Скачать книгу

Morgen seiner Mutter zu erzählen, daß er vom »weißen Soldat« geträumt, einem Gardeoffizier im Mantel, den er einst auf der Straße bewunderte. Am Tag nach dem Geburtstagsopfer erwacht er freudig mit der Mitteilung, die nur einem Traume entstammen kann: He(r)man alle Kirschen aufgessen![42]

      Wovon die Tiere träumen, weiß ich nicht. Ein Sprichwort, dessen Erwähnung ich einem meiner Hörer danke, behauptet es zu wissen, denn es stellt die Frage auf: Wovon träumt die Gans? und beantwortet sie: Vom Kukuruz (Mais)[43]. Die ganze Theorie, daß der Traum eine Wunscherfüllung sei, ist in diesen zwei Sätzen enthalten[44].

      Wir bemerken jetzt, daß wir zu unserer Lehre von dem verborgenen Sinn des Traumes auch auf dem kürzesten Wege gelangt wären, wenn wir nur den Sprachgebrauch befragt hätten. Die Spruchweisheit redet zwar manchmal verächtlich genug vom Traume – man meint, sie wolle der Wissenschaft recht geben, wenn sie urteilt: Träume sind Schäume —, aber für den Sprachgebrauch ist der Traum doch vorwiegend der holde Wunscherfüller. »Das hätt‘ ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt,« ruft entzückt, wer in der Wirklichkeit seine Erwartungen übertroffen findet.

      IV. Die Traumentstellung

      Wenn ich nun die Behauptung aufstelle, daß Wunscherfüllung der Sinn eines jeden Traumes sei, also daß es keine anderen als Wunschträume geben kann, so bin ich des entschiedensten Widerspruches im vorhinein sicher. Man wird mir entgegenhalten: »Daß es Träume gibt, welche als Wunscherfüllungen zu verstehen sind, ist nicht neu, sondern längst von den Autoren bemerkt worden.« (Vgl. Radestock [p. 137 bis 138], Volkelt [p. 110 bis 111], Purkinje [p. 456], Tissié [p. 70], M. Simon [p. 42 über die Hungerträume des eingekerkerten Barons Trenck] und die Stelle bei Griesinger [p. 111].)[45] Daß es aber nichts anderes als Wunscherfüllungsträume geben soll, das ist wieder eine ungerechtfertigte Verallgemeinerung, die sich aber zum Glück leicht zurückweisen läßt. Es kommen doch reichlich genug Träume vor, welche den peinlichsten Inhalt erkennen lassen, aber keine Spur irgend einer Wunscherfüllung. Der pessimistische Philosoph Ed. v. Hartmann steht wohl der Wunscherfüllungstheorie am fernsten. Er äußert in seiner Philosophie des Unbewußten, II. Teil (Stereotypausgabe, p. 344):

      »Was den Traum betrifft, so treten mit ihm alle Plackereien des wachen Lebens auch in den Schlafzustand hinüber, nur das einzige nicht, was den Gebildeten einigermaßen mit dem Leben aussöhnen kann: wissenschaftlicher und Kunst–Genuß . . . .« Aber auch minder unzufriedene Beobachter haben hervorgehoben, daß im Traume Schmerz und Unlust häufiger sei als Lust, so Scholz (p. 33), Volkelt (p. 80) u. a. Ja die Damen Sarah Weed und Florence Hallam haben aus der Bearbeitung ihrer Träume einen ziffermäßigen Ausdruck für das Überwiegen der Unlust in den Träumen entnommen. Sie bezeichnen 58% der Träume als peinlich und nur 28.6% als positiv angenehm. Außer diesen Träumen, welche die mannigfaltigen peinlichen Gefühle des Lebens in den Schlaf fortsetzen, gibt es auch Angstträume, in denen uns diese entsetzlichste aller Unlustempfindungen schüttelt, bis wir erwachen, und von solchen Angstträumen werden gerade die Kinder so leicht heimgesucht (vgl. Debacker, Über den Pavor nocturnus), bei denen wir die Wunschträume unverhüllt gefunden haben.

      Wirklich scheinen gerade die Angstträume eine Verallgemeinerung des Satzes, den wir aus den Beispielen des vorigen Abschnittes gewonnen haben, der Traum sei eine Wunscherfüllung, unmöglich zu machen, ja diesen Satz als Absurdität zu brandmarken.

      Dennoch ist es nicht sehr schwer, sich diesen anscheinend zwingenden Einwänden zu entziehen. Man wolle bloß beachten, daß unsere Lehre nicht auf der Würdigung des manifesten Trauminhaltes beruht, sondern sich auf den Gedankeninhalt bezieht, welcher durch die Deutungsarbeit hinter dem Traume erkannt wird. Stellen wir manifesten und latenten Trauminhalt einander gegenüber. Es ist richtig, daß es Träume gibt, deren manifester Inhalt von der peinlichsten Art ist. Aber hat jemand versucht, diese Träume zu deuten, den latenten Gedankeninhalt derselben aufzudecken? Wenn aber nicht, dann treffen uns die beiden Einwände nicht mehr; es bleibt immerhin möglich, daß auch peinliche und Angst–Träume sich nach der Deutung als Wunscherfüllungen enthüllen[46].

      Bei wissenschaftlicher Arbeit ist es oft von Vorteil, wenn die Lösung des einen Problems Schwierigkeiten bereitet, ein zweites hinzuzunehmen, etwa wie man zwei Nüsse leichter miteinander als einzeln aufknackt. So stehen wir nicht nur vor der Frage: Wie können peinliche und Angst–Träume Wunscherfüllungen sein, sondern wir können auch aus unseren bisherigen Erörterungen über den Traum eine zweite Frage aufwerfen: Warum zeigen die Träume indifferenten Inhalts, welche sich als Wunscherfüllungen ergeben, diesen ihren Sinn nicht unverhüllt? Man nehme den weitläufig behandelten Traum von Irmas Injektion, er ist keineswegs peinlicher Natur, er ist durch die Deutung als eklatante Wunscherfüllung zu erkennen. Wozu bedarf es aber überhaupt einer Deutung? Warum sagt der Traum nicht direkt, was er bedeutet? Tatsächlich macht auch der Traum von Irmas Injektion zunächst nicht den Eindruck, daß er einen Wunsch des Träumers als erfüllt darstellt. Der Leser wird diesen Eindruck nicht bekommen haben, aber auch ich selbst wußte es nicht, ehe ich die Analyse angestellt hatte. Heißen wir dieses der Erklärung bedürftige Verhalten des Traumes: die Tatsache der Traumentstellung, so erhebt sich also die zweite Frage: Wovon rührt diese Traumentstellung her?

      Wenn man hierüber seine ersten Einfälle befrägt, könnte man auf verschiedene mögliche Lösungen geraten, z. B. daß während des Schlafes ein Unvermögen bestehe, den Traumgedanken einen entsprechenden Ausdruck zu schaffen. Allein die Analyse gewisser Träume nötigt uns, für die Traumentstellung eine andere Erklärung zuzulassen. Ich will dies an einem zweiten Traume von mir selbst zeigen, welcher wiederum vielfache Indiskretionen erfordert, aber für dies persönliche Opfer durch eine gründliche Aufhellung des Problems entschädigt.

      Vorbericht: Im Frühjahr 1897 erfuhr ich, daß zwei Professoren unserer Universität mich für die Ernennung zum Prof. extraord. vorgeschlagen hatten. Diese Nachricht kam mir überraschend und erfreute mich lebhaft als Ausdruck einer durch persönliche Beziehungen nicht aufzuklärenden Anerkennung von Seite zweier hervorragender Männer. Ich sagte mir aber sofort, daß ich an dieses Ereignis keine Erwartungen knüpfen dürfe. Das Ministerium hatte in den letzten Jahren Vorschläge solcher Art unberücksichtigt gelassen, und mehrere Kollegen, die mir an Jahren voraus waren und an Verdiensten mindestens gleich kamen, warteten seitdem vergebens auf ihre Ernennung. Ich hatte keinen Grund, anzunehmen, daß es mir besser ergehen würde. Ich beschloß also bei mir, mich zu trösten. Ich bin, soviel ich weiß, nicht ehrgeizig, übe meine ärztliche Tätigkeit mit zufriedenstellendem Erfolge aus, auch ohne daß mich ein Titel empfiehlt. Es handelte sich übrigens gar nicht darum, ob ich die Trauben für süß oder sauer erklärte, da sie unzweifelhaft zu hoch für mich hingen.

      Eines Abends besuchte mich ein befreundeter Kollege, einer von denjenigen, deren Schicksal ich mir zur Warnung hatte dienen lassen. Seit längerer Zeit ein Kandidat für die Beförderung zum Professor, die den Arzt in unserer Gesellschaft zum Halbgott für seine Kranken erhebt, und minder resigniert als ich, pflegte er von Zeit zu Zeit seine Vorstellung in den Bureaus des hohen Ministeriums zu machen, um seine Angelegenheit zu fördern. Von einem solchen Besuche kam er zu mir. Er erzählte, daß er diesmal den hohen Herrn in die Enge getrieben und ihn gerade heraus befragt habe, ob an dem Aufschub seiner Ernennung wirklich – konfessionelle Rücksichten die Schuld trügen. Die Antwort hatte gelautet, daß allerdings – bei der gegenwärtigen Strömung – Se. Exzellenz vorläufig nicht in der Lage sei usw. »Nun weiß ich wenigstens, woran ich bin,« schloß mein Freund seine Erzählung, die mir nichts Neues brachte, mich aber in meiner Resignation bestärken mußte. Dieselben konfessionellen Rücksichten sind nämlich auch auf meinen Fall anwendbar.

      Am Morgen nach diesem Besuche hatte ich folgenden Traum, der auch durch seine Form bemerkenswert war. Er bestand aus zwei Gedanken und zwei Bildern, so daß ein Gedanke und ein Bild einander ablösten. Ich setze aber nur die erste Hälfte des Traumes hieher, da die andere mit der Absicht nichts zu tun hat, welcher die Mitteilung des Traumes dienen soll.

      I. Freund R. ist mein Onkel. – Ich empfinde große Zärtlichkeit

Скачать книгу


<p>42</p>

Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß sich bei kleinen Kindern bald kompliziertere und minder durchsichtige Träume einzustellen pflegen, und daß anderseits Träume von so einfachem infantilen Charakter unter Umständen auch bei Erwachsenen häufig vorkommen. Wie reich an ungeahntem Inhalt Träume von Kindern im Alter von vier bis fünf Jahren bereits sein können, zeigen die Beispiele in meiner »Analyse der Phobie eines 5 jährigen Knaben« (Jahrbuch von Bleuler–Freud I., 1909) und in Jungs »Über Konflikte der kindlichen Seele« (ebenda II. Bd., 1910). Analytisch gedeutete Kinderträume siehe noch bei v. Hug–Hellmuth, Putnam, Raalte, Spielrein, Tausk; andere bei Banchieri, Busemann, Doglia und besonders bei Wigam, der die Wunscherfüllungstendenz derselben betont. Anderseits scheinen sich bei Erwachsenen Träume vom infantilen Typus besonders häufig wieder einzustellen, wenn sie unter ungewöhnliche Lebensbedingungen versetzt werden. So berichtet Otto Nordenskjöld in seinem Buche »Antarctic« 1904 über die mit ihm überwinterte Mannschaft (Bd. I, p. 336): »Sehr bezeichnend für die Richtung unserer innersten Gedanken waren unsere Träume, die nie lebhafter und zahlreicher waren als gerade jetzt. Selbst diejenigen unserer Kameraden, die sonst nur ausnahmsweise träumten, hatten jetzt des Morgens, wenn wir unsere letzten Erfahrungen aus dieser Phantasiewelt miteinander austauschten, lange Geschichten zu erzählen. Alle handelten sie von jener äußeren Welt, die uns jetzt so fern lag, waren aber oft unseren jetzigen Verhältnissen angepaßt. Ein besonders charakteristischer Traum bestand darin, daß sich einer der Kameraden auf die Schulbank zurückversetzt glaubte, wo ihm die Aufgabe zu teil wurde, ganz kleinen Miniaturseehunden, die eigens für Unterrichtszwecke angefertigt waren, die Haut abzuziehen. Essen und Trinken waren übrigens die Mittelpunkte, um die sich unsere Träume am häufigsten drehten. Einer von uns, der nächtlicher Weise darin exzellierte, auf große Mittagsgesellschaften zu gehen, war seelenfroh, wenn er des Morgens berichten konnte, ›daß er ein Diner von drei Gängen eingenommen habe‹; ein anderer träumte von Tabak, von ganzen Bergen Tabak; wieder andere von dem Schiff, das mit vollen Segeln auf dem offenen Wasser daherkam. Noch ein anderer Traum verdient der Erwähnung: Der Briefträger kommt mit der Post und gibt eine lange Erklärung, warum diese so lange habe auf sich warten lassen, er habe sie verkehrt abgeliefert und erst nach großer Mühe sei es ihm gelungen, sie wieder zu erlangen. Natürlich beschäftigte man sich im Schlaf mit noch unmöglicheren Dingen, aber der Mangel an Phantasie in fast allen Träumen, die ich selbst träumte oder erzählen hörte, war ganz auffallend. Es würde sicher von großem psychologischen Interesse sein, wenn alle diese Träume aufgezeichnet würden. Man wird aber leicht verstehen können, wie ersehnt der Schlaf war, da er uns alles bieten konnte, was ein jeder von uns am glühendsten begehrte.« Nach Du Prel (p. 231) zitiere ich noch: »Mungo Park, auf einer Reise in Afrika dem Verschmachten nahe, träumte ohne Aufhören von wasserreichen Tälern und Auen seiner Heimat. So sah sich auch der von Hunger gequälte Trenck in der Sternschanze zu Magdeburg von üppigen Mahlzeiten umgeben, und George Back, Teilnehmer der ersten Expedition Franklins, als er infolge furchtbarer Entbehrungen dem Hungertode nahe war, träumte stets und gleichmäßig von reichen Mahlzeiten.«

<p>43</p>

Ein ungarisches, von Ferenczi angezogenes Sprichwort behauptet vollständiger, daß »das Schwein von Eicheln, die Gans von Mais träumt«. Ein jüdisches Sprichwort lautet: »Wovon träumt das Huhn? – Von Hirse.« (Sammlung jüd. Sprichw. u. Redensarten, herausg. v. Bernstein, 2. Aufl., S. 1160, Nr. 7.)

<p>44</p>

Es liegt mir fern zu behaupten, daß noch niemals ein Autor vor mir daran gedacht habe, einen Traum von einem Wunsch abzuleiten. (Vgl. die ersten Sätze des nächsten Abschnittes.) Wer auf solche Andeutungen Wert legt, könnte schon aus dem Altertum den unter dem ersten Ptolemäus lebenden Arzt Herophilos anführen, der nach Büchsenschütz (p. 33) drei Arten von Träumen unterschied: gottgesandte, natürliche, welche entstehen, indem die Seele sich ein Bild dessen schafft, was ihr zuträglich ist und was eintreten wird, und gemischte, die von selbst durch Annäherung von Bildern entstehen, wenn wir das sehen, was wir wünschen. Aus der Beispielsammlung von Scherner weiß J. Stärcke einen Traum hervorzuheben, der vom Autor selbst als Wunscherfüllung bezeichnet wird (p. 239). Scherner sagt: »Den wachen Wunsch der Träumerin erfüllte die Phantasie sofort einfach darum, weil er im Gemüte derselben lebhaft bestand.« Dieser Traum steht unter den »Stimmungsträumen«; in seiner Nähe befinden sich Träume für »männliches und weibliches Liebessehnen« und für »verdrießliche Stimmung«. Es ist, wie man sieht, keine Rede davon, daß Scherner dem Wünschen für den Traum eine andere Bedeutung zuschrieb als irgend einem sonstigen Seelenzustand des Wachens, geschweige denn, daß er den Wunsch mit dem Wesen des Traumes in Zusammenhang gebracht hätte.

<p>45</p>

Schon der Neuplatoniker Plotin sagte: »Wenn die Begierde sich regt, dann kommt die Phantasie und präsentiert uns gleichsam das Objekt derselben« (Du Prel, p. 276).

<p>46</p>

Es ist ganz unglaublich, mit welcher Hartnäckigkeit sich Leser und Kritiker dieser Erwägung verschließen und die grundlegende Unterscheidung von manifestem und latentem Trauminhalt unbeachtet lassen. – Keine der in der Literatur niedergelegten Äußerungen kommt aber dieser meiner Aufstellung so sehr entgegen wie eine Stelle in J. Sullys Aufsatz: »Dreams as a revelation«, deren Verdienst dadurch nicht geschmälert werden soll, daß ich sie erst hier anführe: »It would seem then, after all, that dreams are not the utter nonsense they have been said to be by such authorities as Chaucer, Shakespeare and Milton. The chaotic aggregations of our nightfancy have a significance and communicate new knowledge. Like some letter in cipher, the dream–inscription when scrutinised closely loses its first look of balderdash and takes on the aspect of a serious, intelligible message. Or, to vary the figure slightly, we may say that, like some palimpsest, the dream discloses beneath its worthless surface–characters traces of an old and precious communication« (p. 364).