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Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas. Balduin Mollhausen
Читать онлайн.Название Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Balduin Mollhausen
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Ich gebe übrigens zu, daß mir der Inhalt der Depeschen keineswegs genau bekannt war, daß Lieutenant Ives uns dieselben nur so weit mitteilte, als er es durfte, ohne eine Indiskretion zu begehen, und daß, wenn hier eine Abweichung von wirklichen Tatsachen stattfinden sollte, dieselbe dem Umstand zuzuschreiben ist, daß ich von dem späteren Verlauf der Expedition auf die gegebenen Verhaltungsbefehle geschlossen habe.
Die Zeit bis zur Ankunft unseres Dampfbootes benutzte Lieutenant Ives also dazu, die Expedition aufs neue zu organisieren; er begann damit, unsere beiden Gefährten Brakinridge und King zu entlassen und zurück nach den Vereinigten Staaten zu senden. Zu Teilnehmern an der Dampfbootreise wählte er Bielawski, Egloffstein, Dr. Newberry und mich, wogegen Taylor und Booker Auftrag erhielten, bis zu unserer Rückkehr in Fort Yuma zu bleiben.
Unserem Freund Peacock wurde die schwerste Aufgabe zugeteilt; er sollte nämlich mit Depeschen nach San Franzisko reiten, und zwar mußte er noch vor dem Abgang des nächsten Postdampfers, also vor dem 18. Januar, an jenem Ort sein. Die Aussicht, 900 englische Meilen in neun Tagen zurückzulegen — denn mehr als neun Tage waren es nicht mehr bis zum achtzehnten — , machten den fröhlichen Kalifornier fast trunken vor Wonne; er pfiff und sang und wiederholte fortwährend: »Jetzt werde ich euch zeigen, ob ein Kalifornier reiten kann.« Er löste übrigens seine Aufgabe vortrefflich, wobei ihm natürlich die genaue Kenntnis des Landes zustatten kam, die ihn in die Lage versetzte, sich mit frischen Pferden versehen zu können. Die ersten 170 Meilen ritt er, ohne den Sattel von seinem Pferd zu entfernen, und er war kaum nach Warner’s Rancho gelangt, als auch sein Pferd unter ihm zusammenstürzte. Von dort ab schlug er den Weg über Los Angeles nach dem Tularetal und dem San-Joaquin-Fluß ein und erreichte San Franzisko am neunten Tag seiner Reise, nachdem er nur zwei Pferde zuschanden geritten hatte.
Von San Franzisko begab er sich nach Erledigung seiner Aufträge zu Wasser zurück nach Los Angeles und kam in Fort Yuma rechtzeitig an, um das Kommando über den uns nachfolgenden Train wieder übernehmen zu können.
Lieutenant Ives hatte an der Mündung des Colorado das bestätigt gefunden, was schon in früheren Jahren über diese gesagt worden ist. Ich bediene mich hier seiner eigenen Worte: »Die Region an der Mündung des Colorado besteht aus einer flachen Anhäufung von Morast. Die Uferlinien und die Kanäle, zwischen denen Schiffe aus dem Golf in den Fluß gelangen, sind einer fortwährenden Veränderung unterworfen, und Bänke, Untiefen und Inseln, die aus einer halbflüssigen Masse bestehen, befinden sich in einem beständigen Wachsen und Schwinden.
Auf dreißig Meilen oberhalb der Mündung ist die Schiffbarkeit des Stroms zeitweise durch die Stärke und Größe der Flut sehr gefährlich. Diese hat eine Erhebung und einen Fall von fünfundzwanzig bis dreißig Fuß und eine außerordentlich reißende Strömung. Der Flut vorauf eilt eine mächtige Woge, die eine Höhe von vier bis sieben Fuß erreicht, und der Andrang derselben ist in einzelnen schmalen Biegungen furchtbar stark und heftig, doch verliert sie ihre Gewalt in dem Grad, wie sie sich stromaufwärts bewegt, und ihre Wirkung ist in der Entfernung von dreißig Meilen kaum noch wahrnehmbar. An den breiteren Stellen des Flusses befinden sich Einschnitte im Ufer, in denen der gewaltige Andrang des Wassers nicht so sehr gefühlt wird, und an diesen Stellen können Boote so lange versteckt liegen, bis die gefährliche Woge vorbeigerollt ist. Auf den Untiefen verursacht der plötzliche Widerstand, den das hereinstürzende Wasser findet, daß es in hohen, rasch aufeinanderfolgenden Wellen übereinanderrollt. Dampfboote, die während der Flut sich der Mündung nähern, müssen sich mit der Ebbe ganz hinabbegeben und zwei bis drei Stunden nach Eintritt der Flut zurückkehren. Die taube Flut steigt und fällt mit geringer Schnelligkeit nur zehn Fuß. Zwischen dem Flutwasser und Fort Yuma sind die Haupthindernisse für die Schiffahrt die Sandbänke. Weiter aufwärts werden diese zahlreicher und hinderlicher. Der Kanal ist außerordentlich gewunden und wechselt beständig seine Richtung. Die durchschnittliche Tiefe des Flusses beträgt auf dieser Strecke ungefähr zehn Fuß, doch verstopfen Sandbänke denselben vielfach bis auf zwei Fuß. Nur durch Erfahrung allein kann man sich die Fähigkeit verschaffen, diesen Teil des Colorado mit Erfolg zu beschiffen. Eine genaue Kenntnis von der Richtung des Kanals sich anzueignen ist unmöglich, da es vorkommt, daß während einer einzigen Nacht das Wasser seinen Kanal von dem einen Ufer nach dem anderen hinüberverlegt. Von der Gestaltung der Ufer, von der äußeren Erscheinung des Wassers, von den Wirbeln, dem schwimmenden Treibholz und von den sichtbaren Inseln und Sandbänken vermag ein geübtes Auge ziemlich genau auf die einzuschlagende Richtung zu schließen; doch legen Dampfboote selten den Weg zwischen den oben genannten Punkten zurück, ohne mehrere Male des Tages auf den Grund zu laufen. Die Entfernung Fort Yumas von der Mündung des Colorado beträgt hundertsechzig Meilen.«
Aus dem Umstand, daß Lieutenant Ives gezwungen wurde, die Reise des Dampfbootes zu beschleunigen, war ein Nachteil für uns erwachsen, der namentlich gegen das Ende der Expedition auf empfindliche Weise fühlbar für uns wurde. Da nämlich der kleine Dampfer bei weitem nicht imstande war, den in dem Schoner mitgeführten Proviant und die Ausrüstungsgegenstände zu fassen, so hatte Lieutenant Ives zwei große, flache Boote bauen lassen, die dazu bestimmt waren, die ganze Ladung aufzunehmen und demnächst von dem Dampfer stromaufwärts geschleppt zu werden. Infolge der empfangenen Depeschen mußten die beiden Frachtboote mit dem größten Teil ihrer Ladung zurückgelassen werden. Was man nach einer flüchtigen Übersicht für am unentbehrlichsten hielt und was auf dem kleinen Fahrzeug untergebracht werden konnte, wurde natürlich mitgenommen, alles übrige dagegen der Überwachung eines Maricopa-Häuptlings und der spätere Transport sowie die Unterbringung der Dampfschiffahrts-Gesellschaft und dem Kommandeur des Postens übergeben.
Diese Leute nun suchten nach besten Kräften das Eigentum der Expedition zu retten, doch stand es nicht in ihrer Macht, die vom Wasser verdorbenen Gegenstände zu ersetzen oder die Indianer und einzelne Soldaten von der schamlosen Unterschlagung unseres Eigentums abzuhalten. Genug, es gingen uns bei dieser Gelegenheit einige wertvolle Sachen verloren, und wir betrauerten am meisten Gegenstände und Instrumente, die beim Sammeln von Naturalien durch nichts ersetzt werden konnten. Das Dampfboot »Explorer«, dessen Rauchsäule wir schon am 8. Januar in der Ferne zu unterscheiden vermochten, langte endlich am Vormittag des 9. bei Fort Yuma an, und sogleich wurde alles in Bewegung gesetzt, die Ladung, die nicht weiter mitgeführt werden sollte, in einem der Lagerhäuser der Station unterzubringen. Der Aufbruch der Flußexpedition wurde auf den 11. Januar festgesetzt, und da die Ladung der »Explorer« so leicht wie nur möglich sein sollte, so herrschte bei uns allen die größte Geschäftigkeit, von unseren Sachen diejenigen auszusuchen, die wir nicht entbehren zu können glaubten. Kleidung und Schuhzeug beachteten wir am wenigsten, da unsere Abwesenheit von Fort Yuma nicht über sechs Wochen dauern sollte, für welche Zeit auch nur ein Vorrat von Lebensmitteln für die ganze Bemannung berechnet und eingelegt wurde.
Die »Explorer«, ein niedliches kleines Fahrzeug, schien den Zwecken vollkommen zu entsprechen, zu welchen es von Philadelphia bis zu diesem Punkt gebracht worden war. Der Rumpf hatte eine Länge von fünfzig Fuß, eine Breite von zehn Fuß, war vier Fuß hoch und aus starken Eisenplatten sicher zusammengefügt. Ein Verdeck hatte natürlich nicht angebracht werden können, und nur am Hinterteil befand sich ein kleiner Bretterverschlag, der sechs Fuß lang und ebenso breit und hoch war, so daß er höchstens drei mit Schreiben beschäftigten Personen hinlänglichen Raum gewährte. Diesen Bretterverschlag beehrten wir mit den Namen Kajüte. Den größten Teil des Raums in dem Boot nahm der Dampfkessel ein; dieser befand sich ungefähr in der Mitte und stand vollständig frei, nur gehalten von starken eisernen Stützen. Von dem Dampfkessel führten in der Höhe, so daß man bequem unter denselben durchschreiten konnte, zwei Dampfröhren nach den beiden Seiten der Kajüte zu den Maschinen, die das einzige große Rad in Bewegung setzten. Dadurch, daß sich das Rad am Hinterteil oder Stern des Schiffes befand, erhielt das ganze Gebäude eine entfernte