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      Jork Steffen Negelen

       Die Abenteuer der Koboldbande

      Achter Teil:

       Ohle und der Brunnen der sieben Schlüssel

      Engelsdorfer Verlag

      Leipzig

      2017

      Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

      Erste Auflage

      Copyright (2017) Engelsdorfer Verlag Leipzig

      Alle Rechte beim Autor

      Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

       www.engelsdorfer-verlag.de

       Zwei ungleiche Freunde

      Die Nacht rückte unaufhaltsam näher und die Kälte nahm zu. Der Wind spielte mit den Schneeflocken. Er ließ sie ihren Reigen tanzen, bevor sie zu Boden fielen und alles bedeckten, was sich nicht vor ihnen verstecken konnte. Bäume und Sträucher ächzten unter der Last des Schnees und ab und zu gab ein Ast krachend unter der weißen Pracht des Winters nach.

      Ein einsamer Wanderer sammelte diese Äste ein, um sich ein Lagerfeuer zu machen. Er war müde und er fluchte leise über die Kälte. Doch er war dem Schnee auch dankbar, der ihm das Holz für sein Feuer spendete.

      Als einige Augenblicke später die Flammen loderten und der Wanderer sich eine Suppe in einem kleinen Kessel kochte, kamen ihm die Gedanken an seine Flucht noch einmal in den Sinn. Fast siebenhundert Jahre hatte er in einem Käfig gelebt. Gefangen von einem Viel-Auge, musste er in einer finsteren Höhle in einem großen Käfig ausharren. Er durfte diesen Käfig nur ein einziges Mal verlassen und selbst dann waren seine Beine mit Ketten gefesselt. Ein eiserner Ring, mit seltsamen Kräften an seinem Hals, hatte zudem verhindert, dass er seine eigenen magischen Kräfte nutzen konnte. Sein Martyrium endete erst, als das Viel-Auge einen Elf fing, der zur Belustigung und als Essen dienen sollte.

      Das Viel-Auge war nichts weiter als ein boshafter alter Waldschrat. Ihm wuchsen überall auf seinem haarigen Schädel kleine und große Augen. Alles, was um ihn herum geschah, konnte er sehen. Selbst wenn er schlief, waren mehrere Augen wach.

      Am liebsten aß er das rohe Fleisch von Hirschen oder Wölfen. Selbst Bären und Elche verschmähte er nicht. Doch besonders gern verspeiste er junge Elfen. Wenn er einen Elf gefangen hatte, so brachte er ihn in seine Höhle. Dort stieß er ihn so lange in ein Wasserloch, bis der Elf im eisigen Wasser ertrunken war. Erst dann wollte der Schrat ihn fressen. Dieses Viel-Auge war wirklich ein besonders boshafter Waldschrat.

      Doch beim letzten Elf war etwas schief gelaufen. Er tauchte im Wasserloch nicht mehr auf und der Schrat ging hungrig und wütend noch einmal auf die Jagd. Nur eine Stunde später kam er mit einem Schaf zurück. Das hielt er an den Hinterbeinen fest, als er es ertränkte. Danach fraß er die Hälfte des Tieres auf. Ein Stück vom Fleisch bekam der Gefangene im Käfig. Der Schrat sprach nicht mit ihm und er sagte auch nicht, warum er ihn im Käfig gefangen hielt.

      Die Suppe war fertig und der Wanderer zog einen hölzernen Löffel aus seinem löchrigen Mantel. Vorsichtig probierte er, ob sie ihm schmeckte. Dann löffelte er langsam den Kessel leer. Dabei glitten seine Gedanken wieder zurück zu seiner Flucht. In der letzten Nacht tauchte plötzlich die Seele des Elfs aus dem Wasserloch auf und sie betrachtete den Gefangenen im Käfig. Sie zerbrach den eisernen Ring, der ihm eng um den Hals hing. Von der Magie des Ringes befreit, kehrten seine eigenen Zauberkräfte zu ihm zurück und der Gefangene konnte die Ketten von seinen Beinen streifen und das Schloss des Käfigs öffnen.

      Die Seele, die wie ein weißes Abbild vor dem Gefangenen schwebte, flüsterte ihm etwas zu. »Verstecke mich, sonnst werde ich in das Seelenreich meiner Ahnen gezogen. Doch ich will noch nicht dort hin.«

      Der Gefangene sah sich in der Höhle um. Neben einem Haufen alter Sachen lag ein gelber Handschuh. Er ließ die Elfenseele in ihn hinein schlüpfen. Dann steckte er den Handschuh in eine Tasche seines zerlumpten Mantels. Danach ging er zu dem Viel-Auge.

      Der Schrat lag in einer Ecke der geräumigen Höhle und schnarchte. Er erwachte sofort, als er seinen Gefangenen sah. Langsam stand er auf und er versuchte, zu einer Keule zu gelangen.

      »Na Sehto, hast du dich doch noch befreien können?«, sprach der Schrat. Es war das erste Mal, dass Sehto seine Stimme hörte.

      Unerwartet schnell griff der Schrat zur Keule und er bedrohte seinen Gefangenen sofort. Doch Sehto war schneller. Er streckte das Viel-Auge mit einem Blitzschlag nieder. Dabei löste sich ein Auge vom Kopf des Schrates. Sehto sammelte es auf und steckte es sich in seine Manteltasche. Dann wollte er seinem Peiniger noch einmal seine Magie spüren lassen. Doch der Schrat rannte aus der Höhle und verschwand im Wald.

      So sammelte Sehto auf, was er in der Höhle an brauchbaren Sachen finden konnte. Es lagen allerlei Dinge herum, die von den widerlichen Mahlzeiten des Viel-Auges übrig waren. Dann verließ auch er die Höhle.

      Draußen im Freien war es unerwartet kalt. Sehto wusste nicht, dass es gerade Winter war. Doch er wollte auf keinen Fall zurück in die Höhle gehen, in der er so lange gefangen war. Also suchte er sich im Wald einen passenden Wanderstock. Dann ging er einfach los.

      Nun war es Abend und er saß als freier Mann an seinem eigenen Lagerfeuer. Er aß seine Suppe, die wohl keinem anderen Wesen in dieser kalten Welt schmecken würde. Doch er fühlte sich plötzlich so gut. Nur den armen Elf bedauerte er. Langsam zog er den Handschuh aus seiner Manteltasche.

      »Vorsichtig«, meckerte die Elfenseele im Handschuh los. »Wenn ich herausrutsche, so kann es passieren, dass ich in das Seelenreich meiner Ahnen hineinfahre.«

      »Warum eigentlich nicht?«, fragte Sehto. »Dort hast du es bestimmt besser, als in dem Handschuh.«

      »Wie bitte?!«, ereiferte sich die Seele. Dabei konnte sie das Auge zum Sehen benutzen, dass Sehto vom Schrat aufgelesen hatte. Es sah irgendwie komisch aus, aber der Handschuh konnte sogar laufen und mit dem Auge in der Handfläche blinzeln.

      »Warum hast du mich überhaupt in einen gelben Handschuh gesteckt?«, wollte die Seele wissen.

      »So schnell habe ich nichts anders finden können«, erklärte Sehto. »Wie heißt du überhaupt und wo kommst du her?«

      »Ich?«, fragte die Seele, so als wäre sie über die Frage beinahe empört. »Ich bin Trajan und ich komme aus Bochea. Dort war in letzter Zeit ganz schön was los. Diebe und Mörder waren in der Stadt. Doch die Minitrolle und die Kobolde und die Nekromanten …«

      »Was sagst du da!?«, rief Sehto aufgebracht. Sagtest du eben das Wort Nekromanten!?«

      »Äh, ja. Warum auch nicht?«, fragte die Seele zurück und sie blinzelte dabei mit dem Auge.

      »Ich bin der Diener der Nekromanten«, erklärte Sehto und seine Stimme klang leise und traurig. »Doch nach all der Zeit, die vergangen ist, werden mich die Nekromanten nicht mehr benötigen. Ich hätte mein Tal mit dem Baumhaus und den Kobolden niemals verlassen dürfen. Doch ich wollte unbedingt an der Schlacht teilnehmen.«

      Der Handschuh hüpfte vor Aufregung auf dem Schoß von Sehto hin und her. »Meinst du etwa die Schlacht, bei der Dämonicon vor über siebenhundert Jahren von dem großen König Alfagil besiegt wurde?«, rief er so laut er konnte.

      Sehto betrachtete den Handschuh und er konnte sein Erstaunen nicht verbergen. Dann nickte er, bevor er antwortete. »Ich saß bereits in diesem verfluchten Käfig, als die Schlacht stattfand, doch ich wäre gern bei dem Sieg von Alfagil dabei gewesen. Erst jetzt, nach so langer Zeit, erfahre ich von dem Triumph dieses großartigen Königs. An seiner Seite wollte ich unbedingt kämpfen. Deshalb habe ich mein Tal mit dem Baumhaus verlassen. Ich wollte mich gerade auf den Weg

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