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      Elke Weickelt, 1953 in Oldenburg i.O. geboren, wuchs in Hannover auf. Nach dem Abitur studierte sie Medizin in Kiel und reiste danach ein Jahr mit dem Rucksack durch Südostasien. Anschließend arbeitete sie an einem großen Psychiatrischen Krankenhaus in Süddeutschland, machte ihren Facharzt und promovierte über Alzheimer Demenz. Danach war sie in der Klinik nur noch halbtags tätig, um Kunst zu studieren. Nach Abschluss des Studiums arbei­tete sie hauptberuflich als Bildende Künstlerin, Teilzeit weiter in der Psychiatrie. Ihre Reise nach Südamerika startete sie, nachdem sie als Ärztin berentet war.

      Elke Weickelt

      Esta sola

      Sind Sie allein?

      Ein Jahr durch Südamerika

      Ein Reisebericht

      LINDEMANNS

      Vorwort

      Warum reisen? Das ist mein Traum. Wenn ich nicht mehr arbeiten muss, möchte ich mich zeitlos auf den Weg nach Südamerika machen. Mit 65 Jahren, mindestens ein Jahr ohne Rückflugticket, alleine mit wenig Gepäck. Nicht reisen, sondern sein, nicht planen, sondern alles auf mich zukommen lassen, alles offen, nichts festgelegt, keine Verpflichtungen. Ohne Kalender, ohne Zeitdruck. Die Länder Lateinamerikas kennenlernen, die Natur, die Menschen, die Verhältnisse.

      Reisende sein, obwohl ich Touristen nicht mag, aber dennoch unter Fernweh leide. Zeitlos unterwegs sein heißt, nicht schon beim Aufbruch an die Rückkehr denken.

      So beginnt mein letzter Lebensabschnitt. Ich muss gar nichts mehr. Das Einzige, was ich jetzt noch muss, ist sterben. Aber ich kann mich noch auf den Weg machen, unterwegs sein, die Welt kennenlernen, Neues suchen, Neues finden, mich erfahren, fühlen, Menschen begegnen. Ich bin gesund, keiner weiß, wie lange noch, und dafür bin ich dankbar. Jetzt werde ich diesen meinen Traum verwirklichen. Nicht morgen, nicht im nächsten Jahr – jetzt. Und was träume ich da eigentlich?

      „Das Unsagbare finden – das Wirkende, des der Verstand nicht habhaft wird – denn es ist und kann nur im Sein erkannt werden.“ Das gibt mir meine Freundin Gudrun mit auf den Weg.

      Gudrun treffe ich kurz vor meiner Abreise auf einer Vernissage. Sie kann sich so gut in Kunst einfühlen. Sie lebt in Hannover und arbeitet als Psychotherapeutin. Sie geht jetzt auch in Rente, sie ist über 70.

      „Ja, was ist das Unsagbare?“, frage ich sie. Gudrun zitiert nicht, sie findet diese Sätze, obwohl ja natürlich alles Inhaltliche nicht neu ist und schon gedacht wurde, so wie alles Gemalte irgendwann auch schon einmal gemalt wurde.

      Gudrun meint, unser Schicksal ist schon festgelegt, vorbestimmt. Wir erfüllen es, indem wir leben. Wir sind damit auch ein Teil vom ganzen Strom des Lebens. Wir leben unser Schicksal und dann können wir es erkennen, sozusagen retrospektiv.

      Die Erkenntnis nur retrospektiv? Eine interessante Idee – natürlich – eigentlich logisch. Erst muss etwas da sein, erfahren sein, erlebt sein, bevor man es erkennen kann. Wie ist das in der Naturwissenschaft und in der Philosophie? Brauchen wir überhaupt Erkenntnis? Wir können das auch lassen. Das ist dann vielleicht noch einfacher und nicht so anstrengend. Tiere brauchen das auch nicht.

      Was bedeutet der Satz, das Unsagbare finden, das nur im Sein erkannt wird? Sie meint, es sei wohl ein Spiegel auf mich, auf mein Vorhaben. Damit kann ich etwas anfangen und es hat in der Tat viel mit meinem Unterwegs – Sein zu tun.

      Ich möchte nicht reisen, sondern sein. Ich reise nicht, ich bin. Ja, was ist dann der Unterschied? Natürlich reise ich auch. Aber ohne Zeitplan. Diese Zeitlosigkeit, das One-Way-Ticket sind meine Basis. Ich kann bleiben, wenn ich will und wo ich will und wie lange ich will.

      Eine andere Freundin von mir spricht immer vom So-sein und Da-sein, das erinnert mich an den so vielfach gebrauchten Begriff vom Hier und Jetzt, den alle möglichen Ideologen und Welterklärer als einfache Regel zum Glücklichsein preisen.

      So-sein ist „Ich“ mit allem, was dazu gehört, und Da-sein ist einfach „hier jetzt“ leben.

      Mir gefällt das, es befreit mich von weiteren philosophischen Ausflügen und quälenden Recherchen über Vergangenheit und Zukunft. Damit erübrigt sich die Unfrage nach dem Sinn des Lebens.

      Seneca sagt: Alle Menschen existieren, aber nur die wenigsten leben. Die Angst, nicht gelebt zu haben ist größer als die Angst vor dem Tod. Aber was heißt das? Für mich heißt leben auch der Zustand der Selbstvergessenheit, wie ihn Kinder haben und Erwachsene ihn sich mühsam „erarbeiten“ müssen. Wenn mir das gelingt, erfüllt es mich mit einer tiefen Zufriedenheit.

      Und ja, ich werde allein reisen, auf Spanisch: „sola“. Erst einmal gibt es niemand, der mich begleiten könnte. Zeitlos – darauf lässt man sich nicht so einfach ein. Das birgt nur Unsicherheit in jeder Beziehung. Und jeder hat so viel zu tun zuhause, einen Terminkalender und sogenannte Verpflichtungen.

      Und es müsste ja auch passen, in den Gewohnheiten, den Bedürfnissen, den Interessen. Obwohl ich mich ja für einen flexiblen und toleranten Menschen halte – ja doch, kann man vielleicht so sagen, habe ich vor dieser Reise eine einschneidende Erfahrung gemacht.

      Eine alte Schulfreundin hatte mir vor einem Jahr, als ich ihr von meinem Plan erzählte, signalisiert: Oh, ich gehe zum selben Zeitpunkt in Rente, ich hätte große Lust mitzukommen.

      Gut, dann erproben wir, ob wir zusammenpassen. Wir haben eine Woche Bilbao gebucht, ein Appartement und wollten schauen, wie es läuft.

      Ja also, als wir am Flughafen waren, wollte sie mit dem Taxi in die Stadt. Viel zu teuer, völliger Quatsch, alle zehn Minuten fährt ein Bus. Ok. Im Zentrum sind wir ausgestiegen, 20 Minuten zu Fuß zur Unterkunft. Ein traumhaftes Wetter, ein schöner Gang durch die Altstadt. Wir nehmen ein Taxi – warum? Wir können laufen.

      Das Laufen ist dann gescheitert, weil eine Rolle von ihrem Rollkoffer abgebrochen ist, weil der Koffer viel zu schwer war für eine Woche, weil ihr der Rücken wehtat. Wir haben ein Taxi genommen. Ich erzähle nur noch drei weitere Episoden dieses Aufenthaltes, das muss dann reichen, die Antwort auf die Ursprungsfrage erübrigt sich damit. Die Menschen sind eben so unterschiedlich.

      Am nächsten Tag zu Fuß am Fluss entlang ins Museum, 30 Minuten Dauer. Kein Taxi, ok. Nach zehn Minuten eine Blase am Fuß, laufen erschwert bis unmöglich. Wie soll man da eine Stadt entdecken?

      Jeden Abend E-Mails checken statt die Altstadt erkunden.

      Dann Busfahrt nach San Sebastian, eine Stunde 15 Minuten. Nach 20 Minuten wurde ihr schlecht: Beim Busfahren wird mir immer übel. Meine Frage. Wie willst Du durch Südamerika reisen?

      Ich sage nichts mehr. Sie musste sich vorne neben den Fahrer setzen, der einmal anhalten musste zum Kotzen.

      Na ja, das reicht. Wir hatten dann kaum noch Kontakt. Es ist nicht so, dass ich das verurteile, aber für mich passt es eben nicht.

      Und zu zweit zu reisen oder gar zu mehreren ist etwas ganz anderes, kein Vergleich. Niemals ist man so auf sich selbst zurückgeworfen, wie wenn man alleine unterwegs ist. Niemals lernt man so viele Menschen kennen, wirklich kennen, wie wenn man alleine ist. Niemals ist Selbstständigkeit, auch die seelische, so wichtig und niemals ist Kreativität so gefragt, wie wenn man alleine ist.

      Abgesehen davon habe ich mich niemals alleine gefühlt, aber dazu später mehr.

      „Ja, und hast Du keine Angst?“, werde ich immer wieder gefragt. Südamerika, Kriminalität, Überfälle, Drogen, schlechtes Gesundheitssystem, vielleicht doch Verständigungsschwierigkeiten? Als Frau alleine? Einsamkeit? Machos, Anmache und sexuelle Übergriffe?

      Lieber Gott, ich bin alt. Nein, ich habe keine Angst. Vielleicht doch ein bisschen. Wovor? Sicher nicht vor den Menschen. Ein bisschen Angst habe ich davor, dass ich krank werde. Krank sein und allein sein stelle ich mir ziemlich unangenehm vor. Hilflosigkeit – schrecklich, wenn man sich nicht mehr versorgen könnte.

      Aber: Auf der ganzen Welt gibt es gute und schlechte Menschen. Auch in der Ferne gibt es gute und ich bin überzeugt, sie würden mir helfen. Das würde ich auch tun.

      Also

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