Скачать книгу

dieser Erfahrung geschieht. „Meine Freundin ist anscheinend wütend auf mich, aber ich habe doch das Gefühl, daß ich sie liebe. Das ist seltsam. Normalerweise kann ich es nicht ausstehen, wenn sie wütend auf mich ist, aber heute ist sie wütend auf mich und ich bin nicht im geringsten ärgerlich. Ich liebe sie sogar noch mehr. Ich kann sehen und verstehen, warum sie wütend ist. Ganz offensichtlich ist sie verletzt.“ Ihr fangt an, über einen Freund nachzudenken, der über euch getratscht hat. Ihr wart wütend auf ihn. Ihr fragt euch, was aus eurem Ärger geworden ist. „Wenn ich an ihn denke, mag ich ihn einfach. Ist das nicht erstaunlich? Komisch, ich sollte ihn hassen, aber ich mag ihn einfach. Aber Moment mal! Es ist nicht nur er, ich mag jeden! Ich fühle diese Liebe allen gegenüber. Normalerweise mag ich jemanden nur, wenn er nett zu mir ist. Aber jetzt scheint es keine Rolle zu spielen, ob Leute nett zu mir sind oder nicht. Es ist alles gleich. Ich habe dasselbe Gefühl allen gegenüber. Das ist ziemlich komisch, oder?“

      Euch wird vielleicht klar, daß eure Liebe immer schon von Bedingungen abhängig war. Aber Liebe hängt nicht von Bedingungen ab. Liebe hat mit den Bedingungen eurer Persönlichkeit nichts zu tun. Liebe ist das, was ihr seid. Was spielt es für eine Rolle, ob jemand nett zu euch ist oder nicht? Hört ihr auf zu lieben, nur weil zufällig jemand nicht nett zu euch ist?

      Am nächsten Morgen wacht ihr auf, und ihr fühlt die Liebe. Dann erinnert ihr euch an euren Freund, der schlecht über euch geredet hatte: „Dieser Mistkerl! Was zum Teufel denkt er, wer er ist, daß er so ein Zeug über mich erzählt!“ Eure Freundin macht euch Frühstück, und die Eier sind von beiden Seiten gebraten, keine Spiegeleier: „Wieso kannst du nicht daran denken, daß ich lieber Spiegeleier esse? Wie ist es möglich, daß du dir nach all diesen Monaten etwas so Einfaches immer noch nicht merken kannst? Offenbar liebst du mich nicht wirklich, wenn du dich nicht einmal daran erinnern kannst, wie ich meine Eier mag.“ Und ihr knallt die Tür zu.

      Es ist in Ordnung, daß so etwas geschieht. Wenn ihr jedoch aus eurer Erfahrung von Essenz am Tag zuvor gelernt hättet, würdet ihr denken: „Moment mal, was ist passiert? Gestern habe ich meiner Freundin gegenüber nichts als Liebe gefühlt, und jetzt möchte ich, daß sie tot umfällt. Das ist interessant. Ich frage mich, was ist eigentlich los?“

      Ihr habt eine Alternative: Ihr könnt offen und interessiert an dem sein, was geschieht, und dazu eine Beziehung aus der Perspektive von Essenz haben, oder ihr könnt dazu eine Beziehung aus der Perspektive der Persönlichkeit haben, was bedeutet, daß ihr das Gefühl habt, daß ihr etwas Gutes gehabt habt und es jetzt verloren habt. Ihr werdet wahrscheinlich denken, daß ihr diese Liebe verloren habt, weil die Eier nicht richtig gemacht waren.

      Wenn ihr an dieses Ereignis aus der Perspektive von Essenz herangehen würdet, dann würdet ihr schauen, hören und Fragen stellen. Ihr würdet vielleicht verstehen, was euch so fühlen läßt, wie ihr fühlt, was eure Liebe blockiert, warum sie da war, und dann, warum sie nicht da ist. Ihr lernt eure Gefühle dasein zu lassen, ohne ihnen notwendigerweise zu glauben oder aus ihnen heraus zu handeln, weil ihr wißt, daß da einfach nur etwas vor sich geht, was ihr nicht versteht. Ihr seid euch bewußt, daß es da einen Mangel an Wissen gibt, daß da Unwissenheit ist. Sonst würdet ihr nicht so fühlen, wie ihr fühlt.

      Mit der Zeit wird diese Haltung von Offenheit und Zulassen ein Teil eures täglichen Lebens. Ihr bekommt ein größeres Verständnis davon, wie Gefühle und Ereignisse miteinander zusammenhängen, wie die Dinge funktionieren, was euch das eine Mal Liebe empfinden läßt und ein andermal nicht. Dieses Verstehen ist nicht nur in eurem Kopf, es wird Teil davon, wie ihr handelt, Teil davon, wie ihr seid. Ihr seid nicht mehr mit eurer Persönlichkeit identifiziert, ihr seid offen dafür zu verstehen, worum sich eure Gefühle drehen – ob sie euch Lust oder Leid bringen. Dies ist das implizite Verstehen: wissen und aus dem Wissen handeln, daß Essenz eine Weisheit besitzt, die der Persönlichkeit vermittelt werden und sie so transformieren kann und dabei die Barrieren gegenüber tieferem Verstehen durchlässig macht. Essenz lehrt euch auf eine fundamentale Weise; sie verschafft euch Weisheit, die ihr von nichts anderem bekommen könnt. Wenn ihr für den essentiellen Aspekt der Liebe vollkommen präsent seid, wird offenbar, daß Liebe in euch verankert ist, daß sie keine Vorurteile, keine Vorlieben, keine Selbstsucht kennt.

      Allmählich werdet ihr zu dem Verständnis gelangen, daß die Persönlichkeit selbst, mit ihren Charakteristika, ihren Tendenzen und ihren Präferenzen, das Problem ist. Wenn ihr zu Essenz eine Beziehung aus der Perspektive der Persönlichkeit habt, das heißt, daß ihr nur das wollt, was euch ein gutes Gefühl gibt, und es nicht in Frage stellt, und das nicht wollt, was euch ein schlechtes Gefühl gibt, und das auch nicht in Frage stellt, dann nährt ihr die Neigung der Persönlichkeit zu Gier, ihr macht eure Persönlichkeit trüber. Der Mangel an einer essentiellen Qualität, zum Beispiel etwas wie Liebe oder Wert oder Freude nicht zu haben, ist nicht das Problem. Die dauernde Anwesenheit der Persönlichkeit mit ihren Mustern ist das Problem. Und das kann sich nur ändern, wenn ihr von Essenz lernt, wenn ihr eurer Persönlichkeit erlaubt, für Essenz durchsichtig zu werden, unabhängig davon, was für ein Gefühl da ist.

      Aus dieser Perspektive impliziten Verstehens seht ihr, daß die Arbeit verschiedene Stadien durchläuft. Zuerst ist da die Persönlichkeit ohne ein Verständnis von Essenz. Wenn ihr dann die Muster der Persönlichkeit seht, könnt ihr euch von diesen Mustern lösen und Essenz verwirklichen. Dieser zweite Schritt erlaubt Essenz, auf die Persönlichkeit einzuwirken, um sie zu transformieren. Dann gibt es die letzte Transformation der Persönlichkeit – das implizite Verstehen. Auch wenn sich keine besondere Essenz manifestiert, ist die Persönlichkeit genau wie Essenz, vollkommen frei von ihren Mustern. Sie ist dann eine transformierte Seele.

      Zuerst verwirklicht ihr eure Essenz, und dann gebt ihr euer Verhaftetsein mit Essenz auf. Nur so kann die Persönlichkeit lernen. Schließlich gibt es nur implizites Verstehen, das Verstehen dessen, wie die Dinge wirklich sind. Erst denkt ihr, Liebe sei das und das. Wenn aber Liebe vollständig verkörpert und integriert ist, dann wird es dieselbe Sache, ob man liebevolle Fülle ist oder ob man Nichts ist. Die Haltung demgegenüber, daß man sich liebevoll fühlt oder daß man sich leer fühlt, ist dieselbe.

      Es ist wahr, daß wir Essenz verwirklichen müssen, um all ihre Aspekte zu befreien und zu etablieren. Aber dabei geht es nicht darum, die Persönlichkeit besser zu machen. Es ist nicht so, daß die Persönlichkeit sagen kann: „Oh toll, jetzt bin ich erleuchtet. Jetzt habe ich dieses und jenes, was ich benutzen kann, um zu bekommen, was ich will!“ Nein, der Punkt ist, daß die Persönlichkeit selbst schließlich ihre eigene Hinfälligkeit wahrnimmt und versteht, daß ihre eigene Existenz selbst das Problem ist. Zu dieser Verwirklichung kann es ohne die Präsenz von Essenz nicht kommen; das ist der Wert von Essenz. Ihr könnt zu einem Lehrer nach dem anderen gehen, ihr könnt Hunderte von Büchern lesen und alle möglichen Einsichten haben, aber das wird euch nicht transformieren, bis das Wissen selbst, das Verstehen selbst, Essenz wird. Eure Persönlichkeit kann nur lernen, wenn Essenz wirklich da ist. Ihr könnt nicht wissen, was Liebe ist, bevor Liebe da ist. Ihr könnt nicht wissen, was Mitgefühl ist, wenn Mitgefühl nicht da ist. Es ist notwendig, daß die Qualität selbst, der Aspekt selbst und seine Weisheit und sein Verstehen ein Teil eures Gewebes werden. Dann werdet ihr mitfühlend, ohne euch mitfühlend zu fühlen; ihr werdet liebevoll sein, ohne euch liebevoll zu fühlen; ihr werdet kostbar, ohne euch kostbar zu fühlen; ihr werdet all diese essentiellen Qualitäten sein, ohne das Gefühl zu haben, daß eine von ihnen da ist. Die Persönlichkeit selbst wird das implizite Verstehen werden. Ob ihr das eine und nicht das andere wollt, wird kein Thema mehr sein. Was ihr tut, wie ihr euer Leben lebt, entspricht dann einfach der Wirklichkeit.

      Ich habe über eine Perspektive auf die Art Beziehung gesprochen, die wir zu unserer Arbeit, zu unserer Essenz haben können. Essenz verschwindet nicht; sie wird bei euch bleiben, als ihr selbst, aber ohne daß ihr euch darum sorgt. Wo Sorge ist, da ist es die Persönlichkeit, die besorgt ist, auch wenn es bei der Sorge um Essenz geht. Wenn ihr anfangt, an eurer Persönlichkeit zu arbeiten, müßt ihr um Essenz besorgt sein. Ihr müßt eure Sorge verstehen, bis ihr nicht länger besorgt seid. Dann könnt ihr loslassen.

      Ich kann das in ein paar Worten zusammenfassen: Persönlichkeit ohne Essenz ist Leiden. Persönlichkeit mit Verhaftetsein mit Essenz ist ein Desaster, eine Katastrophe.

      Persönlichkeit kann einfach ein transparentes

Скачать книгу