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      Eine farbenfrohe Epoche – Die Herrschaft des Minos

      Im 2. Jt. v. Chr. kam die Ägäis unter den Einfluss der kretischen Minoer. Über die Gründe des Niedergangs der Kykladenkultur kann man nur spekulieren: Sickerten neue Bevölkerungsgruppen ein? Verringerten sich die Bodenerträge, sodass die Abhängigkeit von Importen wuchs? Brach der Handel zusammen, weil die von den Kretern entwickelten mit Segeln ausgerüsteten Schiffe denen der Kykladenbewohner überlegen waren? Gab es soziale Unruhen, Aufstände? Haben Erdbeben schwere Schäden angerichtet?

      Über die Herrschaft der Minoer schreibt der Historiker Thukydides aus Athen (ca. 456 – ca. 396 v. Chr.) in seinem Werk über den Peloponnesischen Krieg (431–404 v. Chr.) folgendes:

      Von denen, über die wir durch mündliche Überlieferung Kenntnis haben, war Minos der Erste, der eine Flotte baute und die Herrschaft über einen sehr großen Teil des Meeres errang, das jetzt das „hellenische“ heißt, der die Kykladen eroberte und die meisten von ihnen als Erster besiedelte, nachdem er die Karer vertrieben und seine Söhne als Herren eingesetzt hatte. Natürlich bekämpfte er auch nach Kräften die Piraterie, um höhere Einkünfte zu erzielen. (1,4).

      „Minos“ war kein Eigenname, sondern wahrscheinlich ein vererbbarer Titel des Königs. Von diesem Wort, das einer vorgriechischen Sprache angehört, ist der Name der Kultur abgeleitet, die alle Inseln der Ägäis geprägt hat. Wenn Thukydides davon spricht, dass die Minoer die Kykladen als Erste besiedelten, so meint er wohl, dass sich unter ihrer Herrschaft erstmals so etwas wie staatliche Strukturen herausbildeten. Heute weiß man, dass die Minoer die Kykladen nicht beherrschten, sondern dass sie vielmehr Handelsniederlassungen gründeten und dadurch eine starke, auch kulturelle Dominanz erlangten.

      Abb. 4 Schiffsfresko aus Akrotiri, Ende 17. Jh. v. Chr., Nationalmuseum Athen

      Im ersten Stock des Athener Nationalmuseums kann man besonders farbenfrohe Erzeugnisse dieser bunten Epoche bewundern. Es handelt sich dabei um Wandmalereien, die auf der Kykladeninsel Santorin zum Schmuck von Häusern einer einst lebhaften, beim heutigen Ort Akrotiri gelegenen bronzezeitlichen Hafensiedlung dienten, die bei einem Vulkanausbruch wohl im 17. Jh. v. Chr. verschüttet wurde. Zu sehen sind reich gewandete junge Frauen (Göttinnen, Kultdienerinnen?), boxende Knaben, ein Fischer mit seinem reichen Fang und Tiere aller Arten, darunter die berühmten fliegenden Schwalben. Ein Fresko wirft besondere Fragen auf: Es schmückte die Wände des Zimmers 5 im oberen Stockwerk des Westhauses und zeigt ein großes Panorama mit einer Schiffsprozession auf dem Meer und menschlichen Siedlungen am Ufer (Abb. 4). Über Soldaten auf einem Schiff sind „Eberzahnhelme“ aufgehängt, die man eigentlich erst aus der mykenischen Zeit kennt. Hatten die Theräer ebenfalls derartige Helme? Waren schon in so früher Zeit Mykener auf der Insel – als Herrscher oder als angeworbene Söldner?

      Neue kriegerische Herren – Die goldreichen Mykener auf den Kykladen

      Man geht davon aus, dass die kykladische Inselwelt um 1500 v. Chr. von neuen, noch kriegerischeren Herren, als die minoischen Kreter es waren, erobert worden ist. Diese kamen diesmal von Westen, vom griechischen Festland her, auf dem sie sich ca. 2000 v. Chr. festgesetzt hatten. Das Athener Nationalmuseum beherbergt die grandiosen Funde Heinrich Schliemanns aus Mykene und ermöglicht damit vor Ort einen einzigartigen Einblick in die materielle Kultur der nach diesem Hauptfundort benannten Mykener.

      Ihre Fürsten residierten aber nicht nur in Mykene selbst, dessen Herrscher laut griechischer Mythentradition freilich eine besondere Stellung zukam, sondern auch in anderen, in der Regel ebenfalls schwer befestigten Zentren wie Orchomenos, Theben, Athen, Tiryns, Pylos und Sparta. Wie die minoischen Paläste standen auch die trutzigen mykenischen Burgen inmitten von Siedlungen. In ihrer Architektur unterschieden sie sich aber von ihnen: Sie waren auf einen rechteckigen Thronsaal, das Megaron, hin ausgerichtet. Die Mykener schufen eine eigene Schrift, eine Silbenschrift, die man als Linear B bezeichnet und die 1952 entziffert worden ist. Die Menschen, die sie benutzten, sprachen also ein frühes Griechisch. Man hat auf Kreta und auf dem Festland fast 6.000 kleine beschriftete Tontäfelchen gefunden, deren Erhalt der Tatsache verdankt wird, dass sie bei der Zerstörung der Häuser durch das Feuer gehärtet worden sind. Mehr als die Hälfte stammt aus Knossos, das die Mykener ebenfalls eroberten. Die Schrift diente lediglich der Verwaltung, für längere literarische Texte war sie hingegen ungeeignet. Sorgfältig wurde über die Güter Buch geführt, die von den Untertanen als Abgaben an den König geliefert werden mussten und über die Güter, die den Palast verließen. Wir lernen aus den Täfelchen viel über die frühe Form der griechischen Sprache, außerdem geben sie uns Auskunft über die Landwirtschaft, die Herrschafts- und Sozialstruktur, über Berufe, Verträge und die Religion. So konnten Götternamen wie Zeus, Poseidon, Hera, Artemis, Athena, Dionysos und Hermes sicher entziffert werden. Apollon erscheint nur mit seinem Beinamen „Paian“, Aphrodite gar nicht. Zudem findet eine namenlose Herrin (gr. Potnia) häufige Erwähnung.

      Die Mykener pflegten die Handelsbeziehungen weiter, die die Minoer geknüpft hatten. Ihre Kunst war von den Minoern beeinflusst, ohne jedoch reine Nachahmung zu sein. Manche Objekte dürften gar direkt aus minoischen Werkstätten stammen. Um 1200 v. Chr. ereilte die mykenischen Burgen auf dem Festland das Schicksal der gewaltsamen Zerstörung – sie wurden nie wieder aufgebaut. Zur gleichen Zeit brach das Hethiterreich zusammen und Ägypten wurde bedroht.

      Ägyptische Quellen sprechen von „Seevölkern“. Über die Frage, wer sie waren, woher sie kamen und ob sie wirklich die Ursache der globalen Katastrophe gewesen sind, rätselt die Wissenschaft bis heute. Man nimmt an, dass es eine durch klimatische Veränderungen im Mittelmeerraum verursachte Dürreperiode mit entsprechendem Getreidemangel und nachfolgender Hungersnot gegeben haben könnte. Daraufhin dürften Unruhen und Aufstände ausgebrochen sein. Die Infrastruktur brach jedenfalls mit Sicherheit zusammen. Viele Menschen verließen ihre Heimat und suchten neue Siedlungsgebiete.

      Von all dem erzählen die Museumsobjekte kaum etwas. Auch ist nicht klar, ob und in welchem Maß die Kykladeninseln davon betroffen waren. Die stummen Zeugen der Vergangenheit mögen so manches Unglück und persönliche Schicksalsschläge beobachtet haben. Allein sie schweigen noch und überlassen uns unserer Phantasie.

      Bewegte Zeiten – Aristokraten geben den Ton an

      Viele der Emigranten fanden auf den ägäischen Inseln und an der kleinasiatischen Westküste eine neue Heimat. Als um 1000 v. Chr. die Dorer, von Norden kommend, in Griechenland einwanderten (Dorische Wanderung), machten sich erneut Menschen auf den Weg in den Osten. Die größte Gruppe unter ihnen bildeten die Ionier, die sich auf fast allen Kykladeninseln festsetzten (Ionische Wanderung). Ziele der Dorer waren Kreta, Rhodos, Melos und Thera, die Äoler wählten Lesbos als ihre neue Heimat.

      Bei den Ioniern, Dorern und Äolern handelte es sich aber nicht um ethnisch unterschiedliche Stämme im eigentlichen Sinn, sondern um Sprachgruppen. Bei ihnen hatte sich in nachmykenischer Zeit jeweils ein eigener Dialekt der griechischen Sprache herausgebildet. Die jeweilige eigene Sprachform spielte für das Identitätsbewusstsein der Gruppen eine große Rolle.

      Die Kenntnis der Schrift war nach dem Ende der mykenischen Zeit verloren gegangen. Um 800 v. Chr. übernahmen die Griechen die Buchstabenschrift der Phönizier, des von der Levanteküste stammenden antiken Händlervolks, und passten sie ihrer Sprache dadurch an, dass sie Zeichen, die sie nicht brauchten, zur Bezeichnung von Vokalen verwendeten. Es spricht vieles dafür, dass sich bereits Homer dieser Schrift bedient hat.

      Im 8. Jh. v. Chr. geriet die Welt der Griechen erneut in Bewegung. Menschen verließen die kleinasiatischen Städte und gründeten an den Ufern des Schwarzen Meeres Kolonien, Menschen vom Festland und von Euböa zog es in den Westen nach Unteritalien und Sizilien. Man spricht

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