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Evangelisches Kirchenrecht in Bayern. Hans-Peter Hübner
Читать онлайн.Название Evangelisches Kirchenrecht in Bayern
Год выпуска 0
isbn 9783532600627
Автор произведения Hans-Peter Hübner
Жанр Религия: прочее
Издательство Автор
Das verfassungsändernde Kirchengesetz vom 13. März 196813 regelte das Verfahren der Pfarrstellenbesetzung grundlegend neu. Bis dahin beschränkte sich die Mitwirkung der Kirchengemeinden bei der Besetzung einer Pfarrstelle auf die Anhörung des Kirchenvorstands im Rahmen der Stellenbesetzungsbesprechung des Kreisdekans; in einer Reihe von Städten, insbesondere in ehedem freien Reichsstädten (ca. 150 Pfarrstellen) bestanden allerdings Präsentationsrechte in dem Sinne, dass der Kirchenvorstand bei jeder Stellenbesetzung aus einem Dreiervorschlag des Landeskirchenrats wählen konnte. Die einheitlichen Verhältnisse und die in der Mehrzahl der Besetzungsfälle als unzureichend eingeschätzten Mitwirkungsmöglichkeiten der Kirchengemeinden haben bereits bei der Beratung des Entwurfs der Kirchengemeindeordnung zu der einmütigen Überzeugung geführt, dass die Mitwirkung der Kirchengemeinden bei der Besetzung von Pfarrstellen Verfassungsqualität habe. Aufgrund des Ergebnisses der Befragung der Dekanatsbezirke ist schließlich das alternierende Pfarrstellenbesetzungsverfahren eingeführt worden, wonach jeweils in dem einen Besetzungsfall der Kirchenvorstand aus einem Dreiervorschlag des Landeskirchenrates auszuwählen hat und in dem anderen Besetzungsfall der Landeskirchenrat die Stelle besetzt.
Diese Bestimmungen sind im Wesentlichen unverändert in die Kirchenverfassung von 1971 übernommen worden.
Ein zweiter „Fertigteil“, der in die Kirchenverfassung von 1971 eingebaut wurde, war die 1969 vollzogene Änderung des 3. Abschnittes der Kirchenverfassung von 1920 über „Dekanat und Kirchenbezirk“.14 Die Vorwegnahme der Neuregelung dieses Bereiches hatte ihren Grund darin, dass die Reform des Kirchenbezirks als „vordringlichster und entscheidendster Ansatz der Kirchenreform“ angesehen wurde.15 Für diese Einschätzung war die Erkenntnis maßgeblich, dass zahlreiche kirchliche Dienste, wie z. B. der Dienst an bestimmten Zielgruppen, Sozial- und Öffentlichkeitsarbeit, nicht von der Ortskirchengemeinde, sondern nur im größeren Bereich des Kirchen-(Dekanats-)bezirks wahrgenommen werden können. Es galt deshalb im Sinne der von der Generalsynode der VELKD 1967 verabschiedeten „36 Thesen zur Kirchenreform“16, den Kirchen- und Dekanatsbezirk „nicht mehr nur als Addierung von Kirchengemeinden oder als Verwaltungsgliederung der Landeskirche“ zu definieren. Es sollten ihm vielmehr „als dem Schnittpunkt regionaler und funktionaler Dienste im Gesamtgefüge der Kirchen eigenständige Bedeutung und Aufgabenstellung“ zugewiesen werden, um ihn dadurch „zu einer geistlichen und organisatorischen Aktionseinheit“ umzugestalten. Dieser Zielsetzung entsprechend erhielten die Organe des Dekanatsbezirks – Dekanatssynode, Dekanatsausschuss und Dekan – klarere Konturen, wobei die bisherige Unterscheidung zwischen Kirchenbezirk und Dekanatsbezirk aufgegeben wurde; insbesondere wurden die Kompetenzen des Dekanatsausschusses als der „Drehscheibe der kirchlichen Arbeit im Dekanatsbezirk“ gegenüber dem bisherigen Bezirkssynodalausschuss erweitert.
Auf dem Weg der „theologisch gebildeten Frau“ von der Vikarin zur Pfarrerin17 war die Ergänzung des Art. 8 der Kirchenverfassung von 1920 über das geistliche Amt durch das Kirchengesetz vom 14. November 197018 ein wesentlicher Markstein. Dieses eröffnete die Möglichkeit, „Mitarbeitern“ (sic!) aufgrund einer besonderen Berufung und Lehrverpflichtung den Auftrag zu Predigtdienst und Sakramentsverwaltung für einen bestimmten Dienstbereich zu übertragen, und bildete die Grundlage für das am gleichen Tag ausgefertigte und verkündete Theologinnengesetz. Pfarrvikarinnen waren nun zur Sakramentsverwaltung unter der Voraussetzung berechtigt, dass die Notwendigkeit für ihren Dienstbereich zur Sakramentsverwaltung festgestellt und begründet war, ein entsprechender Beschluss von Kirchenvorstand bzw. Dekanatsausschuss vorlag und der zuständige Pfarrer seine Zustimmung erteilt hatte. Mit dieser Verfassungsänderung und dem daraufhin verabschiedeten „Beauftragungsgesetz“ vom 19. März 197119 wurde zugleich ein Impuls der Verfassungsberatungen von 1920 aufgenommen, in besonderen Fällen auch nicht wissenschaftlich-theologisch ausgebildete Gemeindeglieder mit der öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung zu beauftragen.
Schließlich wurden noch auf der Frühjahrstagung der Landessynode 1971 im Hinblick auf die im Herbst dieses Jahres anstehende Neuwahl der Landessynode unter gleichzeitiger Verabschiedung eines neuen Landessynodalwahlgesetzes die Bestimmungen der alten Kirchenverfassung über die Zusammensetzung und die Wahl der Landessynode in der Weise geändert, wie sie im wesentlichen auch Aufnahme in die neue Kirchenverfassung (Art. 43 bis 45) gefunden haben.20 Die Zahl der Mitglieder der Landessynode wurde dabei von (zuletzt) 91 auf 102 erhöht.21
2.Änderungen der Kirchenverfassung
a)Änderungen bis 1999
Bis 1999 ist die Kirchenverfassung viermal geändert worden. Insbesondere ist 1995 ein neuer Art. 10 a (nunmehr Art. 11) eingefügt worden, in welchem festgestellt wird, dass Frauen und Männer durch die Taufe gleichwertige Glieder der Kirche Jesu Christi und deshalb auch gleichberechtigte Mitglieder der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern sind; mit diesem Kirchengesetz22 wurde ferner durch eine Änderung von Art. 25 und 31 KVerf (n. F.: Art. 26 und 32) die verfassungsrechtliche Grundlage für ein alternierendes Verfahren auch bei der Besetzung von Pfarrstellen mit Dekansfunktion geschaffen.23
Weitere grundsätzliche Änderungen erfolgten ohne Änderung des Verfassungstextes mit verfassungsändernder Zwei-Drittel-Mehrheit im Wege der Verfassungsdurchbrechung:24 Solche sachlichen Änderungen der Kirchenverfassung beinhalteten insbesondere das „Kirchengesetz über die Berufung der Theologin zum Dienst des Pfarrers“ (1975), wodurch die Frauenordination eingeführt wurde,25 die 1976 geschaffenen Sonderbestimmungen für die Dekanatsbezirke München und Nürnberg,26 das Arbeitsrechtsregelungsgesetz (1977),27 das Kirchengesetz zur Erprobung neuer Regelungen im Bereich des Dienstrechts (1980),28 das Kirchengemeinde-Erprobungsgesetz (1993)29 und das Dekanatsbezirks-Erprobungsgesetz (1996).30
Das letztgenannte Kirchengesetz sowie die Verfassungsänderungen von 1995 sind von einem von 1994 bis 1998 tätigen, aus Mitgliedern der Landessynode, des Landeskirchenrates/Landeskirchenamtes und weiteren Sachverständigen zusammengesetzten „Gemischten Ausschuss Kirchenverfassung“ vorbereitet worden.31 Die weiteren Ergebnisse der Beratungen dieses Ausschusses32