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Notenbank-Liquidität reagiert. Was für die Wirtschaft oft eine schlechte Nachricht war, war für die Wall Street eine gute. Die Geldwechsler stellten fest, dass die Fed umso mehr Bonbons verteilte, je schlechter die tatsächlichen Zahlen waren. Je mehr »leichtes Geld« es gab, desto größer war der Zuckerrausch und desto höher kletterten die Kurse. Jeder, der diese Wahrheit anzweifelt, muss nur die Bilanz der Zentralbank betrachten. Seit 2009 stiegen die Aktien jedes Mal, wenn die Fed ihre Bilanz ausweitete. Jedes Mal, wenn sie ihre Bilanz kürzte, stürzten die Aktien ab. In dieser Zeit wurde der Ausspruch »Don't fight the Fed«, »Kämpfe nicht gegen die Notenbank«, einst ein Geheimnis von Wall-Street-Insidern, zu einer beliebten Anlagestrategie für Kleinanleger.

      Der Begriff Liquidität bedeutet in Bezug auf Wertpapiere, dass es bei einer Transaktion sowohl Käufer als auch Verkäufer auf der jeweiligen Seite gibt. Wenn es mehr Käufer als Verkäufer gibt, steigt der Wert der Papiere; wenn es mehr Verkäufer als Käufer gibt, fällt der Wert. Wenn alle verkaufen und keiner kauft, nennt man das eine Liquiditätskrise. Als die Märkte in den Tagen nach der Notfall-Zinssenkung der Fed abstürzten, trockneten die Kreditmärkte komplett aus. Die Spanne zwischen dem Geld- und dem Briefkurs von Wertpapieren wurde erheblich größer. Der Mangel an Liquidität bedeutete höhere Volatilität. Der VIX, ein Index, der die Volatilität misst und einen Großteil der vorangegangenen fünf Jahren um die 15 Punkte herum geschwankt hatte, stieg auf 82 Punkte. Der abrupte Anstieg ruinierte zahlreiche Hedgefonds, die den Volatilitätsindex leer verkauft und dabei massive Hebelwirkung eingesetzt hatten. Innerhalb weniger Tage fiel der Aktienmarkt um mehr als 20 Prozent, der schnellste Absturz in einen Bärenmarkt, den die Börse je erlebt hat. Die Abwärtsbewegung beendete eine elf Jahre andauernde Hausse, die der längste Bullenmarkt der Geschichte war. Märkte, die noch ein paar Wochen zuvor gebrummt hatten, stürzten ab. Weitere Notmaßnahmen wurden erforderlich, und zwar vor dem nächsten geplanten Treffen der Notenbank.

      Egal, was der wirkliche Grund beim Öl war – es war klar, dass die Notenbank mit viel aggressiveren Mitteln eingreifen musste. Eine zweite Notfall-Pressekonferenz fand am Sonntag, den 15. März statt und wurde absichtlich abgehalten, bevor die Vormärkte öffneten. In einer Live-Konferenzschaltung gab ein nervöser Jerome Powell bekannt, dass die Federal Reserve die Zinssätze offiziell auf null Prozent gesenkt hatte. Außerdem kündigte er an, dass die Fed verschiedene andere Maßnahmen ergriffen habe, um zu gewährleisten, dass die Kreditmärkte weiterhin funktionieren würden. Powell beharrte weiterhin darauf, dass diese Aktionen dazu dienten, die Wirtschaft stark »zu halten«.

      Die Schritte trugen nicht dazu bei, dem Markt zu helfen. Sie führten vielmehr weiter zum Kollaps, weil die Investoren sich fragten, was die Fed wohl sah, was sie nicht sahen.

      Die extremen Maßnahmen signalisierten der Wall Street ein viel tiefer gehendes Problem. Am folgenden Tag erlitt der Aktienmarkt seinen größten Tageseinbruch seit dem Crash vom Schwarzen Montag im Jahr 1987 und fiel in einer einzigen Sitzung um zwölf Prozent.

      Bis zum 23. März war der Dow Jones von seinen Höchstständen nur sechs Wochen zuvor um 37 Prozent gefallen. Laut Bloomberg vernichtete der Zusammenbruch 26 Billionen Dollar in den Wertpapiermärkten seit ihren Höchstständen im Februar, ein drei Mal so hoher Verlust an Vermögenswerten wie während der Immobilienkrise im Jahr 2008. Trotz der Beteuerungen der Regierung und der Fernsehmoderatoren verkauften die Anleger zuerst und stellten danach Fragen. Als die Investoren aus dem Markt flohen, verstopften die Rohrleitungen des gesamten Systems.

      Der gewaltige Kollaps kennzeichnete die schnellste Bärenmarktrallye in der Geschichte des US-Aktienmarkts. Leider waren die Nachrichten von der übrigen globalen Wirtschaft genauso schlecht. Italien und Frankreich, die schon wirtschaftliche Rezessionen erlitten hatten, verhängten im Bemühen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, einen landesweiten Lockdown. Die Aktienmärkte rund um den Globus stürzten gleichzeitig ab. Zentralbanker von Australien über Japan bis hin zur Europäischen Union hielten Eilpressekonferenzen ab und alle kürzten die bereits auf Rekordtief befindlichen Zinssätze noch weiter, sogar bis hinein in den negativen Bereich. Alle versprachen einmütig, jedes nur mögliche zur Verfügung stehende »Instrument« einzusetzen, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch abzuwenden. Sie baten um fiskalpolitische Unterstützung durch die Regierungen in Form von Steuersenkungen und Konjunkturpaketen.

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