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und gegen menschliche Habgier, die die Rechte des Mitmenschen unterdrückt. Sie betont dagegen das Mitleid und Mitgefühl, sodann den Vorrang des Reiches Gottes und das alleinige Vertrauen in seine Gnade:

      „Eine Spiritualität der Armut ist notwendigerweise eine Spiritualität des Vertrauens auf die Vorsehung, die Glückseligkeit und geschwisterliche communio.“60

      Mit Worten aus den Ordenskonstitutionen wollen wir diesen Abschnitt zusammenfassen:

       „Da wir also an der apostolischen Mission teilhaben, übernehmen wir auch die Lebensweise der Apostel in der Form, die der heilige Dominikus herausgebildet hat. Wir führen einmütig das gemeinsame Leben, wir verhalten uns treu zu den evangelischen Räten, wir pflegen mit Freude die gemeinsame Feier der Liturgie, vor allem der Eucharistie und des Stundengebetes, und das persönliche Gebet, wir widmen uns intensivem Studium, wir stehen zu den klösterlichen Lebensformen. All diese Dinge fördern nicht nur die Ehre Gottes und unsere Heiligung, sie dienen auch direkt dem Heil der Menschen, da sie übereinstimmend auf die Predigt vorbereiten und zu ihr hinführen, sie prägen und ihrerseits von ihr geprägt werden. Diese verschiedenen Elemente, die miteinander in engem Zusammenhang stehen, aufeinander abgestimmt sind und sich gegenseitig befruchten, machen als Ganzes das Besondere des Ordens aus, d.h. ein im vollen Sinne apostolisches Leben, in dem Predigt und Lehrtätigkeit aus der Fülle der Kontemplation fließen müssen.“61

       III. „Spiritualität der Menschwerdung“ bei Johannes Tauler

      Eine „Spiritualität der Menschwerdung“ begegnet uns auch in Johannes Taulers Predigten. Tauler spricht in diesem Zusammenhang von einem suchenden Gott, der „offen und ... gereit ... und enpfenglich und ... túrstende“62 („offen und ... bereit ... und empfänglich und ... dürstend“) ist und sich nach Gemeinschaft mit den Menschen sehnt, so dass er dem Menschen sogar „engegen loffende in eime ieglichen ogenblicke“63 („entgegenläuft in einem jeglichen Augenblick“) seines irdischen Lebens.

      Dominikus geht es um das Heil der Menschen. Auch Tauler liegt das Heil der Menschen am Herzen. Seine Predigten wollen deshalb den Menschen motivieren, die Gemeinschaft mit Gott zu intensivieren, in einer „gantz wor abeker“64 („vollständigen Abkehr“) von allem, was nicht zu Gott führt und Gott ist, bzw. in einer „gantz wor zuokeren zuo dem luteren woren guote daz Got ist und heisset“65 („vollkommenen Hinkehr zu dem lautern Gut, das Gott ist und heißt“). Diese Hinkehr zu Gott geschieht in der Nachfolge Jesu Christi, denn am Beispiel des irdischen Jesus, wie es in den Evangelien verkündet wird, „vindent wir ... iemer lere genuog, wan er selber ist der weg und kein ander“66 („finden wir ... immer Lehre genug, denn er selbst ist der Weg und kein anderer“). Tauler hebt also wie Dominikus das Vorbild des irdischen Jesus Christus hervor. Meister Eckhart dagegen betont mehr, dass der göttliche Christus eine allgemeine Menschennatur angenommen habe. Eckhart interessiert dabei weniger das konkrete individuelle Menschsein Christi.67

      Für Dominikus ist alles Tun Frucht des geistlichen Lebens, der lebendigen Beziehung mit Gott. Auch hier folgt Tauler seinem Ordensvater: Der Mensch wird nicht für sich allein erlöst, sondern immer auch für andere. Alles Tun und Beten dient dem Heil der Welt. Nächstenliebe soll also aus der Einheit mit Gott geschehen, d.h. aus der Kontemplation. Der Einzelne ist als Mitarbeiter an der Erlösung der gesamten Schöpfung beteiligt:

       „Die edele creature [der Mensch]) die muos vil adellicher wirklich sin wan die unvernúnftigen creaturen, als der himel. Und dise súllent ime in einer gelicheit nach volgen an wúrkende und schoewende.“68

      „Das edle Geschöpf (der Mensch) muss in viel vornehmerer Weise wirkend sein als die unvernünftigen Kreaturen, als der Himmel. Und diese sollen ihm (dem Menschen), was die Gleichheit betrifft, nachfolgen im Wirken und in der Beschauung.“

      Auch hier nimmt bei Tauler die dominikanische Armut eine gewichtige Stellung ein.69 Unter dieser versteht Tauler wie Dominikus „ein frilidig, erhaben gemuete, das ungevangen ist von allen dingen“70 („ein freies, lediges, erhabenes Gemüt, das ungefangen ist von allen Dingen“), um ganz offen für Gottes Gnade zu sein.

      1 Vgl. u.a. Eck 2006, 17: „Wie lässt sich diese geistige und literarische Nähe dieser beiden Prediger (Tauler und Eckhart) genauer erklären, sind sie doch zeitlich immerhin vierzig Jahre auseinander? Natürlich konnte Tauler Eckharts Vorlesungen und Predigten gehört haben, und sicher besaß er davon Abschriften. Doch ich meine, sie sind vor allem beide in der dominikanischen Tradition groß geworden, die noch relativ jung war, und es erstaunt, wie wenig in den Studien zur Deutschen Mystik darauf hingewiesen wird; bei beiden finden wir sehr lebendige Erinnerungen an Aussagen und Haltungen des heiligen Dominikus. Das Angesicht Gottes ist das gleiche: ein freundschaftlicher Gott, ganz nahe, trotz oder gerade wegen seiner Transzendenz, ein Gott, der die Menschen liebt und der sie unbedingt zu seinen Freunden machen und ihnen seine Geheimnisse mitteilen will. Ein treuer Gott, der die Fehler seines Freundes nicht aufrechnet, sondern durch geheimnisvolles Vergeben aufhebt, und diese Vergebung erzeugt gleichzeitig eine neue Nähe zu ihm. Die beiden Predigerbrüder (Tauler und Eckhart, Anm) wollen wie ihr Gründer Dominikus ‚das Heil bewirken‘.“

      2 Lohrum 2000, 41. Zitate: Monumenta Ordinis Fratrum Praedicatorum XVI, 155; Thomas, Sth IIa-IIae q. 188 a6: „Das Beschaute anderen vermitteln.“ Vgl. Hauschild I 1995, 324 – 327; Hertz 1981

      3 Vgl. Älteste Konstitutionen des Ordens (abgeschlossen unter dem Generalat des Sel. Jordan von Sachsen [1222 – 1237]), Vorwort, b, 246; in Hoyer 2002: „Besonders für die Predigt oder das Seelenheil gegründet.“

      4 Müller 2000, 154.

      5 Müller 2000, 154.

      6 Bedouelle 2000, 81.

      7 Jordan von Sachsen, Anfänge, 2002, 37f.

      8 V 47, 209, 13-16 (H 61): „Die obersten súllent die nidersten gutlichen leren und stroffen minneklichen, als unser vatter S. Dominicus, des senftmutikeit was als gros, doch mit einem heiligen ernste, wie verkert sin underton woren, sie wurden bekert von sinem stroffende“ („Die Oberen sollen ihre Untergebenen gütig belehren und liebevoll tadeln, wie unser Vater Sankt Dominikus tat, dessen Sanftmut bei allem heiligen Ernste so groß war, dass, wie verkehrt seine Untergebenen gehandelt haben mochten, sie von der Art seines Tadels bekehrt wurden“).

      9 Wolter 1999, 22. Nicht verschweigen dürfen wir allerdings, dass ab 1232 Dominikaner der Inquisition dienten, die mit großem Eifer die Rechtsverfahren immer mehr ausbauten und – im Widerspruch zum Willen des hl. Dominikus – das gewaltsame Vorgehen gegen Häretiker und Ketzer förderten (Vgl. Wolter 1999, 272).

      10 Schillebeeckx 2000, 57.

      11 Vgl. Betto 2000, 174f. (mit Bezug auf Meister Eckhart).

      12 Diéz 2000, 153.

      13 Vgl. Koudelka 1989, 176.

      14 Tugwell 2000. 123f.

      15 Vgl. Lohrum 2000, 38.

      16 Älteste Konstitutionen, Vorwort b, Hoyer (Hg) 2002, 246.

      17 Vgl. Lohrum 2000, 39.

      18 Vgl. Lohrum 2000, 24f.

      19 Vgl. Lohrum 2000, 25.

      20 Vgl. Schillebeeckx 2000, 59.

      21 Schillebeeckx 2000, 56.

      22 Vgl. Älteste Konstitutionen, Über den Studentenmeister, 29b., Hoyer (Hg) 2002, 290: „In den Büchern der Heiden und Philosophen sollen sie (die Studenten, Anm.) nicht studieren, wenn sie sie auch im Einzelfall anschauen dürften; weltliche Wissenschaften sollen sie sich nicht aneignen, auch nicht die sogenannten ´freien Künste´,

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