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im Bezug auf uns Menschen aussieht. Haben wir, ähnlich wie die Technik und Technologie, Fortschritte gemacht oder sind wir zum Sklaven des Internets, der mobilen Daten, der ständigen Erreichbarkeit geworden? Tun uns die vielen Freunde rund um den Erdball gut oder können die vielen Kontakte uns auch in zeitliche Engpässe bringen? Ist die Gefahr größer geworden, dass wir uns durch die vielen tollen Bilder unserer Freunde im Netz ständig vergleichen und mit ihnen messen, anstatt uns auf uns selbst zu konzentrieren? Warum haben wir bereits direkt nach dem Aufwachen das Bedürfnis, an unser Smartphone zu gehen und die neuen Nachrichten, Mails oder News zu lesen, bevor wir überhaupt den Tag mit einem Blick aus dem Fenster begrüßt haben? Sind wir hilflos, wenn wir kein Netz, keine mobile Vernetzung haben? Sind wir zu den Opfern unserer eigenen Erfindungen und des damit verbundenen Fortschritts geworden?

      Ich persönlich glaube es nicht, denn ich bin Optimist und sehe das Ganze positiv, wie ein kleiner Bub, der zu seinem vierten Geburtstag ein ferngesteuertes Auto bekommt. Die ersten zwei Wochen ist das Auto sein Ein und Alles, er nimmt es überall mit hin, aber mit der Zeit lernt der Junge, dass ihn auch noch andere Dinge begeistern und inspirieren. Er liebt zwar noch immer sein ferngesteuertes Auto, aber er nimmt es nicht mehr mit ins Bett und kann es gut auch mal ein paar Tage aus den Augen lassen. Und genau das wird mit uns Menschen passieren. Wir haben uns neue Hilfsmittel fürs Leben erschaffen, loten die Grenzen aus, reizen sie förmlich aus und lernen mit der Zeit, wie wir in einem gesunden Rahmen damit umgehen können.

      Ich erinnere mich noch an Artikel in den Zeitungen, da wurde der Fernseher verflucht, er würde unsere Jugend zerstören. Später waren es die Computerspiele und Gameboys. Heute schreiben die gleichen Zeitungen, dass es die Smartphones sind, die uns umbringen werden. Mal schauen, ob sie dieses Mal recht haben, ich glaube nicht. Zwar gibt es eine Statistik, die aussagt, dass 2014 insgesamt 49 Menschen starben bei dem Versuch, ein Selfie zu machen, oder sie wurden in einen Umfall verwickelt, während sie im Internet surften. Das waren im Jahr 2014 mehr Tote als durch Haiangriffe.

      Surfen kann also auf verschiedene Arten zum Tod führen, obwohl ich beim realen Surfen nicht viel dafür kann, wenn mich ein Hai erwischt. Beim Surfen im Netz während ich über den Fußgängerstreifen laufe, liegt die Verantwortung schon eher bei mir, dass ich nicht überfahren werde.

      Ich kann mich erinnern, und das ist noch gar nicht so lange her, da gab es Zeiten, da war es cool, wenn man immer und überall erreichbar war, und man war wichtig, wenn man ein Handy am Ohr hatte. Langsam aber kommen Zeiten, da wird es verdammt cool sein, nicht erreichbar zu sein, oder besser gesagt, wir werden wieder auf reale Vernetzungen setzen, auf echte Kontakte und echte Gespräche. Die Off-linezeit wird als neues Luxusgut dieses noch jungen Jahrtausends gelten, und das Schöne an dem Luxus ist, jeder wird ihn sich leisten können, ob arm oder reich, man muss es nur wollen.

      Diese Zeit hat übrigens bereits begonnen, für alle, die es noch nicht bemerkt haben. Die ersten Zeichen sind in der Gesellschaft schon erkennbar, es gibt immer mehr Menschen, die an den Wochenenden oder in den Ferien ihren Mail-Account und ihr Mobiltelefon ausschalten. Es gibt sogar Unternehmen, die das für ihre Mitarbeiter machen, weil sie festgestellt haben, wie wichtig die Offlinezeit für die Erholung ihrer Mitarbeiter ist. In Frankreich könnte es schon bald ein »Recht auf Unerreichbarkeit« geben. In den Vorschlägen zur Reform der Arbeitsgesetze ist vorgesehen, dass Angestellte ein Recht haben sollen, berufliche E-Mails und andere Nachrichten außerhalb der Arbeitszeiten zu ignorieren. Damit überhaupt solche Vorschläge für Reformen aufkommen, muss vorher eine Überdosis festgestellt worden sein, und dass die Lebens- und Arbeitsqualität durch diese ständige Erreichbarkeit leidet. Weil der Mensch – wie schon gesagt – gern auslotet, wo die Grenzen sind, wenn ihm etwas Neues vor die Nase gestellt wurde, braucht er manchmal auch Hilfe, wie das Beispiel zeigt, eventuell durch neue Gesetze.

      Stell dir nur vor, wir hätten vor fast 200 Jahren, als gerade die ersten Telefone erfunden wurden, einem Menschen gesagt: »Hey, es wird mal cool sein, wenn wir nicht erreichbar sind, und es wird Gesetze geben, die diese Unerreichbarkeit regeln«, da hätte mancher vielleicht geantwortet: »Hast du einen an der Waffel, wir wünschen uns ja gerade nichts mehr, als Menschen auf der ganzen Welt zu erreichen und mit ihnen, wann immer wir wollen, reden zu können.« Schon verrückt, wie sich unsere Wünsche mit der Zeit ändern. Es gab ja auch Zeiten, da war es voll cool, ein Auto selber zu lenken und so richtig aufs Gas zu drücken. Am liebsten noch die Seitenfenster offen, den Arm angelehnt halb draußen, die Musik laut aufgedreht und die dunkle Sonnenbrille aufgesetzt. Nun sind wir gerade in der Zeit angekommen, wo es cool wird, ein Auto nicht mehr lenken zu müssen, sondern dass es von selber fährt und wir die Zeit anderweitig nutzen können. Die ersten Modelle, die das können, sind schon auf dem Markt, und vielleicht lachen uns die Menschen in 50 Jahren aus und sagen: »Wie dumm war das denn früher, da musste man noch selber Gas geben und lenken.« Dann werden uns vielleicht auch die schönen Fuchsschwänze und Doppelauspuffanlagen noch mehr verloren gehen, aber ich glaube, auf diese Zeitdokumente können wir schlimmstenfalls verzichten oder sie werden uns als Retro-Artikel wieder ins Leben gebracht.

      Wenn ich mir also die Frage stelle: Ist das Alleinsein die Herausforderung unserer Zeit?, dann meine ich nicht nur wegen der ständigen Erreichbarkeit dank dem Internet, sondern auch, weil wir Menschen uns aus verschiedensten Gründen nicht mehr auf uns selbst verlassen, sondern uns oft lieber nach außen ausrichten als nach innen. Ich möchte also keinesfalls nur dem Internet die Schuld an unserem Ich-Verlust geben, denn wie gesagt, ich bewundere und liebe den Fortschritt. Und schließlich sind wir es selbst, die dieses geniale Netzwerk erschaffen haben und es täglich mit Inhalten füttern, damit es noch umfassender wird. Auch wenn nicht alles, was wir ins Netz stellen, wirklich sinnvoll ist. Auch da müssen wir noch lernen, was die Welt braucht und was nicht. Unser eigener Fortschritt bewegt sich auf ganz vielen verschiedenen Ebenen, in den letzten 100 Jahren hauptsächlich geprägt von der technischen Entwicklung, die uns das tägliche Leben auf so vielen Ebenen erleichtert. Allerdings liegt es immer an uns selbst, diesen Fortschritt sinnstiftend zu nutzen, die Grenzen auszuloten und zu unterscheiden lernen, was wir davon brauchen und was uns mehr schadet. Zu keiner Zeit gab es mehr Menschen, die an Erschöpfungszuständen und Burn-out litten, als heute. Das hat auch mit dem westlichen Wirtschaftssystem zu tun, das nur eine Richtung kennt: Linear nach oben! Mehr Wachstum, mehr Rendite, mehr Geld, mehr, mehr, mehr, schneller, höher, besser!

      Aber das ist nicht die Realität des Lebens, es geht nicht immer nur nach oben, es kann auch mal nach unten gehen, mal wieder langsamer werden, was aber keineswegs negativ ist. Der natürliche Lebensweg verläuft nämlich wellenförmig. Was uns an unsere eigenen Grenzen bringt, ist, dass wir uns selbst einreden, unser Leben müsse wie die Wirtschaft linear ausgerichtet sein. Wir machen uns ständig Druck, noch besser, noch optimierter und noch organisierter das Leben zu planen, anstatt das Leben zu leben. Wir überoptimieren und überorganisieren uns, sodass fast kein Raum mehr für uns selbst übrig bleibt und wir nur mit Mühe Stille, Muße oder kreative Schaffensmomente zulassen.

      Wichtig ist aber nur, dass wir nicht zu einem Stillstand kommen, denn Stillstand bedeutet Tod. Selbst in schwierigen Momenten oder im Moment der Ruhe, erschaffen wir Lösungen und Stille, die nicht Stillstand bedeutet. Alles ist immer in Bewegung, es ist ein ständiges Kommen und Gehen, aber anstatt anhand unserer Überorganisation und Kontrollwut alles immer im Griff haben zu wollen, dürfen wir uns auch mal wieder den Wellen des Lebens hingeben. Es gibt Kulturen, da wird das Leben dem Symbol des Kreises untergeordnet, sprich, alles dreht sich immer, ist in ständiger Bewegung, mit dem Unterschied zu unserer westlichen linearen Ausrichtung, dass die Bewegung weder nach oben noch nach unten zeigt, sondern immer wieder in die Richtung ihrer selbst, zum Anfang und Ursprung zurück.

      Ob das Internet, Vereinstätigkeiten, unser Job, Familie oder Freunde – niemand anderes als du selbst kannst ausloten, was dir davon guttut, was dein Leben erleichtert und was es belastet. Vor allem kann das Internet nicht fühlen, oder zumindest zum Glück noch nicht, nur du selbst kannst deinen eigenen Gefühlen nachgehen, wenn du sie noch fühlst. Und es gab schon weiß Gott wie viele Erfindungen, die zwar fortschrittlich waren und uns als wichtiger Teil der Zukunft und als Lebenshilfe angepriesen wurden, jedoch bald schon wieder vom Mark verschwunden sind, weil wir Menschen es doch nicht so zwingend als Beitrag zum Fortschritt anschauten. Es gäbe da einige Beispiele, die wir aufzählen könnten, wie etwa die Taschenkettensäge oder die Teebeutelpresse. Das Internet

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