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Satan und Ischariot I. Karl May
Читать онлайн.Название Satan und Ischariot I
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Natürlich! Es ist ja sonst niemand mit mir an Bord gekommen. Und du kennst ihn nicht, wirklich nicht? Du hast ihn schon gesehen, und zwar unter solchen Verhältnissen, daß es geradezu verwunderlich ist, daß du ihn für einen Unbekannten hältst. Ich war vollständig überzeugt, daß er von dir erkannt worden sei, und darum winkte ich dir einigemale zu, vorsichtig zu sein und dich so wenig wie möglich von ihm sehen zu lassen, da er sich sonst auch deiner erinnern könnte.«
»Diese Winke sah ich, habe sie aber nicht verstanden. Ihr habt da mit diesem Manne eine Wichtigkeit, die ich nicht begreife. Ein Landstreicher, der froh ist, auf einer entlegenen Hazienda Schreiber werden zu dürfen, kann für uns doch von gar keiner Bedeutung sein!«
»Das würde ich auch sagen, wenn dieser höchst gefährliche Mann überhaupt die Absicht hätte, Buchhalter zu werden.«
»Wollt Ihr etwa sagen, daß er sich verstellt, daß er die Absicht hat, Euch an der Nase zu führen? Dann ist er entweder der größte Dummkopf, den es giebt, oder ein feiner, gescheiter Kerl.«
»Das letztere, das letztere! Denke doch einmal an Fort Uintah und was du dort erlebtest!«
»Viel Erfreuliches ist das nicht gewesen. Es war zu einer Zeit, in welcher dort gespielt wurde, wie nirgends sonst. Ich hatte gute Geschäfte gemacht und mir einen tüchtigen Beutel voll Dollars gespart, verlor sie aber in Uintah im Laufe einer einzigen Stunde. Glücklicherweise war Euer Bruder da, der mir eine gute Hand voll Dollars schenkte und mir dann auch bei dem Wirte eine Stelle als Kellner verschaffte. Ich habe ihn seitdem nicht wieder gesehen. Ihr wißt ja, weshalb er diesen Ort so plötzlich verlassen mußte. Man spricht natürlich nicht gern davon.«
»Warum nicht? Wer ein Mensch ist, und das sind wir ja alle, dem darf Menschliches passieren. Uebrigens hat er sich noch ganz gut aus der Affaire gezogen.«
»Das ist richtig. Er hatte sich eine so schöne, runde Summe zusammengespielt, als den Offizier der Teufel ritt, anzunehmen, daß Euer Bruder ein falscher Spieler sei. Es kam zum Streite; er sollte den Gewinn herausgeben, schoß aber den Offizier über den Haufen und machte sich davon. Zwei Soldaten, welche das Geschrei hörten und ihn draußen anhalten wollten, bekamen auch ihre Kugeln, sodaß sie umfielen wie die Hölzer; er gelangte aus dem Fort hinaus, nahm eins der dort grasenden Pferde und machte sich auf demselben aus dem Staube. Es war eine glorreiche That, unter diesen Verhältnissen und mitten aus einem befestigten Orte zu entkommen.«
»Entkommen? Ja, aus Uintah entkam er wohl – —«
»Nicht nur da, sondern später doch auch,« fiel Weller ihm in die Rede. »Freilich ist es ihm sehr hart an den Kragen gegangen. Er wäre überhaupt nie wieder ergriffen worden, wenn nicht Old Shatterhand sich hinter ihm hergemacht hätte. Muß der Mensch Augen haben! Volle vier Tage lang war man hinter Eurem Bruder her, ohne ihn zu finden, oder gar zu fassen; da mußte Old Shatterhand kommen und die Sache hören. Der erschossene Offizier war ein guter Bekannter von ihm und darum und ohne einen andern Grund zu haben, machte er sich augenblicklich wieder fort auf den Weg, um Euern Bruder zu erwischen.«
»Ja, volle vier Tage später und nachdem es keinem Soldaten oder Pfadfinder gelungen war, die Spur zu entdecken. Dieser Halunke aber hat die Nase eines Bluthundes; er fand die Fährte und jagte meinen Bruder bis nach Fort Edward hinüber, wo er ihn dem Kommandanten übergab. Der arme Teufel sollte gehängt werden, entkam aber noch in der letzten Nacht im Anzuge des Soldaten, der ihn zu bewachen hatte und die Dummheit besaß, sich von ihm erwürgen zu lassen. Du hast doch Old Shatterhand damals auf Fort Uintah gesehen?«
»Nur im Vorüberreiten. Er war vor kaum einer halben Stunde gekommen, hatte die Thatsache gehört und ritt eben wieder fort, als ich unter der Thür stand und von dem Nachbar hörte, daß dieser Jäger angekommen sei.«
»So ist es freilich kein Wunder, daß du ihn heute nicht erkannt hast.«
»Heute?« fragte der Aufwärter im Tone äußersten Erstaunens. »Was wollt Ihr damit sagen? Doch nicht etwa, daß der sogenannte Buchhalter gar Old Shatterhand sei?«
»Ja; gerade das ist‘s, was ich sagen will.«
»Welch ein Irrtum! Dieser Mensch und Old Shatterhand! Wer den Jäger selbst nur im schnellen Vorüberreiten gesehen hat, weiß ganz genau, daß er mit dem Schreiber nicht das mindeste zu thun haben kann!«
»Und dennoch ist er es. Zeit und Ort sind verschieden, und das Gewand, welches er heute trägt, ist auch anders als der Lederanzug, in dem du ihn jedenfalls gesehen hast.«
»Dennoch ist es unmöglich, ganz und gar unmöglich! Der Mensch mit dem dummen Gesicht, dem ich die Koje des Herkules anweisen mußte, soll Old Shatterhand sein? Sir, ich will alles glauben, alles, was Ihr mir sagt, doch dieses eine nicht, nein, niemals!«
»Ich habe unumstößliche Beweise. Hast du das Gewehr des Mannes gesehen?«
»Nein. Es schienen zwei zu sein; sie steckten in einem leinenen Futterale.«
»Es sind zwei, und jedermann weiß, daß Old Shatterhand stets seine beiden Gewehre bei sich hat, einen Bärentöter und einen Henrystutzen, Gewehre, welche ihresgleichen nicht wieder haben. Ich habe im Hotel gar wohl bemerkt, daß ich sie nicht sehen sollte, sie mir aber von dem
Wirte, welcher sie in den Händen gehabt hatte, genau beschreiben lassen. Der Westmann trat als armer Teufel auf und hat doch den Wirt mit seiner ganzen Familie mit sich essen und trinken lassen. Wäre er wirklich der, für den er sich ausgiebt, so würde er auf mein Anerbieten sofort und mit Freuden eingegangen sein; er hat sich aber unter dem lächerlichsten Vorwande, den es geben kann, Bedenkzeit ausgebeten. Er hatte mich nie gesehen und beobachtete mich doch immerfort sehr scharf. Ich ließ ihm nicht merken, daß ich dies sah. Die Aehnlichkeit mit meinem Bruder ist ihm aufgefallen. Er kam von der Sierra Verde herab. In diese öde und gefährliche Gegend versteigt sich kein gewöhnlicher Mensch, am allerwenigsten aber einer, der fremd im Lande ist, zumal es jenseits Empörung und infolgedessen die unsichersten Verhältnisse gab. Da hinauf und da hinüber wagt sich nur ein kühner und erfahrener Mann, der sich auf sich und seine Waffen verlassen kann. Bedenke, daß er ohne alle Begleitung, also ganz allein gewesen ist!«
Es läßt sich denken, daß ich mit der größten Spannung Ohrenzeuge dieses Gespräches war. Mein Instinkt hatte mich nicht nur nicht betrogen, sondern, wie ich jetzt einsah, mir und voraussichtlich auch andern einen großen Dienst geleistet. Jetzt wußte ich mit einem Male, warum mir das Gesicht des Mormonen nicht nur wegen des Widerspruchs seiner Züge aufgefallen war. Der Grund lag, wie er selbst sagte, in der Aehnlichkeit mit seinem Bruder, dem Mörder jenes Offiziers, welcher mir sehr nahe gestanden hatte. Die Freundschaft für den Ermordeten hatte mich veranlaßt, dem Thäter zu folgen, den ich, wie soeben gesagt worden war, bis nach Fort Edward getrieben und dort ergriffen hatte. Ich wußte jetzt, woran ich war. Meine Ahnung hatte wieder einmal recht ge- gehabt. Der Mormone war ein Bruder jenes Falschspielers und mehrfachen Mörders, und die Art, wie er sich über diesen und sein Verbrechen geäußert hatte, war Beweis genug, daß auch er mit den Gesetzen auf keinem guten Fuße stand.
Leider aber sah ich ein, daß ich durchschaut worden war, wie ich nun weiter hörte. Daß der eigentümliche Wirt des Hotels die Marotte gehabt hatte, ein Fremdenbuch zu führen, und daß ich meinen Namen in dasselbe gegeben hatte, das waren die ersten Ursachen davon gewesen, daß der Mormone auf den Gedanken gekommen war, ich sei Old Shatterhand. Dazu kam die Schwatzhaftigkeit des Wirtes, welcher meine Gewehre beschrieben hatte, und noch verschiedenes andere, was Melton jetzt erwähnte und aufzählte. Sogar das erwähnte er, daß ich nicht unter dem Dache, sondern im Hofe geschlafen hätte, weil ich als Westmann dies so gewöhnt sei. Er brachte all diese Gründe so gut vor, daß der Aufwärter doch auch zu der Ueberzeugung gelangte, welche der Mormone hegte. Er sprach seine Zustimmung aus und meinte dann:
»Also angenommen, daß wir es wirklich mit Old Shatterhand zu thun haben, welchen Grund kann der haben, mit nach der Hazienda gehen zu wollen?«
»Es werden mehrere und verschiedene Gründe sein. Hat er erkannt, daß ich der Bruder meines Bruders bin, so wird er glauben, denselben da suchen zu müssen, wo ich mich befinde. Er hängt sich also an mich. Sodann muß ihm als erfahrenem Manne und Kenner der Verhältnisse