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Erzählung nicht plausibel geworden. Alles, was sie ihm von dem Gespräch mit ihrer Studentin mitgeteilt hatte, erschien ihm wenig verwunderlich. Vielleicht mit Ausnahme des offenbar so gefühlvollen Schlussakkords »Ein wunderbarer Mann.« Aber selbst das …

      Ihm war etwas unwohl, als er noch einmal den Verlauf der letzten Stunde an seinem inneren Ohr vorbei passieren ließ.

      Da störte sie ihn am frühen Morgen auf, obwohl sie sich nur flüchtig kennengelernt hatten. Und dann erzählte sie ihm eine völlig unspektakuläre Geschichte, die eigentlich nur eine Wirkung haben konnte: Verena Roeder in seinen Augen in ein Zwielicht zu setzen. Aber vielleicht war das der Zweck der morgendlichen Unternehmung? Oder mehr noch. Vielleicht hatte Frau Jansen ihm ihre Version von Verenas Tod einflüstern wollen. Eine verwirrte junge Frau in einer Lebenskrise, belastet durch ein unglückseliges, quälendes Erlebnis – möglicherweise deshalb lebensmüde?

      Auf der anderen Seite hatte sie ihn daran erinnert, dass es noch einige lose Fäden gab, die er eigentlich hatte wieder aufgreifen wollen. Durch Jana war ihm der Fall Verena etwas fern gerückt. Paradox eigentlich. Denn er hätte sie ohne das Schicksal ihrer Freundin gar nicht kennen gelernt. Jansen hatte ihn auch an Müller-Riedel und den seltsamen Zettel denken lassen, den er zu enträtseln begonnen hatte. Auch an Franz Buch, den auskunftsfreudigen Assistenten, dem er trotz seines biederen Äußeren nicht recht über den Weg traute. Und durch ihn an seinen Kollegen Sautter, der inzwischen aus Berlin wieder zurück sein konnte.

      Der so früh angefangene Sonntag eignete sich leider nicht dazu, diese Spuren weiter zu verfolgen.

      Fast widerwillig verließ er die Küche, stieg die Treppen hinauf ins Atelier, wo der »Tanz der Prospekte« (so nannte er inzwischen das angefangene Bild von der Neckarfront) auf ihn wartete. Das große Fenster schaute auf die Weinberge nach Nordost, und er zog das rechte der drei weißen Rollos herunter, weil noch einige Strahlen der Morgensonne hereinfielen. Über einem Stuhl hingen sein Schlafanzug und der Morgenmantel. Er war alles andere als ein Ordnungsfanatiker, obwohl ihn Christa im Scherz öfter »penible« genannt hatte, doch die abgelegten Kleider störten ihn jetzt und er brachte sie ins Schlafzimmer, bevor er sich der Staffelei zuwandte.

      Kersting arbeitete konzentriert, einige Details des noch fragmentarischen Bildes gewannen neue Gestalt. Auf den ineinander gespellten drei Balkonansichten auf der Rückseite des Zimmertheaters zum Neckar hin drängten sich bald Masken in taumelnder Bewegung, zwischen ihnen ein hageres Gesicht mit verschreckt blickenden Augen, die rechte Hand nach oben in die Luft greifend, wie vergeblich dort Halt suchend. Kersting überlegte einen Augenblick, ob er dem verzweifelnden Hölderlin eine Vision Suzette Gontards vor die Augen stellen sollte, entschied sich aber dagegen: nicht aus historischer Gewissenhaftigkeit heraus, es wäre einfach eine Assoziation zu viel gewesen und mehr ein literarischer denn ein malerischer Einfall.

      Als das Licht schwächer wurde, brach er ab, stand eine Zeitlang ruhig vor der großen Leinwand. Hölderlins Gesicht, das einzige menschliche unter all diesen aberwitzigen Masken, kam ihm wie eine Botschaft vor. Der Roeder-Fall wirkte gleich einem Wahrheitsserum, das alle Menschen, die darin verwickelt waren, veränderte. Und nicht nur die Menschen, auch ihre Umwelt, ihre Geschäfte, ihre Wirkungen. In der Fassade der Normalität, des Alltäglichen zeigten sich Risse. Die malerische Stadt mit ihrem so seriös, so objektiv erscheinenden Wissenschaftsbetrieb verwandelte sich mehr und mehr in eine Potemkinsche Täuschung.

      Kersting löste sich aus solchen Gedanken, reinigte Pinsel, Schaber und Palette. Er hatte ohne Pause durchgearbeitet und verspürte zwar heftigen Hunger, brauchte aber noch einen Übergang in die Wirklichkeit. Er grinste spöttisch über sich selber, holte das noch nicht wieder verpackte Roulettespiel aus dem Regal, schnippte den Kreisel an und brachte die Kugel auf Anhieb in die fünfhunderter Kuhle.

      Jetzt stieg er zufrieden hinunter in die Küche, schnitt Zwiebeln, würfelte Knoblauch, fischte ein paar Sardellen aus der Salzlake. Ließ alles in einer Pfanne in reichlich Olivenöl leicht Farbe annehmen, brühte drei reife Tomaten, schälte ihre Haut ab und schnitt sie in kleine Würfel. Die Hälfte ließ er in die Pfanne gleiten, erhöhte die Hitze und gab mittelscharfen Paprika, Basilikumsalz, Pfeffer dazu, ließ alles leicht köcheln und rührte dabei mit dem Holzlöffel bis eine cremige, aber nicht zu glatte Sauce entstand. Inzwischen waren die Spaghetti gar geworden, er pürierte sehr grob die zweite Hälfte der Tomatenwürfel, fügte sie zur Sauce, die er vom Herd nahm, streute kleingeschnittene Basilikumblätter und (seine Zutat) den Mus von zwei kleinen, frisch gepressten Knoblauchzehen hinzu, schmeckte noch mit Salz und Pfeffer ab und setzte sich zufrieden an den Tisch, wo er schon eine Flasche Rotwein aus dem Cahors bereitgestellt hatte. Vor dem Haus gingen die Straßenlaternen an, die nun alle wieder brannten. Der Himmel hatte sich bewölkt, morgen sollte es regnen, wie die Wetter-App ihm verriet. Er freute sich auf die erste Sitzung mit Jana. Sie hatten sich auf 15 Uhr verabredet.

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