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Die zentrale Rolle bei der Vereinheitlichung der Wirtschafts- und Sozialpolitik spielte der Norddeutsche Bund. Am 21. Juni 1869 schufen die Länder des Norddeutschen Bundes in Anlehnung an das preußische Vorbild aus dem Jahre 1845 eine einheitliche Gewerbeordnung. Sie wurde 1871/72 als Reichsgewerbeordnung für das Deutsche Reich übernommen und führte in allen Bundesstaaten die Gewerbefreiheit ein, die bis heute in § 1 GewO enthalten ist. Der Zunftzwang und die Abhängigkeit des Gewerbetreibenden von behördlicher Konzession wurden aufgehoben und es setzte sich im rechtsstaatlichen Denken des 19. Jahrhunderts die Beschränkung des (Gewerbe-)Polizeirechts auf die Abwehr von Gefahren durch. Die GewO wurde als „Sonderpolizeirecht“ die bis heute in ihren Grundlinien unveränderte[31] Basis des Wirtschaftsaufsichtsrechts[32]. Gleichzeitig löste sich die Rechtswissenschaft von der ökonomisch dominierten Verwaltungslehre (Polizeiwissenschaft). Dies markierte zugleich den Beginn des modernen Verwaltungsrechts[33].
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Dennoch widmete sich der Staat weiterhin solchen Wirtschaftszweigen in besonderer Weise, die er als lebenswichtig für das Funktionieren von Staat und Gesellschaft erachtete. Anders als im Bereich des sogenannten „Regulierungsrechts“ (s. unten Rn 23, 495 ff) erbrachte der Staat allerdings die Leistungen in eigener Trägerschaft. Aus dem Modell der Staatsregale entwickelte sich das staatliche Monopol.
Dies galt nicht nur für die Verkehrsinfrastruktur (Straßen bzw Wasserstraßen), es passte sich dynamisch der technischen Entwicklung an. In Deutschland wurde neben den Eisenbahnen auch das Fernmeldewesen in staatlicher Trägerschaft errichtet. Das Fernmeldemonopol ging zurück auf § 1 des Gesetzes über das Telegraphenwesen des Deutschen Reiches[34], in dem das Fernmeldewesen seine erste grundlegende Kodifikation fand. Dort hieß es: „Das Recht, Telegraphenanlagen für die Vermittlung von Nachrichten zu errichten und zu betreiben, steht ausschließlich dem Reich zu. Unter Telegraphenanlagen sind die Fernsprechanlagen mit begriffen.“ Dieses Fernmeldemonopol wurde in § 1 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen (FAG) übernommen, das in der Bundesrepublik Deutschland zusammen mit dem Telegraphenwegegesetz (TWG) den traditionellen Rechtsrahmen für Telephonie und Telegraphie bildete. Auch Wasser und Elektrizität wurden in Deutschland dem Bürger als staatliche Leistungen zur Verfügung gestellt, diese freilich regelmäßig in kommunaler Trägerschaft. Dass sich der Staat auch heute dieser Aufgabe nicht völlig entziehen kann, folgt entweder aus konkreten Verfassungsaufträgen wie in Art. 87f GG für die Telekommunikation oder letztlich aus dem Sozialstaatsprinzip. Nach dem BVerfG ist „das Interesse an der Stromversorgung … heute so allgemein wie das Interesse am täglichen Brot“[35].
c) Vom Interventionismus zur sozialen Marktwirtschaft
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Die Ausrichtung der Wirtschaft an den Ideen des Liberalismus ermöglichte zwar eine enorme Leistungssteigerung, sie führte aber auch – vor allem in Krisenzeiten – zu sozialen Problemen. Seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts spielte deswegen der sog. Interventionismus eine große Rolle. Auch darunter versteht man weniger eine wirtschaftswissenschaftliche Theorie als ein Bündel wirtschaftspolitischer Maßnahmen zur Beeinflussung volkswirtschaftlicher Globalgrößen (zB Beschäftigung, Einkommensverteilung, soziale Sicherung, Marktanteile, Strukturwandel). Anders als beim Dirigismus greift der Staat allerdings nur punktuell in den Wirtschaftsablauf ein[36]. Wichtigstes politisches Konzept in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts war die Forderung nach Wirtschaftsdemokratie. Die Art. 151 ff WRV enthielten eine 15 Artikel umfassende „Regelung der Ordnung des Wirtschaftslebens“[37], die einen Ausgleich zwischen den gegenläufigen Strömungen versuchte. In dieser Zeit entstand auch der Begriff des Wirtschaftsrechts als Konsequenz auf die veränderte Haltung gegenüber der staatlichen Einflussnahme auf die Wirtschaft.
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Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist in Deutschland die Zeit der sozialen Marktwirtschaft[38]. Die Koordination der arbeitsteilig aufeinander bezogenen Wirtschaftssubjekte vollzieht sich nach den Regeln des Marktes. Vertragsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit sind notwendige rechtliche Voraussetzungen, die Aufgabe der Rechtsordnung besteht aber auch in der Unterbindung des Missbrauchs von Marktmacht. Dementsprechend wird das öffentliche Wirtschaftsrecht auch unter dem GG von dem skizzierten Dualismus von staatlicher Intervention und wirtschaftlicher Freiheit geprägt. Besonders deutlich zeigt sich dies an denjenigen Bereichen des öffentlichen Wirtschaftsrechts, die sich als Folge der Privatisierung vormals staatlicher Leistungserbringung (s. Rn 23) entwickelten.
d) Die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes
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In seiner ersten Phase trug das Europarecht stark zu einer Liberalisierung des nationalen Wirtschaftsrechts bei, indem die nationalen wirtschaftsrechtlichen Vorschriften häufig als unverhältnismäßige Behinderung des Binnenmarktes eingestuft wurden[39]. Zunehmend gestaltete die EU aber auch aktiv ganze Sektoren um und öffnete sie für den Binnenmarkt. Erst unter dem Einfluss Brüsseler Vorgaben kam es zur Privatisierung vormals staatlicher Monopole im Bereich der Daseinsvorsorge, beginnend mit der Telekommunikation (s. Rn 498). Nicht immer wurde dies in Deutschland aber wahrgenommen. Die Liberalisierung der Kapitalmärkte und des Bankenwesens beispielsweise hatte in anderen Mitgliedstaaten erhebliche Auswirkungen; in Deutschland blieben die anfänglichen Entwicklungen zunächst praktisch unbemerkt, weil die ersten Richtlinien auf entsprechend freie Märkte trafen.
Auch die Vollendung des Binnenmarktes lässt sich nicht nur mit dem politischen Ziel der Einigung Europas, sondern ebenfalls mit gängigen ökonomischen Theorien und Vorstellungen begründen. Der Gedanke, dass das grenzüberschreitend arbeitsteilige Wirtschaften für alle Beteiligten wirtschaftlich vorteilhaft ist, geht bereits auf Adam Smith und David Ricardo zurück[40]. Gerade für den europäischen Kapitalmarkt haben aktuelle ökonomische Studien[41], die erheblichen Einfluss auf die Konzepte der Kommission haben, die Integration der nationalen Märkte als Wachstumsfaktor betont, nicht zuletzt als Voraussetzung für die Positionierung der europäischen Wirtschaft angesichts der Herausforderungen der Globalisierung. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass auch die Auslegung von Marktfreiheiten und europäischem Wettbewerbsrecht stark von ökonomischen Vorstellungen geprägt ist, in denen sich letztlich das Ringen um den Ausgleich von wirtschaftlicher Freiheit des Einzelnen und staatlicher bzw europäischer Kontrolle wiederholt. Innovationsanreize lassen sich allerdings – auch nach Ansicht von Wirtschaftswissenschaftlern – nicht nur durch Regulierungsfreistellung, sondern durch zusätzliche, aber an ökonomischen Grundsätzen orientierte Regulierung schaffen. Beschränkt sich aber auch das Unionsrecht insgesamt nicht auf eine („reine“) Marktwirtschaft, so relativiert