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Das letzte Sandkorn. Bernhard Giersche
Читать онлайн.Название Das letzte Sandkorn
Год выпуска 0
isbn 9783943795745
Автор произведения Bernhard Giersche
Жанр Контркультура
Издательство Автор
Immer heißer wurde es in der Strohhütte, der Schweiß lief ihm in Bächen über das Gesicht und verwischte die weiß-gelbe Farbe seiner Standesbemalung. Sein gewaltiger Kopfschmuck erzeugte groteske Schatten auf der Wand hinter ihm.
In seiner beginnenden Ekstase nahm er den weißen Rauch, der aus den Wänden der Hütte quoll, nicht wahr.
Yusak Yuthage, der Schamane vom Stamm der Korowai, bemerkte die Flammen erst, als es zu spät war.
Banjak Hsumi betrachtete die Flammen, die aus der brennenden Strohhütte schlugen und prasselnd Funken aus glühenden Strohresten in den Himmel stießen. Er wusste, dass er den ersten Schritt getan hatte, Mgami, der Göttin, ihren Zorn zu nehmen. Er drehte sich um und legte seinen Meskapa, den langen Speer des Jägers, über die Schulter. Die sieben toten Körper und die letzten Schreie des Schamanen nahm er nicht mehr war, als er das Dorf verließ. Noch lange hatte er seine Aufgabe nicht erfüllt. Zehn Tage und Nächte blieben ihm.
Drei davon überlebte er, bevor er von jemandem getötet wurde, der in ihm einen der Dämonen erkannte, der Mgamis Wut entfacht hatte.
It's the End of the World as we know it, and I feel fine
R.E.M.
Adam I
Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, warum alle meine Nachbarn plötzlich Hummeln im Arsch hatten, schaltete ich den Fernseher ein. Der Gedanke, dass die Leute da draußen auch die Sondersendung des Allmächtigen gehört hatten, war nicht weit genug weg, als dass ich ihn hätte ignorieren können.
Das wunderbare Zeitalter der digitalen Welt hatte mir ein technisches Monstrum mit 563.829.346 Fernsehkanälen beschert und ich war stolz, mit jedem auch noch so kleinen Fernsehsender am Ende der Welt angeben zu können, wenn ich mal Besuch bekam, was selten vorkam.
Was ich nun allerdings gewahr wurde, war so unspektakulär erschreckend, dass ich spätestens da begriffen hatte, dass meine Welt, wie sie vorher war, völlig aus den Fugen geriet. Hatte nicht der Mega-Zampano, der noch vor zwanzig Minuten sein Debüt in meinem Kopf gegeben hatte, eine ähnliche Formulierung gewählt ... die Welt aus den Fugen ...?
Ich weiß ja nicht, wie Sie Ihre Fernbedienung programmiert haben. Bei mir ist es so, dass erst die drei öffentlich-rechtlichen Programmen kommen, dann RTL, Pro7 und Sat1.
In der Reihenfolge, in der sie in Deutschland auf Sendung gegangen sind. Danach kamen die Sender, die später folgten. Manche waren ganz gut, aber in der Regel brachten sie Dauerwerbesendungen mit Spielfilmunterbrechungen, völlig idiotische Serien aus den USA oder Quizsendungen für Intelligenzgeminderte.
Wenn dann die sogenannten »News« kamen, wurden die regelmäßig von Ansagerinnen moderiert, die offenbar vor jeder Sendung ihr Gesicht exzessiv in ein Fass Botox tauchten. Bei der Wahl dieser Sender hielt ich mich daher eher zurück, da ich natürliche Schönheit dieser Form der Veredlung deutlich vorzog.
Aber egal, welchen Sender ich auch anwählte, ich bekam nur Schneegestöber zu sehen. Ich zappte hin und her, und nach kaum fünf Minuten ging der Fernseher einfach aus.
Und das Licht im Aquarium und das Licht der Dunstabzugshaube in der Küche und die Anzeige des Radioweckers, den ich aus nostalgischen Gründen als Dekoration auf einem Beistelltischchen betrieb.
Resignierend mutmaßte ich, dass nun auch kein Licht mehr im Kühlschrank sei, würde ich ihn öffnen.
Dass etwas wirklich Unglaubliches im Gange war, war nun offensichtlich. Aber dass ich nie wieder in meinem Leben meinen Kühlschrank öffnen würde, war mir zu diesem Zeitpunkt nicht zur Gänze bewusst.
Draußen stand mein Renault, und scheinbar war der einzige Weg, etwas über das zu erfahren, was vorging, es den anderen nachzumachen und nach rechts zu fahren. Ich kehrte nie wieder nach Hause zurück, was eigentlich mein Glück war, denn mein Kaff existierte nur noch zwei Stunden. Soviel ich weiß, verglühte es inklusive meines Aquariums und des hochbegabten Rooibos-Tees in einem flammenden Inferno. Wie so Vieles in den folgenden Stunden und Tagen.
Außerhalb des Hauses empfing mich die warme Milde des mitteleuropäischen Sommers; es könnte ein so schöner Tag sein, war es aber nicht. Die Eingangstüren der Häuser in der Straße standen fast ausnahmslos offen und einige Hunde und Katzen statteten sich offensichtlich gegenseitige Besuche ab. Jedenfalls waren die einzigen Bewegungen, die ich wahrnahm, das Huschen besagter Vierbeiner in den Vorgärten der schlichten Einfamilienhäuser.
Ich selbst bewohnte eine Apartmentwohnung im einzigen Mehrfamilienhaus der Straße, was mich in den Augen der Anrainer zum Sozialfall abgestempelt hatte.
Gewissenhaft verschloss ich die Haustür und ging die wenigen Schritte zu meinem Auto, das auf der nunmehr leeren Straße irgendwie verlassen wirkte.
Während ich den Wagen startete, fasste ich zusammen: Wir hatten Stromausfall, und das hatte wohl Auswirkungen auf das Fernsehen, jedenfalls wurde nichts mehr gesendet.
Moment ... erst war das Fernsehen futsch gewesen und dann der Strom. Egal, hängt wohl zusammen. Kaum, dass ich den Zündschlüssel gedreht hatte, knallte mir Deep Purple um die Ohren.
»Smoke on the water, a fire in the sky«.
So viel also zum Sender-Blackout. Alles nur wegen des Stromausfalls, schloss ich und legte den ersten Gang ein.
Etwas erleichtert fuhr ich los, mehr neugierig als besorgt, um herauszufinden, wohin alle meine lieben Nachbarn gefahren waren. Ich nahm also denselben Weg Richtung Kiel und hatte nach wenigen Minuten das Dorf verlassen und war nun unterwegs in Kronshagen, einem Vorort der Stadt. Ich passierte die Feuerwache mit ihren geschlossenen Toren, hinter deren Milchglasscheiben ich die roten Rettungsfahrzeuge schemenhaft erkennen konnte. Nur wenige Autos waren unterwegs, und alle fuhren in meine Richtung.
Smoooooooooooooooo ... das O aus der Kehle des Sängers zog sich zu einem endlosen Ton und penetrierte meine Ohren. Dabei lag ein seltsames Timbre auf dem O, als wären Deep Purple während der Aufnahme mit einem Van in hoher Geschwindigkeit über Bahnschwellen gefahren und hätten so diese spezielle Vibration erzeugt.
Ich schlug entnervt gegen das Radio und dieses warf wie zum Hohn eine CD aus.
Was folgte, war atmosphärisches Rauschen. So viel zum Thema Radio und Fernsehen und Stromausfall.
Der automatische Suchlauf ratterte alle Frequenzen rauf und runter und ich starrte entsetzt auf die gewaltige Rauchsäule, die ihren Ursprung im Zentrum Kiels zu haben schien.
Man muss wissen, dass das Herz der Stadt unmittelbar an der Kieler Förde liegt. Der spitze Meerbusen endet am Rande des Stadtkerns. Ich liebte diese Symbiose aus Innenstadt und maritimer Note. Die riesigen Ostseefähren, die von hier aus Richtung Skandinavien abdampften, erhoben sich majestätisch über die Gebäude der Stadt und den Hauptbahnhof.
Aber angesichts dieser Wand aus schwarzem, waberndem Rauch, war von diesem Charme nichts mehr wahrzunehmen.
Ich dachte gerade darüber nach, warum die Feuerwehrautos alle noch in Reih und Glied in ihrer Garage standen, als ein sehr lauter und scharfer Knall diesen Gedankengang unterbrach.
Ein etwa ein Zentimeter großes Loch war wie von Zauberhand in meiner Windschutzscheibe entstanden, und noch bevor ich begriff, was da geschehen war, folgten weitere Löcher, die unter lautem, peitschendem Getöse meine Scheiben perforierten. Verdammt, da schoss doch jemand auf mein Auto. Auf mich, auf meine Realität, auf mein Wertesystem, auf meine Seele, auf mich, mich, mich! Amoklauf oder so was, und ich mittendrin.
Ich bin Versicherungsagent und eine elende Couchpotatoe. Ich wohne in einem Kuhdorf in der Nähe von Kiel. Hier schießt man nicht. Im verdammten Fernsehen schießt man.
Nicht hier in meiner Welt. In Afghanistan oder Tschetschenien schießt man. Nicht in Dörfern in der Nähe von Kiel.
Und auch, wenn