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Evangelisches Kirchenrecht in Bayern. Hans-Peter Hübner
Читать онлайн.Название Evangelisches Kirchenrecht in Bayern
Год выпуска 0
isbn 9783532600627
Автор произведения Hans-Peter Hübner
Жанр Религия: прочее
Издательство Автор
Leistungsrechte können zum einen vor allem als Verfahrensrechte auch im kirchlichen Bereich relevant sein, z. B. der Anspruch auf rechtliches Gehör und die Gewährleistung von Rechtsschutz. Geregelt ist dies auch für die ELKB insbesondere durch das Verwaltungsverfahrens- und Zustellungsgesetz der EKD (RS 957) und die Ordnungen kirchlicher Gerichte auf landeskirchlicher, EKD- und VELKD- Ebene. Zum anderen sind in diesem Zusammenhang die geistlichen Amtshandlungen (insbes. Taufe, Konfirmation, Ordination, Trauung, Begräbnis)15 zu nennen. Auf diese kann es aber kein einklagbares Recht geben; vielmehr muss im jeweiligen Einzelfall aus geistlich gebotenen Gründen eine Versagung möglich sein. Die Exemtion geistlicher Amtshandlungen vom Rechtsschutz und die daraus folgende Unanfechtbarkeit ihrer Versagung sind ein allgemein anerkanntes Prinzip evangelischen Kirchenrechts.16
Die Ausgestaltung kirchlicher Mitwirkungs- und Teilhaberechte unterscheidet sich insofern grundlegend von Mitwirkungsrechten im staatlichen Bereich, als es dabei im Kern nicht um das Recht jedes Einzelnen auf Mitwirkung an der (kirchen-)politischen Willensbildung des Gemeinwesens und (kirchen-)politische Abstimmungsprozesse geht, sondern – in Konsequenz des allgemeinen Priestertums aller Getauften – um die Teilhabe am Leben von Gemeinde und Kirche, an Verkündigung und Diakonie.17 Demgemäß werden in den Kirchenverfassungen die kirchlichen Mitwirkungs- und Teilhaberechte auch nur „im Rahmen der kirchlichen Ordnungen“ gewährt und damit unter einen Gesetzesvorbehalt gestellt.18 Dadurch erhalten die Mitwirkungs- und Teilhaberechte die rechtliche Qualität von Programmsätzen und Aufträgen, aus denen indes Konsequenzen für das kirchliche Handeln zu ziehen sind.19
Vor diesem Hintergrund ist den Befürwortern von „Grundrechten in der Kirche“ wohl bewusst, dass deren Ausgestaltung „selbstverständlich nicht einfach der Vorstellung von Grundrechten im staatlichen Bereich zu folgen“ hat, sondern sich an Botschaft und Auftrag der Kirche zu orientieren hat.20 Insgesamt gesehen, ist deshalb nicht auszuschließen, dass die Einführung bzw. Qualifizierung kirchlicher Mitgliedschaftsrechte als „Grundrechte“ bei Kirchenmitgliedern und Nichtkirchenmitgliedern mehr Missverständnisse und falsche Erwartungen auslösen kann, als dass diese der sachgerechten Beschreibung des Charakters der (Mit-)Gliedschaft in der Kirche dienlich wäre.21
4.Das Verhältnis von (Predigt-)Amt und Gemeinde als Grundfrage lutherischer Kirchenverfassung
Die Architektur einer evangelischen Kirchenverfassung bestimmt sich maßgeblich nach der Zuordnung des Amtes der öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung (Predigtamt) und der Gemeinde. Luthertum und reformierte Lehre geben dazu unterschiedliche Antworten:
a)Luthertum
Für das Luthertum ist das Gegenüber des auf Art. 5 CA beruhenden Predigtamtes22 und der Gemeinde kennzeichnend. Wie dieses Gegenüber konkret gestaltet werden kann, lässt sich anhand zweier – einander ursprünglich heftig bekämpfender – Erklärungsversuche aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verdeutlichen:23
(1)Stiftungs- oder Institutionstheorie (F. J. Stahl, A. Vilmar, Th. Harnack, Th. Kliefoth, W. Löhe):
Die Vertreter dieser Lehre sehen das Amt der öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung als eigene göttliche Stiftung an: Es steht als Hirtenamt über der Gemeinde und ist weder von ihr noch aus dem allgemeinen Priestertum der Getauften ableitbar. Vielmehr ist dieses (sacerdotium) – als eine andere Kategorie – strikt vom öffentlichen Predigtamt (ministerium verbi divini) zu unterscheiden. Während das allgemeine Priestertum nur das private Verhältnis des Christen zu Gott bestimmt, ist das Amt eine Institution der Kirche. Die göttliche Stiftung umfasst also auch den Pfarrerstand als solchen, wobei allerdings die konkrete Ausgestaltung des Pfarrerdienstrechts menschliches Recht ist. Das Verständnis des öffentlichen Predigtamts als Hirtenamt bedingt, dass den Amtsträgern nach göttlichem Recht auch die primäre Befugnis zur äußeren Leitung der Kirche zukommen soll – in der Kirchengemeinde ebenso wie auf der Ebene des Kirchenkreises und der Landeskirche.
(2)Übertragungstheorie (G. F. Puchta, L. Richter, A. v. Harless, J. W. F. Höfling):
Im Gegensatz dazu steht die Übertragungstheorie, deren Vertreter zwar nicht die göttliche Stiftung des Predigtamtes leugneten, was wegen Art. 5 CA auch unzulässig wäre, diese göttliche Stiftung aber lediglich auf seine Funktion beschränkt wissen wollen. Predigtamt und allgemeines Priestertum sind demnach nicht unterschiedliche Dinge, sondern entstammen einer gemeinsamen Wurzel: Die Amtsvollmacht ist im allgemeinen Priestertum allen Christen geschenkt. Die Funktionen der öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung werden jedoch von der Gemeinde als der Gemeinschaft der im allgemeinen Priestertum Stehenden auf die Inhaber des öffentlichen Predigtamtes übertragen.
Die unterschiedlichen Konsequenzen, die sich je aus diesen Theorien für die Gestaltung einer Kirchenverfassung ergeben, sind erheblich:
Dadurch, dass die Institutionstheorie auch alle Aufgaben der äußeren Kirchenleitung an das geistliche Amt bindet, wird eine aktive Rolle der Gemeindeglieder in der kirchlichen Gemeinschaft stark behindert. Presbyterial-synodale Strukturen machen dann keinen rechten Sinn, weil unter diesen Bedingungen Gemeindeglieder nur Verwaltungshelfer sein können und Synoden nur als „zeugnisgebendes Organ der hörenden Gemeinde“24 oder „Resonanzboden“ des geistlichen Amtes25 erscheinen können; das allgemeine Priestertum tritt stark in den Hintergrund. Demgegenüber ermöglicht die Übertragungstheorie Kirchenvorständen und Synoden die Wahrnehmung nicht nur rechtlicher, sondern auch geistlicher Verantwortung.
Nach alledem braucht wohl nicht eigens dargelegt zu werden, dass sich die Institutionstheorie zumindest in Deutschland in keiner der geltenden evangelisch-lutherischen Kirchenverfassungen mehr wiederfindet. Bemerkenswert ist, dass z. B. in der Kirchenverfassung der ELKB „Amt“ im umfassenden Sinne des der Kirche von Jesus Christus gegebenen Auftrags definiert wird, welches sich in verschiedene Dienste gliedert, den Auftrag zur öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung und die Vielzahl weiterer kirchlicher Dienste in Gottesdienst, Diakonie, Mission, religiöser Bildung, sonstiger Gemeindearbeit und Verwaltung (Art. 12, 14 Kirchenverfassung der Evang.-Luth. Kirche in Bayern). „Die in diese Dienste Berufenen arbeiten im Sinne einer christlichen Dienstgemeinschaft in der Erfüllung des kirchlichen Auftrags zusammen.“
b)Reformiertes Verständnis
Das Gegenüber von Amt und Gemeinde ist reformiertem Verständnis fremd. Dies folgt daraus, dass danach nicht nur das Predigtamt, sondern auch die Ämter des Presbyters, des Lehrers und des Diakons auf biblischer Weisung beruhen. Alle diese Ämter stehen sich in je eigener Würde und Legitimität gegenüber; allen gemeinsam ist es aufgetragen, Kirche zu leiten. Im Presbyteramt ist damit eine Laienbeteiligung an der Gemeinde- und der