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Der schweizerische Robinson. Johann David Wyss
Читать онлайн.Название Der schweizerische Robinson
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Johann David Wyss
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Als die beiden Hunde auf dem Schiffe sahen, daß wir uns entfernten, sprangen sie winselnd in das Wasser und holten uns schwimmend ein. Sie waren zu groß für unser Fahrzeug, denn Türk war eine englische Dogge und Bill eine dänische Hündin von gleicher Art. Ich hatte Erbarmen mit ihnen und fürchtete sehr, sie möchten das Schwimmen nicht aushalten. Aber sie halfen sich klug und legten, so oft sie müde waren, die Vorderfüße auf die Auslegestangen, die wieder ins Kreuz über das Schiffchen gedreht worden waren, und so kam der Hinterleib ohne viel Anstrengung nach. Jack wollte ihnen dies zwar verwehren, aber ich verbot es ihm; »denn die Tiere«, sagte ich, »können uns zum Schutz oder, wie du selbst bemerkt hast, zur Jagd von Nutzen sein«.
Unsere Fahrt ging glücklich, wenn auch langsam, vonstatten; aber je näher wir dem Lande kamen, desto trauriger war sein Anblick; denn kahle Felsen prophezeiten uns Hunger und Not. Die See war still und kräuselte sich sanft gegen das Ufer; der Himmel glänzte heiter, und um uns her schwammen Fässer, Ballen und Kisten aus dem geborstenen Schiffe. In der Hoffnung, Nahrungsmittel an das öde Ufer zu bringen, steuerte ich hart an zwei Tonnen hin und befahl meinem Fritz, mit einem Stricke samt Hammer und Nägeln bereit zu sein. Es gelang ihm, beide Tonnen so zu befestigen, daß wir sie hinter uns herschleppten und mit besserer Zuversicht vorwärts steuerten.
Als wir dem Lande näher kamen, verlor sich mehr und mehr sein rauher Anblick. Auch ich unterschied nun schon die schlankaufstrebenden, von mächtigen Wedeln gekrönten Palmen. Ich beklagte laut, daß ich nicht das große Fernglas aus des Kapitäns Kajüte mitgenommen, als Jack ein kleines Perspektiv aus seiner Tasche zog und vor Freuden hüpfte, daß er meinem Wunsch entsprechen konnte. Mit dem Glase in der Hand konnte ich jetzt die nötigen Beobachtungen anstellen und meine Fahrt etwas genauer bestimmen. Ich bemerkte zwar wohl, daß der Strand vor uns verödet und wild aussehe, doch auch, daß er links einen bessern Anblick gewähre. Allein, da ich dorthin wenden wollte, trieb mich eine starke Strömung des Wassers wieder gegen die Felsenküste zu, wo wir denn bald eine schmale Einfahrt erblickten, auf die unsere Enten und Gänse vor uns hinschwammen und wohin sie uns zu Wegweisern dienten. Nahebei floß in kräftigen, ungestümen Wellen ein breiter Bach, der in seinem tiefgelegenen Bett über Steintrümmer und Geröll hinweg sich brausend aus den düstern Felsen hervor ins Meer ergoß. Ein Anblick von ernster, herrlicher Schönheit, den wir minutenlang in stummer Ergriffenheit bewunderten. Die Einfahrt ließ uns in eine kleine Bucht gelangen, wo das Wasser ungemein ruhig und an den meisten Stellen für unser Fahrzeug weder zu tief noch allzu seicht war. Mit Behutsamkeit legte ich an einem Plätzchen an, wo das Ufer die Höhe unsrer Kufen hatte und das Wasser doch hinreichte, uns flott zu erhalten. Es war eine kleine, abschüssige Ebene, in Form eines Dreiecks, dessen Spitze sich zwischen Felsenklüfte hinaufzog, während die Grundlinie sich als Ufer am Wasser hindehnte.
Hurtig sprang ans Land, was springen konnte, und selbst der kleine Franz versuchte aus seiner Kufe herauszuklettern, in der er wie ein gepökelter Hering gelegen hatte. Aber trotz seines Strebens und Anstemmens vermochte er‘s nicht, bis die Mutter ihm zu Hilfe kam. – Die Hunde, die etwas vor uns schon das Land erreicht, empfingen uns mit freundlichem Gewinsel und tausend Freudensprüngen, die Gänse mit unaufhörlichem Geschnatter, die Enten mit frohem Trompeten durch die wächserne Nase.
Als wir uns am sichern Ufer befanden, sanken wir unwillkürlich alle auf die Knie, um dem gnädigen und mächtigen Retter unseres Lebens aus vollem Herzen für den verliehenen Schutz zu danken. Hierauf wurde mit Behendigkeit ausgepackt, und o wie reich fanden wir uns schon durch das wenige, das wir gerettet hatten! Die Hühner wurden bis auf weitern Bescheid freigelassen, weil es an einem Käfig gebrach, sie einzuschließen. Dann ward eine geeignete Stelle zur Errichtung eines Zelts und eines bequemen Nachtlagers aufgesucht. Das Zelt stand bald gespannt, weil wir Segeltuch und Stangen hatten. Der First wurde hinten in eine Felsenritze gesteckt und ruhte vorn auf dem Bruchstück einer Segelstange, das in den Boden eingerammt war. Über den First wurde das Segeltuch gezogen, auf beiden Seiten ausgestreckt und an der Erde mit Pflöcken hinreichend befestigt. Zur Vorsorge beschwerten wir den untern Rand mit unsrer Vorratskiste und mit gewichtigem Werkzeug und befestigten Bindstricke an die vornüberhängenden Zipfel, um des Nachts den Eingang zu verschließen. Jetzt befahl ich den Knaben, Moos und Gras zusammenzuraufen, soviel sie könnten, und es an die Sonne zum Trocknen zu breiten, damit wir nicht auf harter Erde ruhen müßten – und indes sie diesen Auftrag ausführten, machte ich in einiger Entfernung von dem Zelte, nah am vorbeirauschenden Bache, mit einigen Steinen einen Feuerherd zurecht. Wir brachten dürre Reiser zusammen, die vom Wasser angetrieben, von der Sonne gedörrt, am Ufer lagen, und bald loderte die Hilfe des Menschen, das erfreuliche Feuer, in hochprasselnder Flamme gen Himmel. Ein Topf mit Wasser und Fleischtäfelchen wurde darübergesetzt, und der Mutter samt Fränzchen als ihrem Küchenjungen die Bereitung der Speisen förmlich übergeben. Fränzchen fragte, was denn der Vater zu leimen vorhabe, daß man da den Leim anmache? Die Mutter belehrte ihn, daß man Fleischsuppe kochen wolle. »Ja«, sagte er, »wo kriegen wir denn Fleisch? Hier gibt‘s doch weder Metzger noch Fleischbank zum Einkaufen.« – »Eben das«, antwortete die Mutter, »was du für Leimschnitten hältst, sind Täfelchen von Fleisch, oder, daß ich besser sage, von festgekochter Gallerte, die aus gutem Fleische bereitet wird, um auf das Meer genommen zu werden, weil es unmöglich ist, genug Fleisch oder Vieh auf Seereisen mitzuführen, da beides viel zu bald verderben müßte.«
Indessen hatte Fritz unsre Flinten geladen, nahm die seine zur Hand und entfernte sich gegen den Bach. Ernst machte die Bemerkung, daß es an einer öden Küste nicht anmutig sei, und schlich sich rechts am Meere hin, während Jack zur Linken zwischen der Felswand und dem Wasser kleine Muscheln suchen ging. Ich selbst versuchte die zwei aufgefischten Fässer ans Ufer zu ziehen; bald bemerkte ich aber, daß unser Landungsplatz, so bequem er für das Schifflein war, doch zum Heranbringen der Fässer viel zu wenig Senkung hatte. Während ich mich denn umsonst bemühte und nach einer bessern Anfurt spähte, erhob in einiger Entfernung Jack ein entsetzliches Geschrei. Ich ergriff mein Handbeil und eilte bang zu seiner Hilfe hin. Als ich den Jungen erblickte, stand er auf einer seichten Stelle bis an die Knie im Wasser, und ein großer Meerkrebs hielt mit seiner Schere das Männchen am Bein. Der Kleine zappelte jämmerlich und strebte vergebens, sich loszumachen. Ich ging sogleich ins Wasser, und kaum merkte der ungerufene Gast, daß nahe Hilfe vorhanden sei, so wollte er, so schnell er konnte, rückwärts auf und davon. Ich aber verstand den Spaß anders und faßte das Tier mit Vorsicht hinten um den Leib, und wir trugen es alsbald unter dem Jubelgeschrei des schnell getrösteten Jungen an das Land. Jack, begierig, den schönen Fang, so schwer er auch war, doch selbst der Mutter zu bringen, ergriff ihn rasch. Kaum aber hielt er ihn in den Händen, als er von dem Schwanze des Tieres einen so kräftigen Schlag empfing, daß er es fallen ließ und ganz weinerlich aussah. Da sein Unstern nun mir ein lautes Lachen entriß, so fuhr der Junge im Grimme seines Zornes auf, ergriff hastig einen Stein und schlug dem Feinde die Kopfschale ein. »Das ist gekraftmännlet«, Kraftmännlen, ein Schweizer Ausdruck für »den starken Mann spielen«. sagte ich unwillig, »auch an seinem Feinde soll man sich nicht rächen! Aber vorsichtig hättest du sein und ihn nicht so zutraulich an der Nase halten sollen.« – Hierauf ergriff der Knabe das leblose Tier von neuem und trug es ganz zufrieden und lustig der Kochstelle zu.
»Mutter, ein Meerkrebs! Ernst, ein Meerkrebs! Wo ist Fritz? Sieh da, Fränzchen, er beißt dich!« Da stellten sich alle um ihn her und betrachteten das Wundertier von oben und unten, mit mehr Erstaunen über die seltene Größe als über die bekanntere Gestalt desselben. Ernst tat bald den Ausspruch, der Krebs müsse gesotten werden, und daß es eine gute Krebssuppe geben würde, wenn man ihn gleich in die kochende Fleischbrühe würfe. Aber die Mutter bedankte sich für eine Krebssuppe nach diesem neumodischen Rezept und beschloß, das erste Gericht allein zuvor gar zu kochen. Ich indessen ging hin, um die seichte Stelle zu benutzen, wo Jack gebissen worden, und trieb unsre Fässer wälzend an das Ufer,