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Wir haben ein Haus, um uns vor Regen, Wind, Sonne, Hitze und Kälte zu schützen. Sonst wäre mit uns nicht viel anzufangen. Wir geben dem Körper gesunde Nahrung – essen nicht einfach irgendetwas – und sorgen für Bewegung. Zumindest gehen wir. Täten wir das nicht, würden unsere Beine verkümmern, und wir könnten sie nicht mehr benutzen.

      Genauso müssen wir für den Geist sorgen. Tatsächlich ist das noch viel wichtiger. Denn der Geist ist der Herr, der Körper hingegen nur der Diener. Der allerbeste Diener, mag er auch jung, energiegeladen und stark sein, kann nicht zufriedenstellend arbeiten, wenn er einen schwachen Herrn hat. Der Herr muss den Diener anleiten. Selbst wenn der Diener nicht allzu leistungsfähig und regsam ist, wird ein Haushalt mit einem gescheiten und fähigen Vorstand doch ordentlich funktionieren.

      Geist und Körper sind unser Haushalt. Wenn jedoch dieser innere Haushalt nicht in Ordnung ist, wie kann es dann der äußere sein? In was für einem Haushalt wir leben und arbeiten, hängt davon ab, wie wir den inneren Haushalt in Ordnung gebracht haben. Der Herr, der die Verantwortung trägt, muss in bestmöglicher Verfassung sein.

      Nichts im gesamten Universum ist mit dem Geist vergleichbar oder dazu imstande, seine Aufgaben zu übernehmen. Alles ist vom Geist geschaffen. Dennoch halten wir unseren Geist für ganz selbstverständlich. Das ist absurd. Niemand betrachtet den Körper als selbstverständliche Gegebenheit. Wird dieser Körper krank, dann rennen wir ganz schnell zum Arzt. Wird er hungrig, geben wir ihm Nahrung. Wird er müde, sorgen wir dafür, dass er sich ausruht. Wie ist das nun aber mit dem Geist? Nur der Meditierende trägt Sorge für den Geist.

      Für den Geist Sorge zu tragen ist absolut notwendig, damit das Leben an Tiefe und Inspiration gewinnt. Sonst bleibt es zweidimensional. Die meisten Menschen verbringen ihr Leben in der Vergangenheit und in der Zukunft, zwischen «gut» und «schlecht», «ich mag» und «ich mag nicht», «ich will haben» und «ich will nicht haben», «das ist mein» und «das ist dein». Erst durch die Schulung des Geistes können wir weitere Dimensionen erfahren. Als Erstes kommt der «Hausputz»: Wir müssen den Geist reinigen und ihn sauber halten. Und das nicht nur ein- oder zweimal am Tag, wie wir es mit dem Körper zu tun gewohnt sind, sondern in jedem wachen Augenblick. Damit wir dies tun können, müssen wir erst lernen, wie es geht. Mit dem Körper ist es ganz einfach: Wir verwenden Wasser und Seife. Das haben wir schon als kleine Kinder so gelernt. Der Geist kann jedoch nur durch den Geist gereinigt werden. Was der Geist angenommen hat, kann er auch wieder hergeben. Eine Sekunde der meditativen Sammlung ist eine Sekunde der Reinigung, weil der Geist glücklicherweise nur jeweils eine Sache erledigen kann. Obwohl wir – wie der Buddha sagte – bei einem einzigen Wimpernschlag dreitausend Geistesblitze haben können, ist dies selten der Fall und vor allem haben wir sie nicht alle gleichzeitig. Geistesblitze können zwar schnell aufeinanderfolgen – aber immer einer nach dem anderen.

      Wenn wir konzentriert sind, können die fünf Hindernisse (siehe Seite 69) nicht auftreten, weil der Geist immer nur eines nach dem anderen bewältigen kann. Wenn wir uns dann länger konzentrieren können, wird der Geist allmählich von seinen Verunreinigungen befreit.

      Unser Geist, dem im gesamten Universum nichts gleichkommt, ist unser einziges Werkzeug. Normalerweise würden wir ein hochwertiges Werkzeug instand halten und pflegen. Wir würden es polieren und keinen Rost ansetzen lassen. Wir würden es schärfen, ölen und es von Zeit zu Zeit ruhen lassen. Und nun verfügen wir über dieses wundervolle Werkzeug, mit dem man alles erreichen kann – bis hin zur Erleuchtung – und es liegt ganz allein an uns, dass wir lernen, pfleglich mit ihm umzugehen. Es würde sonst einfach nicht gut funktionieren.

      Wir lernen in der Meditation, alles beiseite zu lassen, wovon der Geist frei sein soll, und ihn nur auf den Meditationsgegenstand zu richten. Mit wachsender Geschicklichkeit werden wir fähig, Entsprechendes auch im Alltag zu tun und alle Gedanken, die nicht heilsam sind, loszulassen. Auf diese Weise unterstützt uns die Meditation im Lebensalltag, und gleichzeitig vertieft sich unsere Meditation. Ein Mensch, der seine Gedanken meistert und nur noch das denkt, was er denken will, wird ein Arahant, ein Erleuchteter.

      Wir dürfen nicht überrascht sein, dass wir es nicht immer schaffen, die Gedanken loszulassen. Sicher wird es aber von Zeit zu Zeit gelingen. Es ist eine ungeheure Erleichterung und Befreiung, wenn es uns gelingt – und sei es nur für einen kleinen Augenblick –, das zu denken, was wir wirklich denken wollen. Wir sind dann Herr unseres Geistes, statt von ihm beherrscht zu werden. In das ständige Hin und Her unserer Gedanken, seien diese nun gut oder übel, verwickelt zu sein – davon müssen wir loszukommen lernen, um uns auf einen einzigen Meditationsgegenstand konzentrieren zu können.

      Der zweite Schritt ist die Übung des Geistes. Ein ungeübter Geist ist unstet und flatterhaft, hastet von einer Sache zur anderen, ohne verweilen zu können. Wahrscheinlich hat schon jeder die Erfahrung gemacht, beim Lesen eines Buches am Ende der Seite noch einmal von vorne beginnen zu müssen, um das Gelesene zu verstehen. Manchmal muss man den Geist dazu bringen, sich auf einen Punkt zu konzentrieren, als trainiere man Liegestütz oder Gewichtheben. Kraft wird durch ständige Übung erworben, und so muss auch der Geist dazu angehalten werden, genau das zu tun, was er tun soll, ruhig zu sein, wenn er ruhig sein soll.

      Dies stärkt den Geist auch deshalb, weil es mit Entsagung, mit Loslassen zu tun hat. Wir alle, die wir keine Arahants sind, haben ein ziemlich großes Ego. Das «Ich-und-Mein-Syndrom» und die «Das-gehört-mir-und-nicht-dir-Haltung» ruft alle Probleme dieser Welt hervor. Bestätigung können wir unserem Ego nur dadurch geben, dass wir denken, reden, lesen, uns Filme ansehen, den Geist im Sinne des Ego einsetzen. Die große Entsagung, die durch Meditation herbeigeführt wird, ist das Loslassen aller Gedanken. Ohne Gedanken kann das Ego keine Bestätigung erhalten.

      Anfangs werden wir nur kurzzeitig fähig sein, die Gedanken loszulassen, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Auf dem spirituellen Weg geht es allein um das Loslassen. Es gibt nichts zu erreichen oder zu gewinnen. Diese so oft gebrauchten Worte sind lediglich ein Ausdrucksmittel. In Wirklichkeit ist der spirituelle Weg ein Weg des Loslassens, des Aufgebens von all dem, was wir uns so mühsam aufgebaut haben. Das schließt Besitz ein, Ideen, Gewohnheiten, Glaubensmuster und Gedankenfolgen. Wir tun uns schwer, in der Meditation das Denken abzustellen, weil es Loslassen bedeutet und unser Ego reduziert. Wenn es zum ersten Mal geschieht, dann reagiert der Geist sogleich mit einem: «Oh, was war denn das?» Und schon denken wir wieder.

      Durch die Möglichkeit, den Geist auf einen Punkt zu konzentrieren, entwickeln wir geistige Fähigkeiten, gewinnen Kraft und Stärke. Die Lehre des Buddha reicht außerordentlich tief, und nur der außerordentlich tiefgründige Geist kann ihre innere Bedeutung tatsächlich verstehen. Zu diesem Ziel muss die Schulung unseres Geistes hinführen.

      Körperkraft erlaubt uns, körperliche Leistungen zu vollbringen. Die Kraft des Geistes ermöglicht uns das Gleiche auf geistigem Gebiet. Ein starker Geist leidet nicht unter Langeweile, Frustration, Depression oder Kummer – was er nicht will, das hat er loszulassen gelernt. Meditationspraxis verschafft uns die dazu nötigen Fähigkeiten.

      Der Geist, das wertvollste Werkzeug des Universums, braucht aber hin und wieder Ruhe. Wir haben schon gedacht, als wir noch ganz kleine Kinder waren – und ungezählte Leben davor. Wir denken den ganzen Tag und träumen jede Nacht. Keinen Augenblick gibt es Ruhe. Wir mögen Urlaub machen – und was geschieht dann? Der Körper macht Urlaub. Er begibt sich an den Strand, in die Berge oder in ein anderes Land. Was aber ist mit dem Geist? Statt wie daheim an die Arbeit zu denken, denkt man jetzt an die Aussicht, an die Geräusche und Gerüche, die man an diesem neuen Ort vorfindet. Der Geist hat keinen Urlaub. Er beschäftigt sich lediglich mit etwas anderem.

      Würden wir dem Körper keine Nachtruhe gönnen, dann würde er nicht mehr lange funktionieren. Auch unser Geist benötigt Ruhepausen. Der Schlaf verschafft sie ihm nicht. Erholen kann sich der Geist lediglich in der Zeit, da er zu denken aufhört und in bloßer Erfahrung verweilt. Eins der Sinnbilder für den Geist ist das der leeren Projektionswand, auf der pausenlos ein nicht endender Film abläuft. Da dieser Film – die Gedanken – dauernd läuft, vergisst man, dass eine Leinwand vorhanden sein muss, auf die er projiziert wird.

      Stellen wir diesen Film in der Meditation für einen Augenblick ab, dann können wir die grundlegende Reinheit des Geistes erfahren. Das ist ein segensreicher Augenblick.

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