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      Vorwort

      Hätte ich dieses Buch im Rahmen meines privaten psychologischen Studiums, - so wie es hier auf den folgenden Seiten vorliegt -, genießen dürfen, hätte ich viel eher die Fehlannahme der Symposion verstanden und wäre beachtlich in meinen Gedankengängen konstruktiver gewesen.

      Ich freue mich allen Stundenten dieses Buch nicht nur als zeitgeschichtliches Kunstwerk, sondern insbesondere auch als fach-didaktische Krönung der Symposion hinterlassen zu können.

      Ich danke all meinen Helfern, die tatkräftig bei der Übersetzung geholfen haben, um dieses Werk so sinngemäß und wesentlich zu halten, wie es nur eben geht.

      Mit noblem Grüßen

      Fitim Maliqi

      Das Problem: Platonische Symposion

      Unter all den herrlichen Werken, die Platons Genius geschaffen hat, gebührt dem Symposion die Krone. Seine echt attische Grazie und Anmut erinnert an die Schöpfungen des Praxiteles. Keine andere Schrift zeigt Platons universales Können in gleichem Maße. Der Dichter wie der Philosoph hat hier die höchste Staffel erklommen.

      Den Forscher aber stellt dieses Wunderwerk vor eine schwierige Aufgabe. Seine Lehren stehen zu dem Inhalt anderer platonischer Schriften aus früherer und späterer Zeit in so schroffem Widerspruche, daß man versucht wäre, die Echtheit des Symposion in Zweifel zu ziehen, wäre sie nicht über jeden Zweifel erhaben.

      Eine gegensätzliche Auffassung zeigt das Symposion z. B. gegenüber dem ‚Gorgias‘ in der Beurteilung der Dichter: im ‚Gorgias‘ ausnahmslos als Diener des Pöbels gebrandmarkt (p. 502 b ff.), erfahren sie im Symposion die entgegengesetzte Behandlung; ihre Ersten, Homer und Hesiod, werden mit den großen Gesetzgebern Lykurgos und Solon in eine Linie gestellt und um des unvergänglichen Ruhmes ihrer Schöpfungen willen den Heroen gleichgesetzt (p. 209 a–e).

      Wie das Schaffen des Dichters, so betrachtet das Symposion auch die Äußerungen des Ehrgeizes (φιλοτιμία) als Betätigung des geistigen Zeugungstriebes, mithin des höchsten Preises wert. Ja, das Streben nach unvergänglichem Nachruhm, im Grunde eine φιλοτιμία höheren Grades, wird geradezu als das eigentliche Motiv der geistigen Zeugung bezeichnet.

      Damit harmoniert nun keineswegs die Verurteilung der φιλοτιμία im Staat (I, 347 b).

      Indes ließe sich in diesen beiden Fällen ebenso wie bei der Differenz in der Beurteilung des παιδοσπορεῖν, welche das Symposion gegenüber dem ‚Phaidros‘ aufweist (der Phaidros tut p. 250 e ff. das παιδοσπορεῖν verächtlich ab und betrachtet es als Abirren vom wahren Ziel, während 4das Symposion darin das Ewigkeitsstreben des Menschen – wenn auch in niederem Grade – erfüllt sieht), mit der Annahme eines Wandels der Anschauung durchkommen.

      Aber die Stellung, die Platon im Symposion gegenüber der Unsterblichkeitsfrage einnimmt, läßt sich so einfach nicht erklären.

      Streben nach Unsterblichkeit und Ewigkeit bezeichnet das Symposion als das Wesen des Eros. Ein Streben setzt, wie Platon nicht verborgen ist, ein Entbehren voraus. P. 200 a ff. legt er dies ausführlich dar und begegnet im vorhinein dem Einwand, daß doch z. B. der Reiche nach Reichtum strebe, sein Besitz ihn also nicht am Streben hindere, mit der Bemerkung, dieses Streben richte sich nur darauf, den Besitz des Reichtums für die Zukunft zu erhalten, da der Reiche in der Gegenwart reich sei, ob er wolle oder nicht. Es kann hiernach gar kein Zweifel sein, daß Platon im Symposion die Seele nicht als unsterblich betrachtet hat. Natorps Versuch,[1] die Differenz zwischen der Auffassung des Symposion und der des ‚Phaidon‘ aufzulösen, ist unbedingt zurückzuweisen, als dem klaren Wortlaut des Symposion widersprechend. Da Platon Symp. p. 207 a ff. ausdrücklich sagt, wer bloß die körperliche Zeugung betätigt habe, lebe, dem Tiere gleich, einzig und allein in seinen Kindern fort, so geht es nicht an, den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele, d. h. jeder Seele in das Symposion hineinzuinterpretieren.

      Der Umstand, daß im Symposion die Seele nicht als unsterblich gilt, würde dieses Werk einer frühen Schaffensperiode Platons zuweisen, einer Zeit, da er, der Auffassung des Sokrates getreu, die Unsterblichkeit der Seele durchaus nicht als einen Hauptlehrsatz seiner Philosophie betrachtete. Nun enthält aber das Symposion die Ideenlehre, jene ureigenste Schöpfung platonischen Geistes, was seine Zugehörigkeit zu ‚Phaidon‘, ‚Phaidros‘ etc. beweist und allen jenen Dialogen die Priorität sichert, welche von der Ideenlehre noch nichts wissen oder nur deren erste Keime aufweisen: also (von der Apologie abgesehen) Protagoras, Hippias minor, Laches, Charmides und – Gorgias. Über dem Gorgias schwebt der Geist der Ideenlehre, hat Th. Gomperz [2] treffend gesagt; er geht dieser also voraus. Derselbe Gorgias aber verficht bereits mit höchster Energie die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, in Übereinstimmung mit allen späteren Werken Platons. Wie haben wir uns danach das Verhältnis des Symposion zum Gorgias zu denken? Jeder der beiden Dialoge scheint Anspruch auf die Priorität zu erheben. Bei reiflicher Überlegung werden wir dieselbe aber doch dem Gorgias zuerkennen müssen. Denn es erscheint undenkbar, daß eine Schrift, welche eine bestimmte Lehre bloß in ihren keimenden Anfängen enthält, jener 5Schrift nachgefolgt ist, die diese Lehre bereits voll ausgebildet zeigt. Wir müssen also das Symposion dem Gorgias nachfolgen lassen und damit ein Schwanken Platons gegenüber dem Unsterblichkeitsglauben annehmen. Es steht ja auch die Lehre des Symposion, die Seele sei zwar nicht von vornherein unsterblich, könne es aber (durch die geistige Zeugung) werden, zwischen dem Glauben an die Vergänglichkeit der Seele und der Überzeugung von ihrer Unsterblichkeit in der Mitte und gleicht mehr einer Modifikation des Unsterblichkeitsglaubens. Wodurch aber kann Platon veranlaßt worden sein, an der Lehre von der Unsterblichkeit der Seele eine Modifikation vorzunehmen, die er später doch wieder beseitigt hat?

      Diese Frage zu beantworten, sei gleich in medias res, d. h. zur Analyse der Eroslehren des Symposion übergegangen.

      II

      Das Symposion gipfelt in Sokrates' Rede, welche für die philosophische Würdigung des Dialoges fast allein in Betracht kommt; nicht zwar, als ob die Reden der übrigen Teilnehmer philosophisch gänzlich bedeutungslos wären, vielmehr enthält jede einen Gedanken, den Sokrates in seiner Rede verwertet oder doch, wenn auch nur polemisch, berücksichtigt: so berührt bereits Phaidros (p. 178 d ff.) den hohen sittlichen Wert des Eros und stellt (p. 180 b) die später von Sokrates begründete Behauptung auf, um Tugend und Glückseligkeit zu erwerben, sei des Eros Hilfe besser als die jedes anderen Gottes. Pausanias unterscheidet zwei Arten des Eros, eine gute und eine schlechte: die schlechte gelte bloß den Reizen des Körpers, die gute der Tugend und Vollkommenheit (p. 180 d ff.). Diesen Gegensatz, den dann Eryximachos in seiner Rede auf die ganze organische und anorganische Natur ausdehnt (p. 186 a] ff.), akzeptiert Sokrates mit seiner Unterscheidung zwischen körperlichem und geistigem Eros. Die Reden des Eryximachos und Aristophanes enthalten die damals gangbaren Theorien über das Wesen der Liebe, die des ersteren empedokleische und heraklitische Ansichten, die des letzteren jene bereits im ‚Lysis‘ behandelte Definition der Liebe als des Strebens nach dem Eigenen, dem οἰκεῖον.[3]Auch mit diesen Theorien setzt sich Sokrates in seiner Rede auseinander; er legt dar, wie weit sie berechtigt sind. Des Gorgias Schüler Agathon endlich betont zu Sokrates' lebhafter Befriedigung, erst müsse das Wesen des zu preisenden Gottes festgestellt sein, bevor man über sein Wirken sprechen könne (p. 195 a beziehungsweise 199 c).[4]

      6Eben darum aber, weil Sokrates den Reden seiner Vorgänger alles Brauchbare entnimmt, kommt diesen Reden kein besonderes philosophisches Interesse zu: sie dienen künstlerischen, wohl auch didaktischen Zwecken. So genügt es für unser Vorhaben, die Rede des Sokrates zu analysieren.

      In seinem Vorgespräch mit Agathon (p. 199 c–201 d) stellt Sokrates fest, daß der Eros ein Objekt haben müsse; da man aber nur begehre, was man nicht hat, der Eros aber auf das Schöne und das davon unzertrennliche Gute ausgehe, so könne Eros selbst weder schön noch gut sein. Weit gefehlt aber wäre es, ihn darum für häßlich und schlecht zu halten. An dieser Stelle entwickelt Sokrates den Begriff des Mittleren (μεταξύ). An dem Beispiel des ὀρθὰ δοξάζειν wird

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