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bewegen könne. Dagegen forderte sie zwei Damen, welche die Fahrt mitmachten, zu einem kleinen Tänzchen auf, und die drei graziösen Figuren schwebten nun, indem sie mit geschickten Bewegungen sich vom Boden und den Wänden abstießen, Hand in Hand um das Zimmer. In ihren wehenden Schleiern glichen sie den Elfen des Märchens, die in der Mondnacht ihren luftigen Reigen führen. Darauf zogen sie sich wieder auf ihre Plätze zurück.

      Grunthe nahm sein Fernrohr aus der Tasche, streckte die Hand aus und öffnete sie dann. Das Fernrohr blieb frei in der Luft schweben, ohne zu fallen. Er konnte es sich nicht versagen, selbst einmal zu versuchen, wie es sich ohne Schwere gehe, und trat aus seinem Gestell. Sobald er aber dasselbe losgelassen und den Fuß zum ersten Schritt erhob, verlor er das Gleichgewicht und focht mit Händen und Füßen in der Luft herum, ohne wieder auf den Boden kommen zu können. Es sah ungeheuer possierlich aus, wie der ernste Mann hin- und herstrampelte, und Saltner war sehr froh, daß er Las Rat gefolgt war, sich nicht von seinem festen Punkt fortzuwagen. Erst durch Hilfe einiger Martier kam Grunthe wieder auf den Boden zu stehen und wurde in sein Gestell zurückgeführt.

      »Es schadet nichts«, sagte er, »man muß alles versuchen.«

      Jetzt erscholl ein neues Signal, worauf alle sich schleunigst in ihre Gestelle begaben. Gleich darauf wurde es ganz dunkel bis auf den matten Schimmer einer Lampe, welche genau die Mitte des Zimmers einnahm. Doch reichte ihr Schein nur aus, ihre Stelle zu bezeichnen, nicht aber, irgendwelche andere Gegenstände zu erkennen.

      »Was kommt denn nun?« fragte Saltner.

      Hil antwortete ihm. »Bis jetzt«, sagte er, »sind wir ohne Schwere durch den gegebenen Anstoß mit gleichmäßiger Geschwindigkeit gestiegen, und zwar sechs Minuten lang. Wir haben dadurch eine Höhe von ungefähr 10.000 Metern erreicht. Die Luft ist hier dünn genug, daß wir eine größere Geschwindigkeit annehmen können. Das Feld wird jetzt überkompensiert, das heißt, die ›Gegenschwere‹ überwiegt nun die Schwere, und wir ›fallen‹ nach oben, nach dem Ring zu. Sie werden bald merken, daß unsere Geschwindigkeit stark zunimmt, denn unser Fall nach dem Ring beschleunigt sich natürlich rasch.«

      In der Tat bemerkten Grunthe und Saltner bald dasselbe Gefühl, welches sie bei sehr beschleunigtem Fallen des Ballons zu haben pflegten. Es war, als würde ihnen der Boden unter den Füßen entzogen.

      »Was ist denn das?« rief Saltner. »Wir stürzen ja ab!«

      »Freilich fallen wir«, lachte La, »aber nach oben, das heißt, von der Erde fort.«

      »Ich fühle doch, daß der Boden unter den Füßen sich senkt.«

      »Ganz richtig, aber wo, glauben Sie, daß die Erde sich befindet?«

      »Nun, doch unter uns!«

      »Fehlgeschossen! Sie stehen jetzt auf dem Kopf wie ein Antipode. Die Erde ist über Ihrem Scheitel, unsre Füße sind dem Ring der Außenstation zugekehrt, wohin jetzt die Richtung der Fallkraft hinweist.«

      »Ach, liebste La, wollen Sie mich denn vollständig verdreht machen?«

      Als Antwort hörte er ihr leises Lachen.

      Es wurde wieder hell. Nichts im Zimmer hatte sich verändert.

      Die Martier verließen nun ihre Gestelle und bewegten sich wie gewöhnlich im Zimmer.

      Auch Grunthe und Saltner bemerkten, daß sich das eigentümliche Gefühl des Fallens ziemlich verloren hatte. Doch kam dies nur daher, daß sie sich daran gewöhnt hatten. Tatsächlich flog die Kugel mit immer größerer Geschwindigkeit auf ihr Ziel zu, von der Erde fort, und diese Geschwindigkeit sollte sich allmählich bis auf die kolossale Zahl von gegen zweitausend Meter in der Sekunde steigern.

      Der untere Teil der Kugel, unter dem Fußboden, war beschwert, so daß sich die Kugel je nach der Richtung der Fallkraft immer mit dem Boden des Zimmers nach unten einstellte. Diese Drehung hatte sich sofort vollzogen, als das Feld überkompensiert wurde und die Beschleunigung nach oben begann. Aber die Insassen hatten gar nichts davon bemerkt, da sie fest in ihren Gestellen ruhten und die Wirkung der Schwere im Anfang so gering war, daß es zu ihrer Aufhebung keiner merklichen Muskelkraft bedurfte. Sie standen jetzt, im Vergleich zu ihrem Aufenthalt am Pol, tatsächlich auf dem Kopf; im Vergleich zu der auf sie wirkenden Anziehungskraft befanden sie sich jedoch in der normalen Lage; sie standen auf ihren Füßen. Immerhin mußten sich Grunthe und Saltner vorsichtig bewegen, da das Feld nur um ein Drittel der Erdschwere überkompensiert war, das heißt so, daß die Insassen der Kugel unter einer anziehenden Kraft standen, wie sie sie auf dem Mars gewohnt waren. Die Menschen zogen es daher vor, sich auf den Sesseln am Tisch niederzulassen und dort zu bleiben. Es fehlte nicht an Unterhaltung mit den Martiern, die jetzt zu ihren Piks gegriffen hatten. Hil hatte sich überzeugt, daß die Menschen die Schwerelosigkeit leicht ertrugen. Saltner saß Hand in Hand mit La in vertraulichem Gespräch. Niemand kümmerte sich um sie.

      Eine halbe Stunde etwa nach der Abfahrt von der Erde mußten die Insassen des Wagens auf das gegebene Signal noch einmal ihre Plätze in den seitlichen Verschlägen einnehmen. Der Wagen hatte jetzt seine größte Geschwindigkeit erreicht und über die Hälfte seines Weges zurückgelegt. Es kam nunmehr darauf an, seine Geschwindigkeit zu vermindern und so zu regulieren, daß er gerade innerhalb des Ringes zur Ruhe kam. Dies geschah, indem man die Erdschwere wieder wirken ließ. Diese besaß jedoch in dieser Höhe nicht mehr die volle Stärke wie am Pol, sondern war nur noch etwa so groß wie auf dem Mars, ja auf dem Ring selbst betrug sie nur ein Viertel der unten herrschenden Schwere. Der Wagen glich jetzt einem Körper, den man mit großer Geschwindigkeit in die Höhe geworfen hat und der sich nun mit abnehmender Geschwindigkeit dem höchsten Punkt seiner Bahn nähert. Der Fußboden des Wagens mußte sich demnach wieder der Erde zuwenden, und diese Drehung wartete man bei verdunkeltem Wagen in den schützenden Gestellen ab. Den übrigen Teil der Fahrt über konnte man sich nach Belieben im Wagen bewegen, nur kurz vor der Ankunft wurden die Gestelle wieder aufgesucht. Denn der letzte Teil des Weges mußte mit gleichmäßiger, nicht sehr bedeutender Geschwindigkeit zurückgelegt werden, um das Anhalten des Wagens im richtigen Zeitpunkt zu regulieren. Dazu aber war es notwendig, diese Strecke abarisch, ohne jede Schwere zu durchlaufen, bis das Wiedereinstellen der Schwere in der letzten Sekunde den Wagen anhielt.

      Man bemerkte kaum das Anhalten des Wagens, so allmählich war es geschehen. Das Fallnetz hatte sich unter ihm geschlossen und war nach der Befestigung des Wagens wieder entfernt worden. Die Tür im Boden wurde geöffnet.

      Ehe die Reisenden den Wagen verließen, versahen sich alle mit Schutzbrillen für die Augen, da hier oben das direkte Sonnenlicht durch keine Atmosphäre gemildert war und alle Gegenstände, auf die es traf, in blendendem Glanz erscheinen ließ, während sich die Schatten tiefschwarz abhoben. Nun trat man in die mittlere Galerie des Ringes.

      Die Martier durchschritten dieselbe und begaben sich sogleich durch die Tür, welche die Überschrift trug ›Vel lo nu‹ – ›Raumschiff nach dem Mars‹ –, nach der oberen Galerie, über welcher das Raumschiff ruhte. Grunthe und Saltner dagegen wurden von Hil und La zunächst durch eine andere Tür nach der unteren Galerie geleitet, und zwar nach derjenigen, welche den Ring auf seiner äußeren Seite umzog.

      Eine zweite solche untere Galerie umgab den Ring auf der inneren Seite und enthielt die Apparate, durch welche das abarische Feld kontrolliert wurde. Hier befanden sich auch die Arbeitsräume der Ingenieure. Um nach der äußeren Galerie durch einen Verbindungsweg zu gelangen, mußte man zunächst die innere durchschreiten, und La begrüßte ihren Vater Fru, dem die Leitung der Außenstation oblag. Die äußere, sechs Meter breite Galerie sprang noch etwa zwei Meter über die Seitenwand des Ringes vor, so daß man an dieser vorüber in die Höhe blicken konnte. Sie diente als Aussichtsraum, von welchem aus der Blick auch nach der inneren Seite des Ringes frei war, so daß man nach unten den ganzen Horizont beherrschte.

      Ihrer vollen Länge nach hatte man nach Art eines Balkons eine Brüstung angebracht, so daß man glaubte, von diesem erhabenen Standpunkt aus direkt ins Freie zu sehen. Tatsächlich war man durch den vollkommen durchsichtigen Stoff der Außenwand vom luftleeren, eisigen Weltraum geschieden. Aber die in weiten Zwischenräumen sich folgenden Träger dieser Galerie hinderten ebensowenig die Aussicht wie der weiter oberhalb sich drehende durchbrochene

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