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werden bei großen Anlässen Wegwerfbesteck, Plastikteller und -becher ausgegeben. Die Klöster und kirchlichen Einrichtungen, die in Italien den Espresso in abwaschbaren Tassen servieren, sind selten. Und immer noch schenken Hilfswerke, die um Spenden nachsuchen, unbrauchbare Dinge, die den direkten Weg in den Papierkorb finden. Und wenn wir Besuche machen oder von Assisi zurückkommen, unterliegen wir dem Zwang, unnütze Mitbringsel einzupacken. Immer noch gibt es franziskanische Institutionen, ja Klöster, die mehrmals täglich Fleisch auftischen, und das jeden Tag, obwohl wir wissen, dass gerade dies einer der größten Faktoren des Klimawandels darstellt. Immer noch fliegen wir von Frankfurt oder Zürich nach Rom. Und immer noch leben wir auf zu großem Fuß – auf Kosten der Armen, der Tiere und der Schöpfung insgesamt. Erst wer handelt, hat begriffen, was Franziskus und jetzt der Papst sagen.

      So hoffe ich auf eine fruchtbare Auseinandersetzung mit der päpstlichen Enzyklika und mit Intention und Inhalt dieses Buches.

       Freiburg in der Schweiz,

       am Fest des hl. Franz von Assisi, 4. Oktober 2015

       Anton Rotzetter

      1. Der verkehrt gepflanzte Wirsing oder Von der notwendigkeit, anders zu denken

      „Wer den eigenen Willen durchsetzen will, den wollte Franziskus nicht zum Orden zulassen. Eines Tages kamen zwei junge Männer zu Franziskus und baten, in den Orden aufgenommen zu werden. Der selige Franziskus aber wollte prüfen, ob sie gehorsam seien und bereit, dem eigenen Willen abzuschwören. Er ging mit ihnen in den Garten und sagte: Kommt, lasst uns Wirsing pflanzen und schaut mir zu, wie ich ihn pflanze, und tut es dann ebenso. Franziskus nun pflanzte den Wirsing auf die folgende Weise. Er setzte ihn mit den Wurzeln gegen den Himmel und mit den Blättern nach unten und bedeckte diese mit Erde. Der eine Mann machte es dann genau so wie Franziskus, der andere aber nicht. Dieser sagte zu Franziskus: So werden Wirsings nicht gepflanzt, lieber Vater, sondern umgekehrt – mit den Wurzeln nach unten! Franziskus entgegnete ihm: Mein Sohn, ich will aber, dass du es so machst wie ich. Das aber wollte der junge Mann nicht, weil er der Überzeugung war, dass das falsch sei. Und so sagte Franziskus zu ihm: Bruder, ich sehe, du bist ein großer Lehrer (Magister), geh deine Wege, denn du bist nicht geeignet für meinen Orden. Den anderen aber nahm er auf, während er diesen ablehnte.“2

      Wie können wir begreifen, was Franz von Assisi eigentlich wollte? Aufwelche Weise können wir Zugang bekommen zu der völlig anderen Weltanschauung, die hinter seiner Lebensform steht? Wie kommt es zu einer totalen Umkehr, zu einem Denken, das nicht einfach auf der Linie des Bisherigen liegt, zur Abwendung von den geltenden Wertvorstellungen Assisis, die er als „Auszug aus der Welt“ (vgl. Test 3, FQ 59) definiert? Wie also kommt es zu einem völlig neuen Ansatz auch in der Schöpfungsspiritualität?

      Vielleicht kann uns die Geschichte vom falsch gepflanzten Wirsing weiterhelfen, welche als Lokaltradition im Kloster Monte Casale erzählt wird. Der Ort, der den Kapuzinern anvertraut ist, liegt nicht sehr weit vom bekannten Heiligtum von La Verna entfernt, wo Franziskus von den Wundmalen Jesu geprägt wurde. Möglich, dass sogar ein Zusammenhang besteht zwischen der Lehrstunde von Monte Casale und dem Kreuz, das sich in den Leib des Franziskus eingezeichnet hat.

      Eine bloß äußere Faszination, sagt diese Geschichte, kann nicht genügen, um zur franziskanischen Gemeinschaft zu gehören. Auch sind Name und Person des Franziskus nicht eigentlich ausschlaggebend. Das müssen die beiden jungen Männer erkennen, die eines Tages zu Franziskus kommen und seiner Bruderschaft beitreten wollen. Der eine begreift, der andere nicht.

      Die Geschichte ist auch deswegen hilfreich, weil es um die Bestellung des Gartens geht, umfassender gesagt: um ein bestimmtes geistliches Verhalten im Umgang mit der Schöpfung.

      Seit Jahrhunderten wissen wir, wie man Wirsing pflanzt. Die Wurzeln in die Erde, den Kopf nach oben! Aber obwohl oder gerade weil wir das wissen, ist die Lebensmittelbeschaffung heute in eine nicht mehr zumutbare Enge geraten, sozusagen auf die schiefe Bahn, an deren Ende der vernichtende Abgrund steht. Man hat es immer so gemacht!

      Wir wissen sehr viel. Nicht nur, wie man eine Pflanze in die Erde setzt, sondern auch, wie man das Erdreich mit fremden Nährstoffen anreichert und den Setzling mit angeblichen Schutzmitteln besprüht. Die Wirsingköpfe werden zwar größer und größer, aber gleichzeitig saugen sie all diese Giftstoffe auf und lagern sie in die Nahrungskette ein. Aus Lebensmitteln werden Todesmittel. Pflanzen und Tiere werden entzaubert, ihr Geheimnis schwindet. Alles wird zur Sache, mit der man willkürlich machen kann, was man will. Tiere sind nach René Descartes (1596–1650) nichts anderes als Maschinen, und ihr Schmerzensschrei ist bloß das Quietschen eines Rades. In der Folge werden sie der Willkür des Menschen ausgesetzt, total genutzt und millionenfach getötet. Ganze Gemüseernten und große Tierbestände werden vernichtet, wenn der Verdacht besteht, dass eine Epidemie von ihnen ausgehen könnte. Meistens stellt man dann im Nachhinein fest, dass der Verdacht unbegründet war und dass man in den Medien mutwillig Panik erzeugt hat. Dem so vernichteten Leben wird keine Träne nachgeweint. Das Trinkwasser wird vergiftet, das Klima dramatisch verändert, das für Mensch und Tier erträgliche Maß an Wärme wird bis zum Ende des Jahrhunderts bei weitem überschritten sein. Bei einer Zunahme der Erderwärmung um zwei Grad wird Amsterdam im Meer versinken, bei drei bis vier Grad New York und dazu viele Länder. Millionen von Menschen werden anderswo Heimat suchen müssen. Die Erde wird immer unbewohnbarer. Wir Europäer verbrauchen dreimal so viel bebaubare Erde, wie uns gerechterweise eigentlich zustehen würde. Die Schweiz braucht zur Sicherung des Kraftfutterbedarfs noch einmal so viel Ackerfläche in Lateinamerika, wie ihr zuhause zur Verfügung steht, nur damit genügend Fleisch auf den Tellern liegt. Kolonialismus ist das! In Peking muss man Mund- und Nasenbinden tragen, wenn man auf die Straße geht. Auf den Philippinen und anderswo kommt es immer häufiger zu immer stärkeren Taifunen, mit jeweils größerer Zerstörungswucht und immer höheren Leichenbergen. Vor der UNO hat Papst Franziskus den alarmierenden Satz gesprochen: „Die ökologische Krise könnte zusammen mit der Zerstörung eines großen Teils der biologischen Vielfalt die Existenz der Spezies Mensch selbst in Gefahr bringen.“3

      Ja, unser Denken hat es weit gebracht, sehr weit, zu weit! Weil es immer auf der gleichen Linie weiterdenkt! (Vgl. dazu * 17–61).

      Kehren wir zur Geschichte des verkehrt herum gepflanzten Wirsings zurück. Franziskus ist der Auffassung, dass das Durchsetzen des eigenen Willens und der eigenen Vorstellungen der falsche Weg ist. Die Frage, die sich bei allem stellen muss, lautet: Sind wir bereit zu lernen und uns für Neues zu öffnen? Ja sogar einen Paradigmenwechsel zu vollziehen, wie auch der Papst fordert (vgl. * 53, 111 f., 163, 189, 203–208)? Oder ist der eigene, egoistische Wille das Maß aller Dinge? Könnte es vielleicht sein, dass gerade dieser fix und fest stehende Wille die schrecklichen Ergebnisse zeitigt, die wir heute zu beklagen haben? Dass die eigene Vorstellungskraft dermaßen enggeführt ist, dass sie das Leben in seiner Entfaltung hindert und letztlich sogar wider Willen in ein allmähliches Sterben mündet? Zwar ist der blinde Gehorsam, das Ausschalten des Denkens, die kritiklose Übernahme des Verhaltens anderer sicher auch nicht die Lösung. Aber verweist das Wort „Ge-Hor-sam“ (= hörende Verwiesenheit, an-ge-hören) nicht in viel tiefere Dimensionen hinein, vielleicht sogar in das alles umfassende Geheimnis des Lebens selbst? Bei solchen Fragen gerät die für jeden Verstand unsinnige, ja letztlich dumme Prüfung des Franziskus in den Sog einer viel größeren und umfassenderen Fragestellung.

      Der buddhistische Philosoph Yudo J. Seggelke deutet diese Geschichte als Kôan, als geistliche Lehrgeschichte, die wie ein unsinniges Rätsel daherkommt und als Paradox, als unauflösbarer Widerspruch, empfunden werden muss, aber gerade so zum Nachdenken und zu einem neuen Verhalten provoziert: „Ein fundamentaler Paradigmenwechsel muss die Lösung bringen … Für ein spirituelles Leben ist es notwendig, neue Wurzeln zu entwickeln, die über das materiell Erdgebundene hinausgehen. Oft ist es sogar erforderlich, dass die materiellen Wurzeln, die uns an Dinge wie Besitz und Eigentum fesseln, zuerst vertrocknen müssen, damit sich die Wurzeln der Spiritualität, des Himmels, die neues Leben bringen, überhaupt entwickeln können.“4

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