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Worten streckte er seine Schenkel auf die Bank, hüllte sich in seine Wolldecke und legte sich zur Ruhe. Canondah ergriff Rosas Hand, und sie sanft mit sich in das zweite Gemach ziehend, führte sie sie gleichfalls ihrem ländlichen Diwan zu und drückte sie sanft auf diesen nieder.

      Rosa legte sich schweigend, aber vergeblich bemühte sie sich, ihre Augen zu schließen. Die blasse, sterbende Gestalt des Fremden stand vor ihrem Blicke und raubte ihr Ruhe und Rast. Eine Stunde verging nach der andern, und sie war noch immer wach. Endlich ließ sich ein Geräusch in der Vorderstube hören, das andeutete, daß der Miko bereits aufgestanden war.

      Canondah sprang vom Lager, näherte sich Rosen, bog sich über das Mädchen, legte ihren Zeigefinger auf ihre Lippen und eilte in ihres Vaters Stube. Der Häuptling war mit Anstalten zu einem weiten Ausfluge beschäftigt, der großen Herbstjagd nämlich, die bei diesen Stämmen mehrere Wochen und selbst Monate dauert und sich über Landstrecken von Hunderten von Meilen ausdehnt. Seine Vorbereitungen waren bald getroffen. Er nahm einen großen Beutel, mit Tabak gefüllt, einen andern mit Blei, legte beide sorgfältig in seine Jagdtasche und hing diese über seine Schulter. Hierauf steckte er sein Schlachtmesser in seinen Gürtel und nahm den doppelläufigen Stutzen. Ein junger Indianer trat herein, dem er Bogen, Pfeile und einen Sack, mit Lebensmitteln gefüllt, übergeben ließ. Seine Tochter hatte dies schweigend getan. Sie stand nun mit gefalteten Händen und erwartete die Befehle ihres Vaters. Dieser legte seine flache Rechte auf ihre Stirne, blickte ihr eine Weile teilnehmend ruhig ins Gesicht – dann schienen seine Züge sich zu mildern, die Augen von Vater und Tochter begegneten sich, und gleichsam als ob sie sich verständigt hätten, wandte sich ersterer der Türe zu.

      An fünfzig Männer waren bereits vor der Hütte versammelt, vollkommen gerüstet und bewaffnet. Still und schweigend waren sie gekommen; kein Laut, kein Fußtritt war zu vernehmen gewesen. Kaum war ihr Häuptling in ihrer Mitte, als sie eben so still sich ihm anschlossen und mit einer Heimlichkeit der Uferbank zueilten, die im Zwielichte beinahe Grauen erregte.

      Die Tochter hatte ihren Vater nicht weiter als bis zur Türe begleitet, wo der Wink des letztern sie stillstehen hieß. Horchend stand sie eine Weile, bis der leise Wasserschlag der Ruderer gehört wurde; dann schloß sie die Türe und eilte ins innere Gemach.

      »Sie sind gegangen«, sagte sie.

      »Dann laß uns zum Fremden eilen«, erwiderte Rosa.

      »Die weiße Rosa«, sprach die Indianerin im milden, aber ernsten Tone, »muß schlafen, sonst wird ihr blasses Gesicht verraten, was in ihrem Busen begraben ist. Meine roten Schwestern sind fein und verschlagen, ihre Augen weit offen. Sie würden die Spuren leicht finden, die wir gestern im Rohrfelde gelassen haben. Ein Mädchen könnte nun den Miko einholen. Canondah will nach dem Fremden sehen; aber ihre Schwester muß ausruhen.« Sie preßte ihre Freundin sanft auf das Lager und verschwand hinter dem Vorhange.

      War es die ruhige, milde Sprache der Indianerin, deren Treue und schwesterliche Liebe ihr wohl bekannt sein mochte, oder Müdigkeit? Rosa fiel nach wenigen Minuten in einen tiefen Schlaf.

      Fünftes Kapitel

      Der Indianer hat neben vielen edlen und großartigen Zügen, die zusammengenommen feinen Nationalcharakter bilden, und zwar einen Nationalcharakter, dessen moralische Höhen und Tiefen bei weitem noch nicht gehörig gewürdigt sind, einen, der ihn minder vorteilhaft kleidet und den der Sittenmaler seiner Nation gerne vermissen würde. Es ist dies die auffallend rohe, selbstische Gleichgültigkeit oder vielmehr Fühllosigkeit, mit der sie ihre Weiber behandeln: eine Fühllosigkeit, die zwischen den unglücklichen Geschöpfen und einem Haustier nur wenig Unterschied kennt. Vielleicht sind dieser Fühllosigkeit einzig und allein jene schwarzen Flecken zuzuschreiben, die ihrem häuslichen und öffentlichen Leben den so widerlichen Stempel tierischer Grausamkeit und Unempfindlichkeit und hinwieder der stupidesten Indolenz aufdrücken: ein Stempel, der aus einem indianischen Sittengemälde bloß eine fortgesetzte Szene von Grausamkeiten oder ekelhaftem Faulleben bildet, nur selten durch eines jener sanftem Reliefe aufgehellt, die ein höherer Grad von Achtung gegen das weibliche Geschlecht notwendig erzeugen müßte. Die indianischen Völkergeschichten haben auffallend bewiesen, daß Nationen, wo bloß die eine Hälfte Menschenrechte genießt, immer nur Wilde oder Barbaren sein werden, und daß jene Reibung im gesellschaftlichen Leben, wo das Weib dem Manne mit gleichem Rechte gegenüber steht, zur Veredlung des Geschlechtes unumgänglich nötig sei.

      Ein Volk, bei dem das Weib auf einer, ihrer ursprünglichen Würde nicht angemessenen Stufe steht, wird jederzeit mehr oder weniger barbarisch sein, und der richtigste Maßstab der Aufklärung eines Volkes wäre wohl das Verhältnis, in welchem die zweite Hälfte zur erstern in ihren Privat- und öffentlichen Verhältnissen steht. Des Weibes Bestimmung ist weder die des Lasttieres, noch der Sklavin der sinnlichen Begierden des Mannes – sie soll weder das frivole Spielwerk müßiger Stunden, noch die Abgöttin seiner törichten Leidenschaften sein. Sie soll sein die Teilnehmerin an dem Wohl und Wehe ihres Mannes – seiner drückenden sowie erhebenden Gefühle innigste Vertraute, die Freundin seines Herzens, der Leuchtturm seines Verstandes, der ihn auf seinem Lebenspfade leitet, der schützende Genius seiner Kinder, der künftigen Generation. Des Mannes ertötender Sinn soll sie aufregen, und so wie sie die beschützende Gottheit des häuslichen Heiligtums ist, soll sie wehren helfen durch Mut und Festigkeit, daß keine verruchte Hand sich an diesem vergreife. Nur die Nation, wo das Weib dieses errungen, sich so hoch emporgeschwungen, – nur sie ist zur Freiheit geboren. Und nie wird diese Göttin einkehren, wo sie nicht ihren häuslichen Herd unbeschränkt besitzen und dem Tyrannenknecht das Eindringen in ihr Heiligtum wehren darf und kann.

      Es ist merkwürdig und unsern Satz ganz bestätigend, wie bei jenen wilden Stämmen und Völkerschaften, die allmählich eine gewisse Kulturstufe erreicht, auch der Zustand des weiblichen Geschlechtes sich verbessert hat. Die Weiber der Tscherokesen sind bereits mehr Ehehälften ihrer Männer als die der Creeks, und so richtig und bestimmt ist dieser Maßstab, daß die Grenzlinie der Weiberrechte bei den verschiedenen Nationen auch die der größern individuellen Freiheit und nationalen Kultur sind.

      Das Völkchen, von dessen Niederlassung wir im vorhergehenden Kapitel eine Schilderung gegeben, war gewissermaßen auf der ersten Stufe gesellschaftlicher Kultur. Die Morgenröte war herangebrochen, es hatte bereits einen Vorgeschmack von den Vorteilen, die Ackerbau und die verschiedenen Künste des Lebens diesem gewähren, und obwohl dies bloße Anfänge waren, so hatten sie doch bereits einen bedeutenden Einfluß auf das Wohl und Wehe ihrer Weiber geäußert. Diese Weiber waren zwar noch immer ihren Männern dienstpflichtig, sie hatten mit ihren Töchtern Korn zu säen, zu pflügen, umzugraben, zu ernten, den Tabak zu bauen, die Hirsch- und Alligatorhäute zu gerben und ihren Kotton zu spinnen; aber eben die gesteigerten Bedürfnisse ihrer Männer und ein gewisses Behagen, das im friedfertigen ununterbrochenen Genusse derselben sich mit eingeschlichen hatte, konnte nicht verfehlen, ihren Weibern in ihren Augen eine größere Wichtigkeit zu geben, die allmählich auch größere Achtung zur Folge hatte.

      Vielleicht trug der Umstand, daß Canondah an der Spitze der zweiten Hälfte dieses Völkchens stand, das Seinige dazu bei. Das unbegrenzte Vertrauen der Männer zu ihrem Vater und ihre tiefe Ehrfurcht konnte sich natürlicherweise nicht roh gegen seine Tochter äußern. Abgesehen von diesem Umstande war auch Canondah ganz dazu geschaffen, ihr Geschlecht im Wigwam in eine höhere Stellung zu bringen, und alle ihre Handlungen schienen zu beweisen, daß sie das unrichtige Verhältnis zwischen den beiden Geschlechtern nicht nur erkannt, sondern auch darauf ausging, es in ein weniger beleidigendes umzuwandeln. Das Mädchen hatte einen Scharfsinn, einen Mutterwitz, der unter den roten Naturkindern nicht selten zu finden ist und einen richtigen Takt zur Grundlage hat, der sie gewöhnlich sicherer leitet, als unsere durch Pensionsanstalten verschraubten Figürchen. Mit unerreichbarer Gewandtheit hatte sie gewußt, jeden Umstand zu benutzen, der sie auf eine nähere oder entferntere Weise ihrem Ziele zuführen konnte, eine gewisse wohltätige Herrschaft, die sie gleich einem Netze über die Männer auszubreiten und mit unverrücktem Blicke zum Besten ihrer Schwestern zu verfolgen wußte. Sie hatte ihre Erziehung in einer jener vortrefflichen Anstalten erhalten, die der philanthropische Oberst Hawkins unter den Creeks zum Behuf ihrer sittlichen und bürgerlichen Bildung errichtet, und hatte sich in vielen Zweigen der weiblichen Haushaltung auf eine Weise vervollkommnet, die sie zu einer trefflichen Hausfrau auch unter zivilisierten

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