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„Ich bin eins. Diese Einheit kann unter zahllose Menschen verteilt werden."

      Manchmal mochte es einem sensiblen Beobachter gelingen, etwas von der inneren Arbeit eines grobstofflichen, äußeren Arbeitsvorganges wahrzunehmen, wie hier, bei dem Verlagern der Steine im Flussbett von Haidakhan, um Mauern aufzurichten und das Terrain als Anbauland zu begradigen:

       „Goldene Linien waren auf den Erdboden vorgezeichnet und mündeten alle in ein großes Tor. Die Arbeitenden bewegten sich emsig auf diesen Linien hin und her, gingen durch das Tor und kamen wieder heraus. Sobald nur jemand ein wenig von diesen Linien abwich, griff Babaji sofort ein: 'Hier soll der Stein hin, nicht dort! Diesen Felsbrocken sollst du aufnehmen, schnell, die Zeit drängt!'"3. So wies Babaji auch wiederholt daraufhin, dass alle physische, materielle Arbeit, die als selbstloses Handeln ausgeführt wird, in Wahrheit ein spirituelles Geschehen ist und eine Verwandlung des Bewusstseins bewirkt. Deshalb wurde er auch nicht müde, über die Arbeit als Gottesdienst zu sprechen. Von sich selbst hatte er wiederholt gesagt, täglich vierundzwanzig Stunden lang im Dienst zu sein, dass er viel zu tun habe und wenig Zeit, um alles zu vollenden, weswegen er gekommen war. Babaji kam, lebte seine Botschaft, sprach sie in Worten aus, ließ sie verkünden. Er ging, als diese Aufgabe beendet war: „Ich habe den Weg gezeigt. Nun ist es an euch, die Welt zu erlösen." Von seinem menschlichen Körper hatte er gesagt: „Dieser Körper ist nichts, er ist nur da, um den Menschen zu dienen ... eines Tages wird er austrocknen." Babaji verließ seinen Körper am Valentinstag, dem 14. Februar 1984. Oft, besonders in den letzten Jahren und Monaten, hatte Babaji darauf hingewiesen, dass eine große Umwälzung (mahakranti) unabänderlich sei. Er hatte auch immer wieder davon gesprochen, wie sie sein würde, und wie man sie überleben könnte. Noch am Tage, ehe er seinen Körper aufgab, waren einige Besucher und Schüler um ihn versammelt, während er lange schweigend eine Weltkarte betrachtete und dann mit tiefem Ernst in einem Bildband über Hiroshima blätterte, den ihm jemand mitgebracht hatte. In der Stille, die um ihn eingetreten war, hob er plötzlich den Kopf und sagte, indem er unverwandt in eine weite Ferne blickte: „Die mahakranti (Zerstörung, Revolution, totale Reinigung) muss sein! Aus zwei Gründen", dabei hatte er sich groß aufgerichtet, so dass er fast erschreckend wirkte, „weil die Menschen nur noch in 'ich' und 'mein' denken - das ist nicht die Wahrheit, nicht der Weg, nicht Liebe; weil jeder groß sein möchte und niemand mehr klein sein kann." Mit einem tiefen Seufzer hatte er sich wieder in seinen Stuhl zurücksinken lassen und fügte noch mit weicher, fast unhörbarer Stimme hinzu: „deshalb ist sie unabänderlich." Als Inspirator dieser Revolution war er gekommen, einer großen Umkehr wegen im Geiste, im Denken und Fühlen. Gleichzeitig betonte er, dass die Umwandlung sich nicht auch ohne einen materiellen Umsturz ereignen könne, wobei die alten Gedankenstrukturen, Gesellschaftsformen, die Oberfläche der Erde selbst, eine totale Umwandlung erfahren würde. Die Erscheinung des Wesens, das allgemein als 'Babaji' bekannt ist und unter den verschiedensten Gestalten und Namen durch die Zeiten hindurch verehrt wird, ist in unserem Jahrhundert als Mahavatar, als große göttliche Inkarnation, bekannt geworden4, der mit dem kosmischen Christus die Grundlage vorbereitet, die Menschheit unserer Tage einem neuen Bewusstsein zuzuführen. Es besteht eine umfangreiche Literatur in Hindi über seine Verkörperung als „alter Haidakhan Baba"5, wie auch über das Phänomen der Identität von Mahavatar Babaji und Haidakhan Baba in zwei Verkörperungen als der 'Menschwerdung' des Gottes Shiva, dem höchsten kosmischen Bewusstsein6. In seiner letzten Verkörperung hat Babaji erwähnt, dass es zuerst die Chinesen waren, dann die Tibeter und Nepalesen und zuletzt die Inder, die schon vor Tausenden von Jahren zu ihm gekommen seien. Doch warnte er auch davor über ihn oder sein 'Alter' mit denen zu sprechen, die dem Mysterium des Göttlichen gegenüber nicht aufgeschlossen seien, da es zu nichts führe. Ebenso äußerte er sich zu Fragen seiner 'Identität', indem er kurz sagte: „Das Wichtigste im Leben ist der Glaube." Von dieser letzten Erscheinungsform hatte er seinem Schüler, dem Schriftgelehrten Mahendra Baba7 schon länger im Voraus angekündigt, dass er kommen würde „um der Menschheit eine Botschaft zu bringen". Selbst sprach er davon, dass er dieses Mal für die ganz Unwissenden, die Ärmsten und in jeder Hinsicht Notleidenden gekommen sei, für diejenigen, die nicht einmal wissen, wie sie zu Gott beten können. Das „ich bin" in den Aussagen der Meister ist zu verstehen - dies klingt in mehreren Ansprachen an - als das göttliche Bewusstsein, die Substanz aller Offenbarungen, aus denen das Alleinheitswissen heraus spricht. Babaji spricht von sich selbst verschiedentlich in der dritten Person, auch als Mahaprabhuji, der große Herr, dass zwar das Wissen um das Göttliche wichtig sei, dass man ihn aber nur durch Liebe erkennen können: „Nichts kann ohne Wissen erreicht werden, und doch kann man alles durch ein reines Herz erlangen." Babaji war 1970 als junger Yogi im Gebiet bei Haidakhan erschienen, einem uralten Heiligtum der mythischen Vorzeit, am heiligen Kailashberg, dem Fluss Gautama und eines im vorigen Jahrhundert zu Ehren des großen Heiligen gleichen Namens erbauten Shivatempels8. Mythos und Geschichte sind in der 'Biografie' Babajis eng verwoben. Der Mythos erzählt, wie Shiva in einem Gespräch mit der Göttin Parvati sagt: „ich selbst werde im kali yuga9 erscheinen, ein neues Reich und religiöses Zentrum gründen. An diesem höchst bedeutsamen Ort werde ich wohnen und allen Gottheiten Platz gewähren."10

      In seinem Wirken seit 1970 verband Babaji in seiner Person das göttliche Bewusstsein eines erleuchteten Wesens mit einer sehr menschlichen Art zu leben, die auf jede Problematik auf das kleinste Detail einer Situation einzugehen wusste: „Dienst an der Menschheit ist Gottesdienst. Liebe und diene anderen Menschen, wie du mich liebst und mir dienst. Ich selbst bin gekommen um zu dienen, zu arbeiten, um den Menschen zu helfen." Er verwies auch darauf, dass diese Schöpfung eine von vielen ist, wie auch Veränderung des einzige konstante Element im Leben ist. Deshalb lehrte er allgemein den Weg der Loslösung von der grobstofflichen Schöpfung und die Rückkehr zum Ursprung, zum göttlichen Geist und Licht. In diesem Zusammenhang lehrt das sanatana dharma, das zeitlose Gesetz des Anbeginns, dass seit dem Beginn der Schöpfung überhaupt, bis hin zum heutigen kali yuga, Gott Mensch wird zum Wohle des Menschen. Es ist die Wiederkehr des ewig Einen in vielfältiger Gestalt, unter vielen Namen durch die Zeiten hindurch verehrt, das höchste Bewusstsein in menschlicher Form, je nach den Erfordernissen der Zeit Und schließlich schafft Gott das Universum mit all seinen Schöpfungen immer wieder von Neuem.

      Kurz vor seinem Weggang sagte er von seinem Körper: „Zu viele Krankheiten habe ich gegessen, jetzt muss ich meine eigene Krankheit essen ... mein Herz ist gebrochen, verwundet von tausend Messerstichen, und niemand ist da, um meine Wunden zu heilen ... Mond, Sonne und Sterne sind alle in mir - ich trage die Last den ganzen Weltalls." Diesen Körper überließ er der Erde11. Um den Weg des Lebens zu zeigen, um der Erde auf höchster Ebene zu dienen, war er gekommen und, wie so viele Große des Geistes, hatte er sich ganz gegeben, um auch die Unmündigsten im Geiste erreichen zu können. Dies hat ihm oft nicht nur Maßverstehen, sondern auch Verleumdung zugetragen. Denjenigen, und es waren relativ nur sehr wenige, die es gelernt hatten, alles unterschiedslos anzunehmen was Babaji als Meister dem Schüler zur Erfahrung werden ließ, vergönnte er es entsprechend länger in seiner Nähe zu bleiben, um so tieferen Einblick in sein Wesen und Handeln zu erlangen. Dem mit Gewohnheiten und a priori Vorstellungen belasteten Adepten konnte dies auch absurd erscheinen auf Grund der von Babaji gewählten didaktischen Methode des improvisierten Totaltheaters. Die meisten aber kamen und gingen in einem endlosen Strom Hilfesuchender, Neugieriger, Verzweifelter, Kranker, Erlösungssuchender. Alle empfingen sie ausnahmslos seinen Segen und die Antwort, die ihrer Bewusstheit entsprach. So wie das Ausmaß der Zerstörung, der Zerfall der tradierten Strukturen für jeden sichtbar ist, so sind die Kräfte der Verwandlung, die harmonisierenden Kräfte, die an einer Neuschöpfung wirken, ebenso tätig, wenn auch weniger evident. Babaji wies auf diese extrem gepolten Veränderungskräfte hin als Teil der Maya, des göttlichen Gestaltungswillens, der so sein essentielles Wesen zum Ausdruck bringt. So erzählt auch der Mythos vom Quirlen des Weltenmeeres durch die Götter und Dämonen, dass das Urgewässer erst den Nektar und dann das Gift hervorbrachte. Ebenso ist das Wort Gottes das Primäre der Schöpfung und so auch das Mittel, um jede Art der Zerstörung integrieren zu können. Babaji selbst, als Synthese aller Gegensätze, konfrontiert den Schüler immer mit extremen Situationen in seinem Prozess der Bewusstwerdung, in welchem es um die Vergöttlichung menschlicher Anstrengungen als Weg ging. Es war dies auch die Essenz seiner Lehre, die er täglich vorlebte:

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