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      Michael Ritter

      Wiener Hochzeitsmord

      Historischer Kriminalroman aus dem Jahr 1912

      Zum Buch

      Wien 1912. Kriminaloberinspektor Dr. Otto W. Fried führt seine Tochter Amalia vor den Traualtar der Stanislaus-Kostka-Kapelle im Herzen Wiens. Doch der schönste Tag im Leben wird zum Albtraum, als der Priester direkt nach der Zeremonie ermordet aufgefunden wird. Dr. Fried entdeckt seine Leiche inmitten einer Blutlache in der Kapelle. Die Suche nach dem Täter beginnt. Zunächst gehen der Inspektor und sein Assistent Anton Novak von einem Raubmord aus, denn eine wertvolle alte Petrusstatue ist aus der Kapelle verschwunden. Im Zuge der Ermittlungen stoßen sie jedoch auf Ungereimtheiten im Leben des Priesters. Der war nicht immer Jesuit, sondern führte einst ein sehr weltliches Leben. Immer tiefer taucht der Inspektor in die Vergangenheit des Geistlichen ein, was für ihn völlig unverhofft zu Gewissensproblemen führt.

      Michael Ritter wurde 1967 in Wien geboren und arbeitet als Verleger und Literaturwissenschaftler. Er kann auf zahlreiche literaturwissenschaftliche Veröffentlichungen zurückblicken, darunter eine Biografie, zwei Romane im Genre der Phantastik, historische Romane und (historische) Kriminalromane mit Wien- sowie Italienbezügen. Ritter lebt und arbeitet in Wien. Sein Krimi »Wiener Hochzeitsmord« rund um den Kriminaloberinspektor Dr. Otto W. Fried ist seine erste Veröffentlichung im Gmeiner-Verlag.

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      Alle Rechte vorbehalten

      Lektorat: Katja Ernst

      Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

      Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

      unter Verwendung eines Bildes von: © Österreichische Nationalbibliothek; Wien, 1, Kurrentgasse 2ff, 16.7.1910;

      Signatur/Inv-Nr. L 25.567 - B POR MAG

      ISBN 978-3-8392-7012-7

      Erstes Kapitel:

      28. Juni

      Dr. Otto W. Fried saß zufrieden an einem kleinen Ecktischchen in seinem Stammcafé am Graben im Trattnerhof und blätterte unaufmerksam in der Freitagsausgabe der Neuen Freien Presse. Er hatte sein Büro im »Institut der k. u. k. Polizeiagenten« wie jeden Freitag kurz nach 12 Uhr verlassen. Mittag ist Mittag und früher Dienstschluss war am Freitag sowieso. Da führte ihn sein Weg fast immer direkt in sein Café. Dass die österreichisch-ungarische Monarchie nunmehr im Stande war, über zwei Millionen Soldaten in einen eventuellen Krieg zu schicken, überlas er ebenso wie die Meldungen aus dem Reichsrat, wo unter anderem auch ein neues Wehrgesetz debattiert wurde. Recht kriegerische Töne in doch so friedlichen Zeiten. Die Schlagzeilen und Textblöcke zogen an seinen Augen vorüber wie welke Blätter im Herbstwind. Auch wenn er sah, was da vor ihm geschrieben stand, er nahm es nicht bewusst wahr. Zu sehr badete er in dem Gefühl der Zufriedenheit.

      Morgen wäre es endlich so weit. Morgen Vormittag würde seine Tochter endlich einen Mann heiraten, den sie verdiente. Sie verdienten sich gegenseitig. Davon war Dr. Fried überzeugt und seine selbstständige, ja eigensinnige Tochter war es erst recht.

      Zugegeben, Maximilian Ritter von Becker war knapp drei Jahre jünger als seine künftige Ehefrau, aber Amalia hatte sich eben überdurchschnittlich viel Zeit gelassen, bis sie sich für einen Mann entschied. Dass sie schließlich diesen intelligenten und aufstrebenden Ingenieur in der Generalinspektion der österreichischen Eisenbahnen erhört und ihn eines Tages ihrem Vater vorgestellt hatte, empfand Dr. Fried bis heute als riesiges Glück.

      Er hatte sich schon beinahe mit dem Gedanken abgefunden gehabt, dass Amalia unverheiratet bleiben würde. Ihr Studium hatte sie als entschlossene junge Frau relativ zügig absolviert und sich den Titel eines Doctor philosophiae redlich verdient. Doch ein Mann schien weit und breit nicht in Sicht. Bis sie sich mit Maximilian Ritter von Becker zum Nachmittagstee ansagte.

      Dr. Fried faltete die Zeitung zu einem kleinen Päckchen zusammen und legte es auf dem Nebenstuhl ab. Herr Johann, ein Kellner, von dem Dr. Fried nicht wusste, ob er diesen Namen wirklich trug oder ihn nur als Berufspseudonym verwendete, sah dies aus dem Augenwinkel und zog die Stirn missbilligend in Falten. Dr. Fried faltete die Zeitungen, die er las, stets zu tatsächlich außergewöhnlich kleinen Paketen, ja er drückte und quetschte sogar nach, damit sie ja hielten und sich nicht wieder öffneten. Herr Johann hatte sich fatalistisch damit abgefunden, dass sein Stammgast die Zeitungen aus der Lesehalterung herauslöste und freihändig las. Aber dass er sie dann noch derart malträtierte, ging eindeutig zu weit. Doch wie sagt man es einem Stammgast? Gar nicht. Man bedenkt ihn immer und immer wieder mit einem vielsagenden Blick. Dass das im Falle Dr. Frieds nicht ausreichte, musste Herr Johann in Erweiterung seines Fatalismus einsehen.

      Dr. Fried bekam von der Not des Kellners nichts mit, denn er war in Gedanken versunken. Er war sich sicher, Max würde seinen Weg machen. Seine Familie war gut bekannt mit dem Eisenbahnminister Zdenko von Forster zu Philippsberg, dessen zweite Amtszeit Ende des vergangenen Jahres begonnen hatte. Er war es auch gewesen, der den jungen Mann ins Ministerium geholt hatte, wo er ihn der externen Dienststelle der Generalinspektion zuwies. Als technisch versierter Fachmann hatte sich Becker schnell die Anerkennung seiner Kollegen erarbeitet.

      Dr. Fried blickte auf seine Taschenuhr, die er in seiner Weste verstaut und mit einer Kette gesichert hatte. Kurz vor 15 Uhr. Er war feierlicher als sonst angezogen, denn er wollte ein abschließendes Gespräch mit dem Priester führen, der morgen die Trauung vornehmen würde. Und die kleine Kapelle wollte er inspizieren, ob alles so vorbereitet war, wie er es bestellt hatte. Der Blumenschmuck, die große Kerze …

      Die Kollegen hatten seinen gehobeneren Kleidungsstil an diesem Tag wohl bemerkt, aber niemand hatte es gewagt, nachzufragen. Der Chef wusste solche privaten Vertraulichkeiten nicht zu schätzen.

      »Herr Johann!«, rief Dr. Fried mit gedämpfter Stimme und wackelte mit dem Zeigefinger in der Luft.

      Herr Johann zog die Nase hoch und blickte auf den Gast hinab. »Sofort, Herr Regierungsrat«, murmelte er, gerade laut genug, dass Dr. Fried ihn hören konnte.

      Herr Johann war als Kellner aus dem alten Café Schrangl übernommen worden, das vor dem Abriss des alten Trattnerhofes Dr. Frieds Stammkaffeehaus gewesen war. Nun war es eben das Grabencafé in dem modernen Doppelbau, den sie auf dem altehrwürdigen Graben errichtet hatten. Ja, man musste mit der Zeit gehen, und so hatte Dr. Fried eines Tages für sich beschlossen, dass ihm die neue Architektur des Rudolf Krausz gefiel.

      »Da hat uns der böhmische Architekt was dahergestellt«, hatte Dr. Fried sich kritisch gezeigt, als er das Café zum ersten Mal nach der Wiedereröffnung besuchte.

      Herr Johann, zu dem er es sagte, hatte nur

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