es gebacken hat, und Millionen freuen sich des Frühlings, ohne Astronomie studieren zu müssen, um die Ursache desselben kennen zu lernen.«
»Sennor, Sie bringen mich in Verlegenheit. Sie sind glatt wie ein Aal; Sie weichen mir aus, obgleich Sie jedenfalls recht gut wissen, worüber ich mit Ihnen sprechen will. Sie wissen doch, daß bei uns zwei Parteien sich gegenüberstehen?«
»So viel weiß ich.«
»Die Partei, zu welcher ich gehöre, hat das wirkliche Wohl des Landes im Auge. Sie will Ordnung, Gerechtigkeit und Wohlstand schaffen, während die andere Partei das Gegenteil, die Verwirrung wünscht, um im Trüben fischen zu können. Wir wissen, daß wir siegen werden; aber bis dahin kann noch eine lange Zeit vergehen, welche große Opfer fordert. Wir stehen im Begriff, diese Opfer zu sparen, indem wir zu einer großen, unerwarteten That schreiten. Gelingt dieselbe, so sind unsre Gegner vernichtet, oder doch wenigstens für Jahrzehnte hinaus unschädlich gemacht. So unglaublich es klingen mag, so sind Sie es, welcher außerordentlich viel zu diesem Gelingen beitragen kann.«
»Ich? Sie überraschen mich auf das höchste! Ich, der Fremde, der sich erst seit gestern im Lande befindet, sollte so etwas vermögen!«
»Der Grund liegt in Ihrer außerordentlichen Aehnlichkeit mit dem Manne, welchen wir an unsre Spitze zu stellen beabsichtigen.«
»Mit Latorre also? Darf ich um die Erklärung bitten?«
»Sie würde sehr einfach sein, wenn ich mich auf Ihre Diskretion vollständig verlassen könnte.«
»Ich gebe Ihnen das Versprechen der strengsten Verschwiegenheit.«
»Nun, so will ich, obgleich ich Sie nicht näher kenne, im Vertrauen auf Ihr ehrliches Gesicht es wagen, Ihnen einige Andeutungen in Beziehung auf unsern Plan zu geben. Wir wünschen uns Latorre zum Präsidenten —«
»Das vermutete ich.«
»Also haben Sie doch nachgedacht, was Sie vorhin in Abrede stellten. Soll dieser Wunsch in Erfüllung gehen, so dürfen wir die Hände nicht in den Schoß legen; wir müssen vielmehr arbeiten. Aber nicht nur wir, sondern auch Latorre selbst muß eine Thätigkeit entfalten, welche seine ganzen Kräfte in Anspruch nimmt. Das werden Sie einsehen, Sennor?«
»Natürlich! Kein Ziel ohne Streben, kein Preis ohne Anstrengung und kein Lohn ohne Arbeit.«
»Nun aber ist Latorre Offizier. Er ist an diesen Beruf gebunden, dem er sich ganz zu widmen hat. Das ist ein großes Hindernis. Er muß also seinen Abschied oder wenigstens einen längern Urlaub nehmen, um die notwendige Muße zu gewinnen und außerdem sich der bei seinen dienstlichen Verhältnissen unvermeidlichen Beaufsichtigung entziehen zu können.«
»Diese Notwendigkeit sehe ich ein. Was aber hat dies mit meiner unbedeutenden Persönlichkeit zu thun?«
»Außerordentlich viel. Unser späterer Präsident hat seine Dispositionen in tiefster Verborgenheit zu treffen. Er hat Reisen zu unternehmen, von denen unsre Gegner nichts ahnen dürfen. Da giebt es Besuche, Konferenzen und dergleichen, welche nur im stillen abgehalten werden dürfen. Da man aber ahnt,