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Der schweizerische Robinson. Johann David Wyss
Читать онлайн.Название Der schweizerische Robinson
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Johann David Wyss
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Wir gingen zusammen hin nach der Tonne, und ich fand die Vermutung des Knaben bestätigt. Aber nun war ich in Verlegenheit, wie ich mich der Butter auf die geschickteste Weise bemächtigen könnte. Fritz, der inzwischen herbeigekommen, meinte rasch, man sollte die vordersten Reifen abschlagen und den Deckel ausheben. Aber ich bemerkte ihm, daß so die Faßdauben auseinandergingen und bei der wachsenden Tageshitze unser kostbares Fett bald herausschmelzen würde.
Am Ende beschloß ich, mit einem ansehnlichen Bohrer eine Öffnung in die Tonne zu machen und vermittelst eines kleinen hölzernen Spatens so viel herauszulangen, als vorderhand nötig sei. Dies geschah, und in wenigen Minuten hatten wir eine Kokosschale für unser Frühstück mit schöner gesalzener Butter vollgehäuft und mit Lust uns herumgelagert. Zwar blieb auch so der Zwieback verzweifelt hart; aber endlich rösteten wir ihn, mit Butter bestrichen, am Feuer, und fanden ihn dann trefflich; nur daß die Knaben in ihrem blinden Eifer manch prächtiges Stück verbrannten und wegwerfen mußten.
Unsere Hunde lagen während dieser Verrichtung ruhig neben uns, und im Verdauen ihrer nächtlichen Mahlzeit machten sie gar nicht Miene, an unserm Frühstück teilnehmen zu wollen. Indes bemerkten wir jetzt, daß sie aus dem blutigen Kampfe keineswegs mit heiler Haut davongekommen waren; denn sie waren an verschiedenen Stellen, besonders um den Hals, gebissen und wund. Sie fingen aber bald an, ihre Wunden gegenseitig zu belecken, zumal am Halse, wo keiner sich selbst hätte beikommen können.
»Es wäre doch gut«, meinte da Fritz, »wenn wir auf dem Schiffe Stachelhalsbänder für unsere wackern Tiere fänden; denn da die Schakale einmal auf unsere Spur geraten sind, so könnten sie wiederkehren und der unbewaffneten Hunde am Ende noch Meister werden.«
»Oh!« sagte Jack, »ich will selbst Halsbänder machen, und das recht tüchtige! Wenn mir nur die Mutter helfen will!«
»Es sei dir versprochen, kleiner Prahler«, sprach die Mutter; »wir wollen sehen, was du erdenken wirst!«
»Ja, ja, Männchen!« fügte ich hinzu, »übe du nur deine Erfindungskraft. Wenn du etwas Kluges herausbringst, so sollst du Lob und Ehre haben. – Indes ist es Zeit, daß wir sämtlich an unser Tagwerk gehen, und also, Fritz, rüste dich! Die Mutter und ich haben nötig befunden, daß du mit auf das Wrack zurückkehrst, damit wir retten, was irgend noch übrig ist. Ihr andern Kleinen bleibt wieder bei der Mutter hier. Seid gehorsam und fleißig.«
Während wir in unser Kufenschiff einstiegen, verabredete ich, daß die Zurückbleibenden eine Stange mit Segeltuch als Flagge aufrichten sollten, die wir mit dem Fernrohr von dem Wrack aus bemerken könnten, und daß das Umwerfen derselben, von drei Notschüssen begleitet, uns ein Zeichen sein solle, wieder heimzukehren. Ja, ich konnte die Mutter zu dem mannhaften Entschlusse bringen, einsam mit den Kleinen zu übernachten, wenn sie nichts Gefährliches vermerken und wenn uns dagegen die Menge der Arbeit zu lang auf dem Schiffe versäumen sollte.
Wir nahmen nichts als unsere Gewehre samt Zubehör mit, weil noch Eßwaren genug auf dem Schiffe sein mußten, und bloß der kleine Affe ward endlich zugelassen, weil Fritz ihn so bald als möglich mit frischer Ziegenmilch erquicken wollte. Schweigend stießen wir vom Ufer, und Fritz ruderte scharf, während ich selbst mit dem Steuer nachhalf, so gut ich vermochte. Als wir schon ziemlich weit vom Lande entfernt und etwa in die Mitte der Bucht gekommen waren, bemerkte ich, daß diese außer der Öffnung, durch die wir zum erstenmal hineingefahren, noch eine zweite hatte, durch welche der Bach, der sich unfern in die Bucht ergoß, mit fortwährendem Zuge der offenen See zuströmte. Diesen Zug zu benutzen und dadurch unsere Kräfte beträchtlich zu schonen, ward gleich mein Augenmerk; und ein so schlechter Steuermann ich auch war, so gelang es mir doch, hineinzukommen. Ganz sanft trug er uns drei Vierteile des Weges dem Wracke zu, und es kostete uns bloß die Mühe, das Schifflein in gerader Richtung zu erhalten, bis wir endlich den letzten Teil der Fahrt mit ausgeruhter Kraft, als die Strömung abzunehmen begann, von neuem mit Rudern zurücklegten und in den offenen Schiffsbauch einfuhren, wo unser Fahrzeug sogleich befestigt wurde.
Kaum waren wir aus den Kufen, als Fritz seinen Affen auf die Arme nahm und, ohne ein Wort zu sagen, Hals über Kopf auf das obere Verdeck lief, wo das sämtliche Vieh stand. Ich folgte nach und freute mich seiner Ungeduld, den bedürftigen Geschöpfen zu Hilfe zu gehen. Oh, wie die verlassenen Tiere uns anblökten, anmeckerten, entgegengrunzten! Nicht sowohl Bedürfnis der Nahrung als Sehnsucht nach Menschen schien alle die Freudentöne auszupressen, denn Futter und Getränk war noch hinlänglich vorhanden. Der Affe ward sogleich einer Ziege an das Euter gelegt und schmatzte unter seltsamen Grimassen die ungewohnte Milch mit immer zunehmender Lust in sich hinein, was uns nicht wenig belustigte.
Nachdem wir hierauf dem Vieh frisches Futter und Wasser gegeben hatten, sorgten wir auch für uns und aßen, was wir ohne langes Suchen im Schiffe finden konnten.
Unsere erste Sorge war nun, unserm Schiff einen Mast mit einem Segel einzubauen, damit wir, durch den frischen Seewind getrieben, um so leichter das Land erreichen möchten.
Zuerst ersah ich mir ein Stück Segelstange, das zu einem Maste tauglich schien, und ein anderes dünneres, an das ich mein Segel befestigen könnte. Fritz mußte mit einem runden Meißel ein Loch durch ein Brett arbeiten, um den Mast nachher durchzustecken. Ich selbst ging in die Segelkammer und schnitt mir von einer großen Tuchrolle ein dreieckiges Segel ab, das ich zurechtmachte, so gut ich imstande war. Darauf nahm ich einen Flaschenzug, den ich oben an meinem Mast befestigen wollte, um das Segel nach Belieben aufziehen und niederlassen zu können. Inzwischen hatte Fritz sein Werk ganz erträglich vollendet, und das Brett mit dem Loche wurde nun quer über die Breite unserer Schiffkufen befestigt und der Flaschenzug an der Spitze des Mastes in einen Ring gehängt, um ihn willkürlich bewegen zu können. Ein Seil, an welches der längste Zipfel des Segels festgeknüpft war, wurde hindurchgezogen und endlich der Mast durch das Loch im Brett auf den Boden der Kufe gesenkt, so daß er vorläufig ganz ansehnlich zu stehen kam. Doch mußte er am Bock noch festgemacht werden, und das geschah ohne Zeitverlust.
Mein Segel machte ein rechtwinkliges Dreieck aus, dessen eine Seite hart am Maste herunterhing und damit verbunden wurde. Die kürzeste Seite wurde unten um eine dünne Segelstange geschnürt, welche von dem Maste über das Schifflein hinausstand und an dem einen Ende mit dem Mast verknüpft war, am andern aber ein langes Seil erhielt, das bis hinten zum Steuerruder reichte und mir einige Führung des Segels oder im Notfall das Loslassen möglich machte. Vorn und hinten am Schiffe wurden Löcher gebohrt, um dieses Seil befestigen zu können, damit man das Segel nach beiden Seiten zu gebrauchen vermöchte, ohne jedesmal das ganze Fahrzeug umkehren zu müssen.
Indes ich so beschäftigt war, hatte Fritz mit dem Fernglas nach dem Lande hingeschaut. Er brachte die Nachricht, daß dort alles in Ordnung zu sein scheine, und trug zugleich einen kleinen Wimpel herbei, den ich ihm zu Gefallen auf unserm Mast befestigen sollte, damit unser Fahrzeug doch ja nach etwas Rechtem aussehe.
Diese Eitelkeit in unserer Armseligkeit machte mich lachen. Aber dem ehrlichen Fritz zulieb befestigte ich den Wimpel und hatte selbst meinen Spaß daran. Dann aber suchte ich unser Schiff auch mit einem Steuerruder zu versehen.
Unverzüglich wurden an beiden Enden des Schiffes je zwei aufrechte starke Knebel befestigt, zwischen denen die Ruder zu liegen kamen und an die sie bei jedem Zuge sich anstemmen konnten.
Während solcher Arbeiten rückte der Abend heran, und ich merkte wohl, daß wir würden auf dem Wrack übernachten müssen, wenn wir nicht mit leerem Schiffe nach Hause fahren wollten. Es war am Lande verabredet worden, daß wir eine Flagge aufziehen sollten, wenn wir gedächten, auf dem großen Schiffe zu bleiben; und dieses wurde jetzt beschlossen und vollzogen.
Den Rest des Tages brachten wir damit zu, den unnützen Ballast von Steinen aus unserm Kufenschiff zu werfen und dafür eine recht schöne Ladung von brauchbaren Gerätschaften und Stoffen zusammenzusuchen. Demzufolge plünderten wir das Wrack wie Vandalen und füllten unser Schifflein nach Herzenslust.
Bei der überwiegenden Wahrscheinlichkeit gänzlicher Einsamkeit ließen wir Pulver und Blei unser erstes Augenmerk sein, um so lang als möglich Mittel zur Jagd und zum Schutz gegen wilde Tiere zu haben. Alles Handwerkszeug, das im Überfluß vorrätig war, schien mir