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– в конце рабочего дня

      die Stiefel knatschten vor Nässe – в сапогах хлюпала вода

      II

      Einen Tag nach Richards Abtransport flüchtete Karl aus dem Gefangenenlager. Das Verlangen nach Anna trieb ihn auf den großen Weg.

      Den Entschluss, zu Anna ins Zimmer zu treten und sie als seine Frau zu begrüßen, zu behaupten, er sei ihr Mann, er sei Richard, hatte er gefasst, aus Angst, sie anders für das Leben nicht gewinnen zu können. An einer Liebschaft lag ihm nichts. Sein Wesen verlangte in triebhafter Sehnsucht nach einem Menschen, für den er das Leben und der für ihn das Leben sein konnte.

      Dass er denselben Beruf, die gleiche Körpergröße, Haar- und Augenfarbe, die allen Metallarbeitern eigene Gesichtshaut, ja sogar, wie Richard, besonders starke und auffallend geschwungene Brauen hatte, überlegte Karl nur flüchtig.

      Er kannte Annas Vergangenheit mit Richard in allen Einzelheiten so genau, als hätte er sie miterlebt, war ganz erfüllt von Annas Wesen. Sie war in seiner Vorstellung für ihn die Heimat geworden, die jeder Mensch bei einem Menschen sucht. Er liebte sie.

      Erst ein Vierteljahr nach seiner Flucht aus dem Lager erreichte Karl die Stadt, in der Anna wohnte.

      Er hatte, immer in Angst, gefasst zu werden, die riesige Strecke durch Nacht und Wald, von Versteck zu Versteck, über mehrere Landesgrenzen, Ströme entlang im Sonnenbrand zu Fuß zurückgelegt und während dieser Zeit nur wenige Nächte unter einem Dach geschlafen.

      Die ersten frei stehenden Hochhäuser der Vorstadt erhoben sich dunkel inmitten herbstlicher Stoppelfelder. Er kannte die Stadt nicht. Er kannte genau das Aussehen des Hauses, wusste die Nummer. Er wusste den Weg. Sie wohnte nicht weit.

      Abendregen hatte den Staub von Gesicht und Schuhen des Heimgekehrten abgewaschen.

      Er trat in einen Friseurladen, legte sein kleines Bündel, das in durchnässtes Zeitungspapier eingewickelt und mit einem Riemen umschnallt war, auf den Stuhl und den Hut darauf. Der Friseur hängte den Hut an den Haken und zeigte die Handfläche: „Bitte!“

      Karl hatte sich auch in der Gefangenschaft jeden Sonnabend rasiert und öfters zu Richard gesagt: „Wenn du früher immer bartlos warst und einstmals nach so vielen Jahren mit einem Vollbart heim kommst, wird Anna dich gar nicht gleich erkennen.“

      Erfüllt von der Ungeduld und Freude eines Mannes, der nach langer Trennung heimkehrt zu seiner Frau, die er liebt, eilte Karl die Straße hinunter, auf Annas Haus zu, in dem ein kleiner Schuhladen war.

      Hinter dem Schaufenster lagen drei Paar alte Stiefel, eine umgefallene zerbrochene Blumenvase und eine schlafende Katze. Der Schuhladen sah ganz anders aus, als Karl sich ihn vorgestellt hatte. Nach Richards Schilderung waren vor vier Jahren mindestens zweihundert Paar neue Schuhe, jedes einzelne Paar versehen mit einem blauen Pappenscheibchen, auf denen mit großen gelben, erhabenen Zahlen die Preise standen, und ganz im Vordergrunde, genau in der Mitte, auf einer Glasplatte, ein Paar besonders große Lackstiefel mit hellgelben Schäften und einem Zettel:“Das ist elegant.“

      Dazwischen liegt der Krieg, dachte Karl. Er empfand Angstdruck über dem Magen. Freude und Ungeduld waren weg.

      „Zweiter Hof, Eingang links, zwei Treppen, zweite Tür links.“ Beim Hinaufsteigen betrachtete er die verkratzten schablonierten Wände. Richard hatte ihm das Schablonenmuster aufgezeichnet. Der Druck über dem Magen wich nicht. Er wollte umkehren, später wiederkommen.

      Er nahm langsam die zwei letzten Stufen, blickte umher, machte die Schritte und stand vor der Tür, las den Namen.

      Mit dem inneren Blick sah er, wie Anna hantierend vor dem Gaskocher stand: den Nacken, den leichtgeneigten Kopf. Er sah, wie sie zum Tische schritt, wieder zurück zum Kocher. Ihre Gebärden waren ihm tief vertraut.

      Karl hatte von Annas Erscheinung eine so genaue Vorstellung, dass er sie auch bei flüchtigem Einblicken im Gewühl der Straße von ferne sofort erkannt haben würde.

      Benommen von schwerer Angst, griff er mit der festen, großen Arbeitshand zwischen Kragen und Hals und sah plötzlich sich selbst die Treppe wieder hinuntersteigen.

      Da hatte er schon geklopft und die Tür geöffnet. „…Anna!“

      Sie ging vom Fenster in die Zimmermitte, nahm einen Teller vom Tisch.

      Und er erlebte, dass auch die brennendste Vorstellung noch übertroffen wird von der atmenden, plastischen Wirklichkeit eines Menschen, dessen wechselnde Gesichtszüge durch das Blut mit dem Leben verbunden und selbst das Leben sind; dessen Gestalt sich vom Hintergrunde abhebt; dessen Bewegungen in den umgebenden Raum schneiden.

      Karl wurde von Hautschauern überrieselt. Aus seinen Augen brach die Freude. „Anna! Anna! Erkennst du mich?“ Das war keine Lüge.

      Angesichts dieser Freude verging ihre Angst. Im Gefühl dieser Erleichterung fragte sie neugierig und frei:“Wer sind Sie?“

      Anna trug ein ausgewaschenes, blaues Grobleinenkleid, das über den Hüften und hohen Brüsten von der Sonne heller gebleicht war. Ihr einfaches, solide gefügtes Gesicht hätte der Natur als Vorbild dienen können für die Frauen mit Kraft, Wärme und unverstelltem Gemüt.

      Wie beim Friseur legte er sein Bündel auf den abgenutzten Stuhl und den Hut darauf. „Die Stühle muss ich ablaugen und frisch streichen. Ich hab’s dir schon damals gesagt, dass die Farbe nicht lange halten wird.“

      Anna erinnerte sich sofort an diesen Ausspruch ihres Mannes. Verwirrung flog über sie hin.

      „Hast mich also nicht erkannt!“

      „Wer sind Sie denn?“

      Seine Wangen wurden weiß, auch die Lippen. „Richard.“

      Da trat sie zurück, Hand auf den Tisch gestützt. „Mein Mann? … Sie sind doch nicht mein Mann!“

      „Anna! Er machte, vor Erregung plötzlich knieschwach, zwei Schritte und setzte sich. „Anna!“

      Sein Ton berührte sie.

      Gleich einer Frau, die selbst in der Stunde, da ihr der schwerste Schicksalsschlag widerfahren ist, die kleinen Täglichkeiten weiter verrichtet, ging sie zum Gaskocher, hängte das Salzgefäß auf, sammelte die drei gebrauchten Streichhölzer und stand sekundenlang reglos, Kopf gesenkt, in genau derselben Haltung, wie Karl sie kurz vorher mit dem inneren Blick hatte stehen sehen.

      Sie wandte sich in einer Art um, als ob sie in einem anderen Zimmer gewesen und wieder in die Wohnküche zurückgekehrt wäre. Rote Flecke waren entstanden auf den milchigen Schläfen.

      Ihr reines, unverstelltes Wesen erlaubte ihr nicht, selbst gegen besseres Wissen einem Menschen, der in solchem Tone sprach, ohne weiteres den Glauben ganz und gar zu versagen. Sie blickte wie eine schwer angegriffene Frau, die sich nicht wehren kann.

      „Nun“, sagte er, „nun, Anna, glaubst mir nicht? … Und ich seh’ doch auf der Welt nur dich.“ Durch sein Lächeln zog der warme Strom des Lebens mit allem Ungemach und allem Glück des Lebens, und die Lüge wurde ihm zur Wahrheit, als er sagte:“Bist meine Frau.“

      Anna wusste, dass er nicht die Wahrheit sprach, und empfand zugleich in seinen Worten die Wahrhaftigkeit seines Gefühls. Hände auf der Brust übereinandergelegt, stand sie da, fassungslos, weil der fremde Mann, der dort vorgebeugt auf dem Stuhle saß, ihrem Gefühl nicht unbedingt fremd war.

      Sie ging zum Schrank. „Heiliger Himmel! Warum sagen Sie das!“

      Sie wühlte in der Schublade und reichte Karl eine vergilbte Postkarte. „So lang schon! Vier Jahre schon!“ Sie legte die Hände sofort wieder auf der Brust übereinander.

      Karl las die Mitteilung der Militärbehörde, dass Richard am 4. September 1914 gefallen sei, wandte die Karte um und wieder um, las noch einmal und lächelte. „Das stimmt doch nicht. Also, Anna, das stimmt nicht.“

      Er griff nach ihrer Hand. „Was die da schreiben! … Kannst mir schon glauben.“ Er war so bewegt und gelöst vor Freude, dass sie

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