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      Wimmer seufzte.

      »Schau, meine liebe Stummel, wenn ich dir da jetzt was sage, was ich den anderen nicht sagen darf, dann komm ich in Teufels Küche.«

      »Lass uns was essen gehen.«

      Wimmers Stammbeisl war gleich um die Ecke, und ohne großartig bestellen zu müssen, standen bald ein großer Teller mit Sterz und ein Ottakringer Schnitt vor ihm. Stummel bestellte sich Krautfleckerln und einen gespritzten Weißwein.

      »Also, nun sag schon, was, um Himmels willen, soll ich denn schreiben?«

      »Ich kann dir nur empfehlen, die Hintergründe, die ich dir aus gewissen Gründen verschweigen muss, ganz auszulassen. Mach stattdessen was mit Human Touch, konzentrier dich auf die Leute, die die Leiche gefunden haben. Mehr geht im Moment von meiner Seite aus nicht. Tut mir leid.«

      ›GRAUENHAFTES ENDE EINER KEGELTOUR!‹, war dann die große Schlagzeile, unter der Elisabeth Körner über den Mordfall berichtete.

      Wie vereinbart, hielt sie sich an die Abmachung mit Sterz und führte rührselige Interviews mit geschockten, weinenden Frauen und schnauzbärtigen Männern aus Castrop-Rauxel, wobei Letztere weder weinten noch geschockt wirkten. Ohne die Hintergründe der Tat auch nur anzudeuten.

      »Ich dachte erst«, berichtete Herr R. B. (Namen sind der Redaktion bekannt), »ich wär’ in einem der neuen Tatorte mit diesem Schimanski aus Duisburg drin. Hat sich komplett so angefühlt. Wie in echt. Gruselig, aber auch spannend.«

      »Der Schimanski würde den Fall auch im Nullkommanix lösen«, meinte Herr P. T. »Ich bin ja mal gespannt, was eure Polizei so alles draufhat.«

      Die Chefredaktion beschloss, die Interviews auf mehrere Tage zu verteilen, mit abwechselnd kräftigen Männer-Statements und rührseligem Kegelschwester-Drama.

      Währenddessen arbeitete Oberst Wimmer konzentriert und gewissenhaft Edgar Augusts Leben auf. Zuoberst auf der Liste stand ein Besuch in dessen Villa in Graz. Wenn er irgendwo Hinweise finden würde, dann dort.

      Doktor Fuchs meldete sich am Telefon und bat Wimmer vorbeizukommen. Er hatte mittlerweile neue Erkenntnisse über die Todesart gewonnen.

      »Ich bin mir nun sicher, dass es eine Garrotte war, die zum Tod geführt hat. Eine übliche Methode der Erdrosselung bei der Mafia in Süditalien und Kriminellen in Südfrankreich. Von hinten und weitgehend lautlos, ist es eine sehr fiese, hinterhältige Art, jemandem das Lebenslicht auszublasen.«

      Wimmer nickte.

      »Und Hände und Zunge?«

      »Aller Wahrscheinlichkeit nach war es ein Säbel und ein scharfes Messer. Für eine Axt sind die Schnittränder nicht grob genug. Aber wenn jemand mit einem Säbel gut umgehen kann – jeweils ein schneller, zielsicherer Schlag aufs Handgelenk mit einer scharfen Klinge, das würde ins Bild passen. Und die Zunge wurde post mortem entfernt. Eher symbolisch offenbar.«

      »Also muss ich nach einer Garrotte und einem Säbel Ausschau halten. Ein Messer hat ja wohl jeder.«

      Doktor Fuchs zeigte ihm noch zwei Fotos dieses Geräts, wie es von der kalabrischen und sizilianischen Mafia verwendet wurde: ein Metalldraht, an dessen Enden zwei Holzstäbchen befestigt waren, um den Zug zu verstärken. »Hoffentlich kommen Sie hierbei nicht der Mafia ins Gehege.«

      Wimmer lächelte.

      »Bislang gibt es keine Hinweise, die diese Vermutung stützen würden. Vielleicht hat sich jemand nur davon in­spirieren lassen.«

      Er überlegte kurz.

      »Sonst noch irgendwelche Anhaltspunkte oder etwas Ungewöhnliches?«

      Doktor Fuchs schüttelte den Kopf.

      »Nein, für sein Alter war das Opfer kerngesund. Kein sportlicher Typ, nicht unbedingt durchtrainiert, aber doch fit und ohne erkennbare Krankheiten. Herz, Leber und Lunge ohne Beeinträchtigungen. Nichtraucher, moderater Alkoholgenuss, kein Übergewicht. Der hätte 100 Jahre alt werden können.«

      Wimmer nahm die Mappe mit den Obduktionsunterlagen und verabschiedete sich.

      »Nun, wir werden sehen, ob mir das weiterhilft. Einstweilen einmal vielen Dank!«

      Kapitel 6

      Die Rinder muhten, stanken, trampelten.

      Der erste Transport war ein Abenteuer und wurde um Haaresbreite zum Desaster. Nachdem die Österreichische Bundesbahn nicht genügend Kapazitäten frei hatte, hatte Edgar den Transport per Lkws organisiert. Eine Kolonne von 85 Viehtransportern hatte den halben Tag am Bahnhof Wien-Sankt Marx gestanden und dort Rinder aus der sogenannten Schlachthausbahn aus- und gleich wieder eingeladen, die ansonsten von den Höfen von Michel und Fritz gleich zum Wiener Schlachthof in Sankt Marx weitertransportiert worden wären.

      Besonders bei dieser Premiere sollte nichts schiefgehen. Gute Tiere sollten sie aussuchen, das war abgemacht, gesunde Tiere und robust dazu. Der Transport über eine derart lange Strecke war schließlich kein Almauftrieb, er bedeutete Stress, Dehydration bis zur totalen Erschöpfung, und im schlimmsten Fall den Tod des Tiers. Ungefähr 30 Rinder pro Wagen, mehr ging nicht. Sollten sie unterwegs kontrolliert werden, wäre eine Überladung ein unverzeihliches Vergehen.

      Edgar spekulierte wie bei seinen anderen regelmäßigen Geschäften auch hier auf einen gewissen Gewöhnungseffekt. Bei den Beamten, die die Transporte vorab genehmigen mussten, genauso wie bei den Zöllnern, die sie unterwegs durchwinken sollten.

      An einem trüben Frühlingsmorgen, in jedem Fall war es nicht zu heiß für die Tiere, setzte sich der Konvoi in Bewegung. Ein Teil wurde in Wien beladen, 30 weitere Transporter würden sich in Kärnten anschließen. Dort, wo die Wiener Rinderbarone ihre Rinder aufzogen, gewissermaßen »rekrutierten«. Glückliche Kärntner Viecher, hatte Edgar gedacht, ein gutes Stück weniger Fahrzeit in diesen engen, stinkenden Transportern, wobei ihm nicht so recht klar war, ob der Leidensweg der Tiere nicht gerade erst begonnen hatte.

      Er selbst fuhr mit dem Auto hinterher. Sein Mercedes Diesel war wie gemacht für lange Strecken, bequem wie ein Wohnzimmer, verbrauchte wenig und war die Zuverlässigkeit in Person.

      Für die 1.500 Kilometer nach Bari hatten sie drei Tage veranschlagt. Die Straßen waren schlecht, die Grenzkon­trolle zu Italien unvorhersehbar, so dass mehr als 500 Kilometer pro Tag völlig utopisch erschienen waren.

      Außerdem mussten sie unterwegs die vorgeschriebenen Pausen einlegen, im Interesse von Fahrern und Rindern. Sonst käme am Ende nur ein Haufen totes Fleisch in Apulien an. Sollten sie selbst dieses Ziel nicht erreichen, musste das Schiff halt warten, das die Libyer zur Übernahme der Rinder geschickt hatten.

      Prinz Ahmida hatte Edgars persönliche Teilnahme am Transport bis nach Süditalien gefordert, was von den beiden Wiener Geschäftsleuten ohne Worte, nur mit einem hämischen Grinsen, kommentiert worden war.

      Auf der anderen Seite mochte Edgar Fahrten wie diese. Er war gerne unterwegs, mit einem konkreten Ziel oder halt auch ohne.

      Das, was die Österreicher – er sah sich auch nach so vielen Jahren im Lande und auch mit der Staatsangehörigkeit noch nicht als solcher – euphemistisch »Südautobahn« nannten, war ein Flickenteppich aus Landstraße und Autobahn, aus alter, schlaglöchriger Landstraße und moderner, glatt asphaltierter Rennstrecke. Bis Seeben­stein war die Autobahn bereits fertig, um Graz herum und in Teilen Kärntens nur noch bruchstückhaft. Dann hieß es: Tempo drosseln, damit die Viecher vor lauter Ruckelei nicht durchdrehten. Besonders die kurvenreiche Strecke den Wechsel hoch und hinunter war anstrengend, ging auf die Bremsen und aufs Gemüt. Denn es war auch kalt, saukalt für Anfang April. Es lag sogar noch Schnee da oben, und der feine Nieselregen, der sie seit Wiener Neustadt begleitet hatte, war mittlerweile in einen unangenehmen Schneeregen übergegangen. Edgar hätte gerne Mitgefühl mit den Rindern gehabt, nach dem Motto: »In zwei Tagen habt ihr es schön warm«, aber er wusste, oder besser ahnte, was für ein Schicksal die Rinder erwartete, deswegen unterließ er es. Zum Glück, auch für die Fahrer, kam schon vor Graz wieder die Sonne raus.

      Kurz

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