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Rückkehr zu Gott. Jörg Gabriel
Читать онлайн.Название Rückkehr zu Gott
Год выпуска 0
isbn 9783429060831
Автор произведения Jörg Gabriel
Жанр Документальная литература
Серия Studien zur systematischen und spirituellen Theologie
Издательство Bookwire
347 Vgl. Grundmann 1977, 110f.
348 Vgl. Grundmann 1977, 111.
349 Vgl. Grundmann 1977, 112.
350 Vgl. Grundmann 1977, 115.
351 Vgl. Grundmann 1977, 113.
352 Vgl. Grundmann 1977, 115f.: „In Aragonien werden die Prediger von den Zivilbehörden verfolgt. Fast überall sucht man ihnen die Almosen zu entziehen, von denen sie leben wollten. Immer von neuem wurden sie als Ketzer verdächtigt. Man versuchte ihnen gegen ihren Willen andere Vorsteher aufzudrängen.“
353 Vgl. Grundmann 1977, 116. 136. 140.
354 Grundmann 1977, 128; vgl. Hauschild 1995, 319 – 324.
355 Vgl. Wolter 1999, 224.
356 Franziskus erwies sich bei den Konsultationen als schwieriger Verhandlungspartner: So schlug ihm die Kurie z.B. vor, er und seine Gefährten sollten als Mönche und Eremiten leben und eine der bestehenden Ordensregeln übernehmen. Franziskus lehnte ab. Mit Hilfe von Kardinal Johann Colonna gab die Kurie den Wünschen des Franziskus nach. (Vgl. Grundmann 1977, 129 – 132).
357 Vgl. Grundmann 1977, 129.133.
358 Vgl. Grundmann 1977, 134.
359 Grundmann 1977, 133.
360 Vgl. Wolter 1999, 225.
Sechstes Kapitel
Die religiöse Frauenbewegung
In Belgien, Nordfrankreich und Deutschland war die religiöse Bewegung vor allem eine Frauenbewegung.361 Zunächst entwickelten sich die religiösen Frauenbewegungen – von der Kurie wenig beachtet wegen der Ketzerbewegungen in Südfrankreich und Norditalien – in den Orden und Klöstern, aber ebenso in sektiererischen Kreisen. Wichtig ist, dass die der Ketzerei beschuldigten Bewegungen Nordeuropas einen anderen Charakter aufwiesen als in Südfrankreich. Zwar waren dort auch Katharer oder ähnliche Gruppen, die ein dualistisches Weltbild vertraten, mehr oder weniger stark verbreitet. Doch im Allgemeinen zeichneten sich diese Gruppen durch die Ablehnung der kirchlichen Sakramente, vor allem der Ehe, der Kindertaufe und der Eucharistie aus. Ihr Lebensstil unterschied sich jedoch kaum von dem eines normalen katholischen Christen.362 Es zeigt sich auch hier, dass ein der kirchlichen Ordnung widersprechender Lebensstil zur Verurteilung führte.
Die Frauen fügten sich zunächst in das Ordens- und Klosterleben ein. Vor allem Prämonstratenser und Zisterzienser waren eine Anlaufstelle für fromme Frauen, denn diese Orden verfolgten das gleiche Ziel. Beide Orden boten durch die Gründung von sog. Doppelklöstern Frauen aller Schichten zum ersten Mal die Möglichkeit,
„in strenger Klausur, in unbedingter Verpflichtung zu enthaltsamem, armen, beschaulichen Leben eine Daseinsform im Sinne der die Zeit bewegenden religiösen Ideen zu verwirklichen.“363
Als sich beide Orden jedoch von der Sorge um die religiösen Frauen zurückzogen, mussten die Frauen neue Formen religiösen Lebens finden.364
Es bildeten sich neue Gemeinschaften, die keinem Orden angehörten, keine der Ordensregeln befolgten, aber dennoch in aller Strenge in Keuschheit und Armut lebten und sich dem Gebet und Fasten verpflichteten.365 Aus diesen neuen Gemeinschaften ging das Beginentum hervor. Das höchste Ideal dieser Frauen war die Keuschheit um des Himmelsreiches willen. Da sie deswegen einen ähnlichen Lebensstil wie der verurteilte Ketzer pflegten, waren sie dem Misstrauen und den Angriffen des Klerus – oft hilflos – ausgesetzt. So konnte es passieren, dass eine Frau, die ihre Keuschheit gegen einen aufdringlichen Kleriker verteidigte, von diesem der Ketzerei beschuldigt wurde.366 Aus diesem Grund wurden diese Frauen, da sie einzeln oder in Gemeinschaften in Armut und Keuschheit lebten, „mit demselben Ketzernamen wie die Katharer in Südfrankeich“367 bezeichnet: Beginen.368 Aber auch Männer, wenn sie z.B. den Lebensstil des Klerus kritisierten, mussten mit Anschuldigungen rechnen.369 Die einzige Autorität, die verdächtigten Frauen und Männern vor ungerechtfertigten Angriffen des Klerus Schutz bot, war der Papst in Rom. Er vermochte es, wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen.370 So erschien 1216 der Augustiner-Chorherr Jakob von Vitry (um 1165 – 1240) in Rom. Der Bischof und spätere Kardinal brachte ein Anliegen vor die Kurie, das „die religiöse Bewegung in Flandern, Frankreich und Deutschland betraf.“371 Er – gerade erst zum Bischof von Akkon gewählt – erwirkte von Papst Honorius III. (1216 – 1227)
„für die ‚frommen Frauen im Bistum Lüttich und in ganz Frankreich und Deutschland‘ die päpstliche Erlaubnis, in Gemeinschaftshäusern zusammenzuwohnen und einander durch gegenseitige ‚Ermahnungen‘ im rechten Tun zu bestärken; das heißt: klösterliche Frauengemeinschaften ohne Anschluss an einen bestehenden Orden und ohne Annahme einer approbierten Klosteregel zu bilden und Erbauungspredigten oder Exhorten in diesen Gemeinschaften zu halten.“372
Schon seit Beginn des 13. Jahrhunderts hatten sich in Nordeuropa zahlreiche außerklösterliche Formen der weiblichen Religiosität gebildet – nicht nur in Belgien, sondern auch in Frankreich, Deutschland (z.B. Köln373, Speyer374); fromme Frauengemeinschaften fanden sich in Thüringen, Böhmen, sogar in England375 und Griechenland.376 Zu dieser Zeit war die Bezeichnung Begine jedoch nicht mehr mit einem Makel behaftet.377
Will man aber den Charakter der religiösen Frauenbewegung in Nordeuropa zu Beginn des 13. Jahrhunderts festhalten, darf man sich – so Grundmann378 – nicht auf das eigentliche Beginentum beschränken, das sich erst im Laufe der Zeit gegenüber anderen Formen der Frauenfrömmigkeit weiter entwickelt hat. Genauso wenig darf man sich auf Kenntnisse über das spätere Beginenwesens beziehen, um daraus auf das Wesen der religiösen Bewegung im 13. Jahrhundert zu schließen. Vielmehr gilt es, „den gemeinsamen Gehalt und die gleichartige Bedeutung der gesamten religiösen Frauenbewegung dieser Zeit“379 in den Blick zu nehmen, um von dorther zu verstehen, wie sich die religiöse Frauenbewegung – durch Maßnahmen der Kurie, der religiösen Orden, z.B. des Dominikanerordens, und der Frauengemeinschaften selbst – zu verschiedenen Organisationsformen weiterentwickelt hat.
„Mit der allgemeinen religiösen Bewegung ihrer Zeit hat die Frauenbewegung das Ziel einer christlichen Lebensgestaltung in evangeliengemäßem Sinne gemein, das sie vor allem durch freiwillige Armut und Keuschheit zu erreichen glaubt.“380
Von der als häretisch verurteilten Armutsbewegung unterscheidet sich die religiöse Frauenbewegung hauptsächlich durch den Verzicht auf die apostolische Wanderpredigt und auf Polemik gegen den Klerus.
Die religiösen Frauenbewegungen entstanden vermutlich nicht aus emanzipatorischen oder sozialen Gründen; zu den Gemeinschaften gehörten auch nicht ausschließlich Frauen aus den untersten Schichten bzw. Frauen, die aufgrund des Männermangels infolge der Kreuzzüge keine Ehe eingehen konnten und nach einer anderen „Versorgung“ Ausschau halten mussten. Zur religiösen Frauenbewegung gehörten vielmehr alle Schichten der Bevölkerung, besonders aber die oberen Schichten. Reiche und adlige Frauen suchten nach neuen Möglichkeiten, ein intensives religiöses Leben zu führen:
„Die Zisterzienserinnen in Belgien wie in Deutschland kamen zum allergrößten Teil aus dem Adel oder aus dem städtischen Patriziat; dass sie nicht Nonnen wurden, um dadurch ‚versorgt‘ zu sein, lässt sich selbst aus den dürftigen Zeugnissen, die wir über diese Klöster haben, hinreichend erweisen.“381
Auch für Jakob von Vitry sind die Ursachen für die Entstehung der religiösen Frauenbewegung und von Beginengemeinschaften allein religiöser Natur:
„Er habe, betont er, viele Frauen darunter gesehen, die den Reichtum ihrer Eltern verschmäht und die Ehe mit vermögenden und vornehmen Männern ausgeschlagen hatten, um in Armut, von der Arbeit ihrer Hände lebend, dürftig in Nahrung und Kleidung, sich